Textdaten
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Autor: N. Greinz
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Titel: Weihnachtskrippe in Tirol
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aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 819
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[813]

Weihnachtskrippe in Tirol.
Nach einer Skizze von Franz Menter gezeichnet von Fritz Bergen.

[819] Weihnachtskrippe in Tirol. (Zu dem Bilde S. 813) Die langen Abende des Adventes sind herangerückt. Draußen liegt der Schnee über Berg und Flur. Der Sonnenschein zittert in den weißen Krystallen, als wolle er einen Wiederschein malen von den schneeigen Flügeln des nahenden Weihnachtsengels. Das bäuerliche Leben hat sich immer mehr und mehr auf die „bacherlwarmen“ Stuben beschränkt. Abends giebt es einen gemütlichen „Hoamgart“. Die Weiber hocken beim Spinnrad und die Männer, die oft soeben von anstrengender Holzarbeit im Hochwald heimgekommen sind, liegen behaglich auf der Bank hinterm Ofen und schmauchen ein Pfeiflein oder spielen am Tisch Karten.

Da und dort hat sich auch ein Künstler in der Lodenjoppe festgesetzt, der eifrig an größeren und kleineren Figuren schnitzt und sie bunt bemalt. Eine Schar Kinder kauert um ihn herum und lugt mit offenem Mund, wie durch Messer und Eisen alles mögliche aus einem unscheinbaren Holzklotz wird: Oechslein und Schäflein und Kühlein erstehen da wie durch Zauber, Hirten und Könige, zuletzt gar der heilige Josef und die Muttergottes mitsamt einer zierlichen „Krippe“, die bestimmt ist, das wächserne Christkindlein mit seinem rauschgoldenen Glorienschein aufzunehmen.

In der besten Stube wird dann die neue Weihnachtskrippe aufgebaut. Was zu Dekorationszwecken noch notwendig ist, muß der Krämer liefern – farbiges Papier, zinnerne Leuchtsternchen, künstliche Blumen, Goldsand und dergl. Viele Bauernhäuser besitzen schon seit Urvaters Zeiten ihre Krippe. Darunter finden sich oft wahrhafte volkstümliche Kunstwerke.

So lange der Stall bei Bethlehem mit dem heiligen Paar, dem Christkindlein, dem Ochsen und dem Eselein, den Heiligen drei Königen aus dem Morgenland und etlichen Hirten allein vertreten ist, muß das immer noch eines der bescheidensten und einfachsten „Kripperln“ genannt werden. Die eigentliche Glanzentfaltung liegt erst in dem sogenannten „Kripperlberg,“ der nicht selten die ganze Breite einer Stube einnimmt und vom Boden bis zur Decke reicht. Da giebt es dann hundertfältige Sehenswürdigkeiten zu bewundern, von dem Kripperl am Grunde des Berges bis zu dem Gloriaengel, der mitten im Himmelsblau zwischen Sternen schwebt. Der Berg wird aus geleimtem Tuch hergestellt, mit verschiedenfarbigem Sand bestreut, teilweise mit echtem Moos überkleidet. Straßen und Sträßchen ziehen von der Höhe ins Thal. Auf ihnen pilgern die Hirten und die Karawane der Heiligen drei Könige. Alles mögliche Volk, in der naivsten Mischung der Zeitalter zusammengewürfelt, strömt herbei: man kann da ihr Gewehr schulternde Soldaten sehen neben Hohenpriestern und Pharisäern, Bauernweiblein mit unverkennbarer alpiner Tracht in rührender Gemeinschaft mit den wallenden Gewändern heiliger Frauen; die wichtigsten Berufsarten finden auf solchen „Kripperlbergen“ im eigenen Häuschen ihre Vertretung – Stiefel sohlende Schuster, geschäftige Schreiner, Bauern beim Korndreschen, Müller bei ihrer Mühle, Holzfäller beim Sägeklotz. Der naive Sinn des Volkes will eben die ganze ihm bekannte Welt um das „Kripperl“ erstehen lassen. Glitzernde Glasstangen markieren ein Bächlein oder einen Wasserfall. Bei den besonders vornehmen Krippen sind die Figuren nicht bemalt, sondern mit „wirklichen G'wandern“ aus den verschiedenartigsten Stoffen bekleidet. Da giebt es denn beim Herannahen des Adventes auszubessern genug, um alles „auf'n Glanz herz'richten“.

Wenn man bedenkt daß manche dieser Weihnachtskrippen Hunderte von bekleideten Figuren zählen, läßt sich die Mühe der Instandhaltung leicht ermessen. Den höchsten Punkt der Vollendung erreicht ein Kripperlberg, wenn die Mehrzahl der Figuren beweglich ist, wenn die Handwerker taktmäßig Hände und Füße rühren, die Hirten und Könige wie lebend die Bergwege herabziehen, die Glasstangen sich drehen und so den Eindruck fließenden Wassers machen. Der Mechanismus wird gewöhnlich durch einen hinter der Krippe verborgenen Tausendkünstler in Bewegung erhalten.

Aus dem Dorfe selbst und aus den Nachbardörfern strömen die Leute herbei, groß und klein, um sich an der seltenen Herrlichkeit in der niederen Bauernstube zu ergötzen. Wenigstens ist auch ein Opferstock vor der Krippe aufgestellt für freiwillige Beiträge zur Erhaltung derselben. Zu besonders kunstreichen Krippen wird ein Eintritt erhoben. So erinnere ich mich noch aus meiner Jugendzeit lebhaft an den prächtigen „Kripperlberg“ bei der alten Stamser Trina, welche den Berg und die Figuren schon mindestens von ihrem Großvater her geerbt hatte. Der Eintritt war in Geld oder in Naturalien zu entrichten. Man zahlte entweder einen Kreuzer oder brachte ein Scheit Holz.

Das Kripperl auf unserm Bilde gleicht einer Tiroler Almhütte. Es ist der bethlehemische Stall mit Schindeln und Steinen auf dem Dach, dem Gloriaengel am First, Ochs und Eselein im Hintergrund des Stalles, dem heiligen Paar, dem Christkindlein und den anbetenden Hirten und Königen. Andächtig treten die Leute in die Stube, mit gefalteten Händen, die Männer den Hut in der Hand. Sie knieen nieder wie in der Kirche vor dem Allerheiligsten. Scheu und mit naivem Erstaunen wagen sich die Kinder heran. Für die ganz Kleinen ist es vielleicht etwas noch nie Geschautes und wird zur allerfrühesten Jugenderinnerung voll überirdischen Glanzes.

Die naiv anachronistische Auffassung der Alpenvölker hat eine Fülle der eigenartigsten kleinen Weihnachtsspiele und -lieder gezeitigt. Die Hirten reden in diesen alten Spielen und Liedern, wie etwa irgend ein 'Stoffl' oder 'Hansl' noch heute reden würde. Etliche Bekannte bleiben wohl vom Krippenbesuch abends noch auf „Hoamgart“. Wenn dann das „Amperl“ vor der Krippe ausgelöscht und der feierliche Besuch für heute geschlossen ist, dann tönen die uralten Tiroler Weihnachtslieder mit Zitherbegleitung durch die Stube und der Zauber dieser Volkspoesie ergreift mit Macht die andächtig gestimmten Herzen. R. Greinz.