Weihnachten (Rud Lavant)

Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Weihnachten
Untertitel:
aus: Der Wahre Jacob
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: J. H. W. Dietz
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
Der Wahre Jacob, Nr. 219, Seite 1841
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[1841]

Weihnachten.

Als ich ein ahnungsloses Kind noch war ―
Wie preßt’ ich da die Wangen an die Scheiben,
Sah ich die ersten grauen Flocken treiben
Im Zug der Luft ― wie ward mir wunderbar!

5
Ich sah im Wachen und ich sah im Traum,

Besteckt mit brennenden, mit lichten Kerzen,
den nadelduft’gen, grünen Tannenbaum ―
Und „Weihnacht!“ jauchzte es im kleinen Herzen.

Ich sah im Geiste all den bunten Tand,

10
Den an dem großen, langersehnten Morgen,

Halb aufgebaut und halb im Moos verborgen,
An meines Christbaums Fuß ich fiebernd fand;
Und in ein Traumnetz hat der Kerzen Schein
Das Kinderherz im Voraus eingesponnen;

15
Ein Lächeln auf den Lippen, schlief ich ein

Und freute still mich, daß ein Tag verronnen.

Der schöne Traum verwehte und zerrann
Und keine Macht der Welt kann ihn erneuern;
Ich hörte auf, mich wie ein Kind zu freuen

20
Und bitter war, was ich dafür gewann.

Ich ward verstrickt in der Gedanken Streit
Und wenn sich doch das Herz verstohlen sonnte
In einem warmen Strahl zur Weihnachtszeit,
So war es nur, weil ich bescheeren konnte.

25
Dies beste Mittel wider eignes Leid

Hab’ ich erprobt in winterlichen Tagen;
Ich ließ die Kinder rathen, forschen, fragen
Und nur ein Räthsel mehr war der Bescheid.
Oft war der Kopf, oft war das Herz mir schwer

30
Von Sorgen, die dem Tartarus entstammen,

Und dennoch trug ich wochenlang vorher
Fürs kleine Volk den bunten Tand zusammen.

Nun ist auch das verklungen und verweht,
Nun ist auch dieses Schattenglück vorüber!

35
Nur etwas ernster noch bin ich und trüber,

Wenn diesem Fest die Welt entgegengeht.
Ich muß ― so will’s ein zwingendes Gebot ―
Das Loos der Aermsten mitleidvoll ergründen,
Die ewig ringen mit der fahlen Noth

40
Und keinen Christbaum ihren Kindern zünden.


Wann wird erlöst von der verhaßten Frohn
Das arme Volk, das stumm sich müht auf Erden?
Wann wird ein Christbaum ihm errichtet werden,
Das jetzt sich quält um einen Hungerlohn?

50
Wann läßt man sie, die Ausgesperrten, ein?

Wann wird, wenn hell die Weihnachtsglocken hallen,
Auf Erden Friede, tiefer Friede sein
Und allen Athmenden ein Wohlgefallen?
                                                                           R.L.