Wasserweihe im Kaukasus

Textdaten
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Autor: Ernst von Hesse-Wartegg
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Titel: Wasserweihe im Kaukasus
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 708
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[696]

Wasserweihe im Kaukasus.
Nach einer Originalzeichnung von R. Mahn.

[708] Wasserweihe im Kaukasus. (Zu dem Bilde S. 696 und 697.) Neujahr und Ostern, Pfingsten und Himmelfahrt und alle sonstigen Feste des griechischen Kalenders werden im Kaukasus, wie in ganz Rußland, gemeinsam mit der offiziellen Welt gefeiert. Die Eigenart der Kaukasusvölker tritt indessen bei keinem dieser Feste so sehr in den Vordergrund wie bei dem Feste der Wasserweihe am Epiphaniastage, dem 6. Januar.

Die Bevölkerung jedes noch so kleinen Bergnestes strömt zu dem nächsten Fluß, der in diesem kahlen, trockenen Gebirgslabyrinth als Wasserspender noch viel größere Bedeutung hat als in den wasserreichen Ebenen des Nordens. An einer geeigneten Stelle in der Nähe des größten Ortes wird eine Brücke in den Fluß gebaut, wie wir es auf unserem Bilde erkennen, und mit Reisig, Blumenguirlanden, Teppichen u. dgl. geschmückt. In der Ortschaft oben versammelt sich die gesamte Geistlichkeit, angethan mit den reichsten, von Goldstickereien bedeckten Gewändern, die Mitra auf dem Haupt. Begleitet von der ganzen offiziellen Welt, den Beamten und Offizieren in Paradeuniform, begiebt sich die Prozession unter Vortragung des Kreuzes hinab zum Fluß. Dort hat sich auf den beiderseitigen Ufern die Bevölkerung des Thales längst eingefunden; die Männer in ihren malerischen Festkleidern, die Patronentaschen auf der Brust, das Gewehr über die Schulter geworfen, die Schwerter zur Seite, tummeln sich auf ihren flinken Rossen umher; die Frauen in ihren bunten Trachten, farbige Kopftücher um die lang herabfallenden schwarzen Haarflechten geschlungen, stehen mit ihren Wasserkrügen gruppenweise umher, jeder aus dem Fluß hervorragende Felsblock, jeder Vorsprung auf den steil abfallenden Thalwänden ist mit Menschen besetzt, welche die heilige Handlung erwarten. Sogar im Flusse selbst tummeln sich die tscherkessischen und georgischen Reiter, herrliche Kriegergestalten, auf ihren reichgeschirrten Pferden, und besonders Strenggläubige entkleiden sich, um, ins Wasser springend, den Segen des Priesters, gewissermaßen als eine Art zweiter Taufe, zu empfangen.

Nach Absingung der schönen Taufhymnen schreitet der höchste Priester, das russische Kreuz auf einem langen vergoldeten Stab in den Händen haltend, zum Ende der Brücke vor und erteilt zunächst den Versammelten den Segen. Dann taucht er das Kreuz feierlich dreimal in die vorbeirauschende Flut, und ist dies geschehen, so nimmt er aus den Händen der assistierenden Geistlichkeit einen Weihwedel entgegen, näßt ihn in dem eben geweihten Flusse und besprengt damit die Umstehenden. Damit ist die Ceremonie beendet; die Männer feuern ihre Gewehre ab, die Frauen schreiten zum Flusse vor und füllen die mitgebrachten Gefäße mit dem frisch geweihten Wasser, das während des ganzen Jahres aufbewahrt wird, um die Weihwasserbehälter in ihren Häusern nachzufüllen und es auch sonst gegen leibliche und geistige Gefahren zu verwenden. Die Prozession, begleitet von den Truppen und dem Volke, begiebt sich nun wieder nach der Ortschaft zurück, und die übrige Zeit des Tages wird mit Tanz und Festlichkeiten aller Art verbracht. E. v. Hesse-Wartegg.