Warnung für Auswanderer I (Gerstäcker 1869)

Textdaten
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Autor: Friedrich Gerstäcker
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Titel: Warnung für Auswanderer
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 591–592
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Chanchamayo, Peru
Blätter und Blüthen. Zum Thema: Warnung für Auswanderer
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[591] Warnung für Auswanderer. Es scheint fast wirklich so, als ob auf unsere armen deutschen Landsleute aus allen Ecken und Enden der Welt gefahndet wird, um sie überall da einzuschieben, wo der deutsche Auswanderer das nicht findet, was er sucht und zu seinem Bestehen nothwendig braucht: Ruhe und Frieden.

Fremde Gesellschaften verbinden sich auch auf das Unbefangenste dazu, weil sie wissen, daß sie immer gewissenlose Agenten und Schiffseigenthümer finden, die sich den Henker darum kümmern was aus ihren deutschen Landsleuten [592] wird, wenn sie nur ihr Kopfgeld oder ihre Schiffsfracht gut bezahlt bekommen. Kaum haben wir hier in Deutschland den Versuch abgewehrt, deutsche Familien nach Chili in das von wilden Araucanern bedrohte Terrain zu senden, so bildet sich jetzt wieder in Peru eine Gesellschaft, um Deutsche hinüberzubekommen, die ihnen das Land der fast noch wilderen Chunchos-Indianer erobern sollen – die sie wenigstens in deren Gebiet hineindrängen wollen, wo sie den größten Gefahren für ihr Leben und Eigenthum ausgesetzt sind.

Es liegen mir zwei Briefe von mit den Verhältnissen dort vollkommen vertrauten Männern vor, und ich wünsche, die deutschen Regierungen sowohl als alle Vereine, die sich für den Schutz deutscher Auswanderer interessiren, auf das Nachfolgende dringend aufmerksam zu machen. Der eine Brief lautet:

„Der Colonisations-Contract mit Martin und Scotland (wie die beiden Ehrenmänner heißen) ist von der Regierung in Lima mit geringen Modificationen erneuert worden, doch sollen die Colonisten jetzt nicht mehr nach dem Pezuzo, sondern nach dem Chanchamayo geschafft werden, wo sie, statt friedlich ihr Land bebauen zu können, den Angriffen der wilden Chunchos ausgesetzt sind. Bei einer kürzlich dahin gemachten Expedition sind die Truppen fortwährend den Angriffen der Wilden ausgesetzt gewesen, und jetzt sollen die deutschen Colonisten, wie auch in Chile, sich den Angriffen der Wilden in erster Linie entgegenstellen.“

Der zweite Brief sagt:

„Die Herren Martin und Scotland haben von der Regierung in Peru einen neuen Vorschuß von sechzigtausend Sols (Dollars) angewiesen erhalten, um eine neue Sendung Auswanderer zu bringen, und haben eine rebaja (Rabatt) von acht Sols bewilligt, die natürlicher Weise wieder aus den Unglücklichen herausgeschunden werden muß. Die nächsten Ankömmlinge sind von der Regierung für die Montana von Chanchamayo bestimmt, wie solches im ‚Peruano‘ veröffentlicht wurde, und wenige Tage später wurde in demselben (officiellen) Blatte ein Bericht des Coronel Pereira publicirt, in welchem dieser Herr stolz darauf ist, mit fünfzig Bewaffneten und einhundertdreißig Peons (Dienern und Begleitern) sowie mehreren Anderen, die sich angeschlossen hatten, fünf Leguas jenseits des Chanchamayo in das Gebiet der bis jetzt ununterworfenen Chunchos eingedrungen zu sein. Nach Vollbringung dieser Heldenthat haben sie sich wieder eilig über den Chanchamayo zurückgezogen, nachdem ihnen verschiedene Leute von den Wilden mit Pfeilen getödtet und mehrere verwundet waren.

Coronel Pereira verlangt eine respectable Truppenmacht, um die Wilden zu unterjochen. Er will dann bis zum Cerro de la Sal vordringen, diesen Punkt befestigen und dadurch alle Stämme, welche von dort ihr Salz holen, zwingen, die peruanische Regierung anzuerkennen. Wahrscheinlich glaubt die Regierung nun mit deutschen Colonisten diesen Zweck billiger zu erreichen und schickt sie deshalb nach der Montana des Chanchamayo.“

Ein Freund von mir, der das Land dort genau kennt, schreibt mir noch außerdem darüber:

„Die Chunchos betrachten seit langer Zeit den Chanchamayo- und den Tulumayo-Fluß (beide Flüsse vereinigen sich in der Nähe des Forts) als die Grenze ihres Gebiets und erlauben Niemandem ungestraft das linke Ufer des Chanchamayo zu betreten, während am rechten Ufer sich schon seit zwanzig Jahren größere Pflanzungen und kleinere Chacaras befanden. Die Regierung will aber die neuen deutschen Colonisten auf dem linken Ufer, also im Gebiet der Chunchos ansiedeln, und diese Wilden sind die schlimmsten Indianer im ganzen Amazonenthal.“

So weit für jetzt – ich habe natürlich um nähere Berichte gebeten und werde Ihnen später noch Weiteres melden oder Andere veranlassen, die mit jener Gegend genau vertraut sind. Wir dürfen aber um Gotteswillen nicht dulden, daß deutsche Familien auf diese niederträchtige Weise von der Heimath fortgelockt werden, um dort elend zu Grunde zu gehn, noch dazu, da sie von der erbärmlichen peruanischen Regierung nie im Leben Schutz oder Hülfe erwarten dürfen.

Die Colonie am Pezuzo, nicht weit von der Schifffahrt des Amazonenstroms entfernt, hat sich bedeutend gehoben, aber die Colonisten leben dort auch vollkommen sicher und in einem gesunden Klima.

Fr. Gerstäcker.