Wanderlieder (Ludwig Uhland)
Lebe wohl, lebe wohl, mein Lieb!
Muß noch heute scheiden.
Einen Kuß, einen Kuß mir gib!
Muß dich ewig meiden.
Von dem Baum im Garten!
Keine Frucht, keine Frucht für mich!
Darf sie nicht erwarten.
So soll ich nun dich meiden,
Du küssest mich zum Scheiden,
Ich drücke dich an die Brust.
Ach Liebchen! heißt das meiden,
Wenn man sich herzt und küßt?
Wenn man sich fest umschließt?
Will ruhen unter den Bäumen hier,
Die Vöglein hör’ ich so gerne.
Wie singet ihr so zum Herzen mir!
In dieser weiten Ferne?
Will ruhen hier an des Baches Rand,
Wo duftige Blümlein sprießen.
Wer hat euch, Blümlein, hieher gesandt?
Aus der Ferne von meiner Süßen?
Noch ahnt man kaum der Sonne Licht,
Noch sind die Morgenglocken nicht
Im finstern Thal erklungen.
Die Vöglein zwitschern nur im Traum,
Kein Sang hat sich erschwungen.
Ich hab’ mich längst in’s Feld gemacht,
Und habe schon dies Lied erdacht,
Ich reit’ in’s finstre Land hinein,
Nicht Mond, noch Sterne geben Schein,
Die kalten Winde tosen.
Oft hab’ ich diesen Weg gemacht,
Bei lauer Lüfte Kosen.
Ich reit’ am finstern Garten hin,
Die dürren Bäume sausen drin,
Die welken Blätter fallen.
Wann Alles sich der Liebe weiht,
Mit meinem Lieb zu wallen.
Erloschen ist der Sonne Stral,
Verwelkt die Rosen allzumal,
Ich reit’ in’s finstre Land hinein,
Im Wintersturm, ohn’ allen Schein,
Den Mantel umgeschlagen.
Bei diesem kalten Wehen
Die Wasser stille stehen,
Ich aber schweif’ umher.
Die Sonne scheint so trübe,
Muß früh hinuntergehn,
Die Lust kann nicht bestehn.
Nun geht der Wald zu Ende,
Im Dorfe mach’ ich Halt,
Da wärm’ ich mir die Hände,
So hab’ ich nun die Stadt verlassen,
Wo ich gelebet lange Zeit;
Ich ziehe rüstig meiner Straßen,
Es gibt mir Niemand das Geleit.
Es wär’ auch Schade für das Kleid!
Noch in die Wange mich gebissen
Vor übergroßem Herzeleid.
Auch Keinem hat’s den Schlaf vertrieben,
Sie konnten’s halten nach Belieben;
Von Einer aber thut mir’s weh.
Bei einem Wirthe, wundermild,
Da war ich jüngst zu Gaste;
An einem langen Aste.
Es war der gute Apfelbaum,
Bei dem ich eingekehrt;
Mit süßer Kost und frischem Schaum
Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste;
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
Und sangen auf das Beste.
Auf weichen, grünen Matten;
Der Wirth, er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten.
Nun fragt’ ich nach der Schuldigkeit;
Gesegnet sey er allezeit,
Von der Wurzel bis zum Gipfel!
O brich nicht, Steg, du zitterst sehr!
O stürz nicht, Fels, du dräuest schwer!
Eh ich mag bei der Liebsten seyn!