Vorwort des Herausgebers (Badisches Sagen-Buch)

Textdaten
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Autor: August Schnezler
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Titel: Vorwort des Herausgebers
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch I, S. VII–XII
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[VII]
Vorwort des Herausgebers.

Ihr Entschluß, die mythischen und historischen Sagen des Badischen Landes, wie dieselben theils noch im Munde des Volkes fortleben, theils in metrischer und prosaischer Form von zahlreichen Schriftstellern dargestellt, theils in alten Chroniken, Kirchenbüchern und neueren Geschichtswerken etc. zerstreut sind, in eine geordnete Sammlung zu bringen und herauszugeben, wurde zunächst durch das Erscheinen des großen „Oberrheinischen Sagenbuches“, von August Stöber, (Straßburg, 1842. Verlag von J. Schuler.) hervorgerufen. War nun in diesem Werke der reiche Sagenschatz der einen Hälfte des Oberrheinischen Stromgebietes, des, seinen Stammwurzeln und Hauptzweigen nach, uns Teutschen noch immer geistig verbrüderten Elsaßes, in ziemlicher Vollständigkeit durch seine und auswärtige Dichter herauf gefördert und in bunterlei rhythmischer Fassung vor den Augen der Lesewelt passend geordnet aufgereiht, – so mußte wohl das Verlangen rege werden, auch die andere Hälfte dieses unvergleichlichen Thales, unser mit romantischen Reizen so gesegnetes Baden, im vollen Märchen-Zauberglanze seines allmälig aufgedeckten [VIII] und zu Tage geschürften Sagenhortes leuchten und mit seinem transrhenanischen Nachbarn darin wetteifern zu sehen.

Bereits vor längerer Zeit aber war von den achtungswerthesten Stimmen in einheimischen Zeitschriften, u. A. auch von Aloys Schreiber in der „Badischen Wochenschrift“ (1807), der Wunsch laut geworden, es möchte sich recht bald eine kundige Hand der Sammlung unserer Volkssagen unterziehen, ehe dieselben mit der älteren Generation, in deren Munde sie noch großentheils fortleben, zu Grabe sinken, oder von den politischen Stürmen neuerer Zeiten verweht, von den Lebensinteressen moderner Zustände verdrängt werden; eine Besorgniß, die auch mehrere Schriftsteller anderer teutschen Landestheile angetrieben zu haben scheint, die Sagen ihrer Heimath zu sammeln und durch den Druck vor dem Untergange zu retten. So erhielten wir, nach dem Vorgange von G. Grimm’s „Teutschen Sagen“, seit dem letzten Jahrzehnt eine schon bedeutende Anzahl von Sagensammlungen aus verschiedener Herren Ländern; von L. Bechstein und von J. R. Vogl sind Oesterreichs Sagen erschienen; Ersterer hat, außer diesen und seinem „teutschen Märchenbuche“ sich durch Herausgabe des „Thüringischen Sagenschatzes“, ferner des von Franken, verdient gemacht; von Tettau und Temme wurden wir mit Preußens Volkssagen, von W. Ziehnert mit denen Sachsens, von Uhland, G. Schwab, J. Scherr etc. mit den schönsten Sagen Schwabens beschenkt, und erst neulich trat K. Müllenhoff mit denen von Schleßwig-Holstein-Lauenburg, und Henninger mit den „Sagen und Geschichten von Nassau“, hervor. Sollte nun Baden, der schönste Garten unter teutschem Himmelsstriche, nicht auch seinen üppigen Sagenflor entfalten? Einen Flor, in dessen Knospen eine Menge der schönsten Märchen und Legenden, die sich im übrigen Teutschland vorfinden, ja die bedeutendsten derselben, wie z. B. die vom treuen Eckart, [IX] vom Tanhuser, vom wilden Heer, von der Melusine, der weißen Frau etc. im anmuthigsten, nur mehr dem südlichen Lokal und Leben angepaßten, Gewande sich wiederholen.

Der Erste, welcher Badische Sagen bei uns sammelte, war der verstorbene Oberst Medicus; eine schriftliche Sammlung derselben aus dem Munde des Volles von seiner Hand soll sich im Besitze S. K. H. des Großherzogs befinden. Herr Archivdirektor Mone veröffentlichte in seinem „Anzeiger für die Kunde der teutschen Vorzeit etc.“ und, in derselben Zeitschrift, Herr Finanzrath Bernh. Baader dahier, eine bedeutende Serie solcher Sagen; Aloys Schreiber gab eine ansehnliche Folge derselben in eigenen, zum Theil sehr gelungenen, novellistischen und metrischen Rahmen, in seinen „Sagen des Rheines, der Voghesen und des Schwarzwalds etc.,“ ferner in seinen „Sagen von Baden-Baden und der Umgegend,“ und in verschiedenen Zeitschriften und Almanachen; der treffliche Alterthumsforscher Dr. Heinrich Schreiber in Freiburg bearbeitete mehrere der schönsten Oberländischen Volkssagen auf musterhafte Weise; dieselben bilden eine Hauptzierde unseres Buches. K. Simrock und K. Seib in ihren „Rheinsagen etc.“ mehrten den Vorrath durch manche neue Beiträge aus dem Munde teutscher Dichter; in neuester Zeit erschienen die „Sagen der Pfalz, der Bergstraße und des Odenwaldes“ von Cand. jur. Bader, und das Werkchen von Eduard Brauer: „Sagen und Geschichten der Stadt Baden und ihrer Umgebung etc. in poetischem Gewande;“ lauter schätzbare Vorsammlungen zu dem einstweiligen Capitalstocke, den ich hier zuerst dem Umfangs des Landes nach ausgestellt, nach allen mit zu Gebote stehenden Mitteln vermehrt, und nun, wiewohl nicht ohne Schüchternheit, der noch ziemlich fühlbaren Lückenhaftigkeit seines Inhalts wohl bewußt, meinen lieben Landsleuten zu übergeben wage.

[X] Während meines jahrelangen, mit Eifer und warmer Liebe betriebenen Sammelns gewährte mir eine Hauptaufmunterung der rege Anklang, den mein Unternehmen bei allen Denjenigen, welchen ich den Plan mittheilte oder Einladungen zu Beiträgen zustellte, gefunden hat. Von den achtungswerthesten Seiten kamen mir reichliche Spenden an Materialien, Notizen und Quellenangaben zu; die Großh. Hofbibliothek und das General-Landesarchiv unterstützten mich aufs Bereitwilligste, und auch für den zweiten Band dieses Werkes, welcher zur nächsten Herbstmesse vollendet wird, sind mir noch mancherlei der schätzbarsten Originalbeiträge zugesichert worden.

Was, die verschiedenen Bearbeitungen anbelangt, welche das Badische Sagenbuch enthält, so mußte ich dabei möglichst darauf sehen, durch bunte Abwechslung in Form und Stylweise, in Versen und Prosa, und durch Vereinigung zahlreicher Schriftstellernamen das Eintönige zu vermeiden, welches gar oft den dauernden Genuß solcher Sammlungen entleidet und sie ermüdend macht, besonders wenn ihr Inhalt aus lauter Versen, worunter häufig ein großer Theil nur bloße Reimerei, besteht. Das „Badische Sagenbuch“ sollte, abgesehen von seinem Werthe in poetischer und historischer Hinsicht als Erste größere Sammlung dieser Art, auch zugleich ein angenehmes Unterhaltungsbuch für Alt und Jung, für den mehr wie für den minder Gebildeten, so zu sagen eine romantische Hauspostille für unser Volk abgeben, die man, bald aus Ausflügen durch unsre reizenden Berg- und Thalgegenden, bald an langen Winterabenden, gerne zur Hand nimmt, um sich nach ernsten Berufsarbeiten oder geistesanstrengender Lektüre gemüthlich darin zu erholen. Bei der Wahl und Aufnahme der theils Büchern und Zeitschriften entlehnten Stoffe, theils eingesandt erhaltenen verschiedenen Originalbeiträge, namentlich bei der [X] Ersten Aufstellung eines Werkes dieser Art, wo es vor Allem darauf ankommt, erst die Hauptgrundlage herbeizuschaffen und möglichst jeden einigermaßen namhaften Ort des Großherzogthums durch irgend eine Sage, Legende, oder romantische Geschichtsscene zu repräsentiren, war es übrigens nicht wohl ausführbar, eine so strenge Auswahl und Sichtung zu treffen, daß nicht auch manches Mittelmäßige und Gehaltarme, aus Mangel an Besseren, mit unterlaufen mußte. Den Vorwurf jedoch, ich habe mich darauf beschränkt, durch bloßen Nachdruck von Sagen aus bereits vorhandenen Specialsammlungen, Zeitschriften etc. ein gewöhnliches Compilationswerk zu liefern, ohne Rücksicht auf äußere Form noch innern Gehalt zu nehmen, wird mir gewiß kein unparteiischer Beurtheiler meiner Leistung machen können. Im Gegentheile darf ich mit ruhiger Zuversicht behaupten, daß ich an jeden einzelnen Beitrag oder entlehnten Stoff, der mir es zu bedürfen schien, aufs Gewissenhafteste Hand angelegt habe, um ihn in angemessener Gestalt und würdiger, glattlesbarer Form auftreten zulassen. Man vergleiche nur z. B. die meisten anderen Werken entlehnten Sagen mit dem Originaltexte, der gar häufig an Unklarheit der Sätze, schleppender Breite und manchen stylistischen Nachlässigkeiten leidet, und man wird sich leicht überzeugen, daß durch die hierin von mir, wenn gleich eigenmächtig, vorgenommenen Aenderungen und Abkürzungen, das Gewand jener Sagen sich ihnen nur um so einfacher und vortheilhafter anschmiegt. Auch die metrischen Verstöße in manchen dichterischen Bearbeitungen suchte ich möglichst zu beseitigen, was mir hoffentlich von Seiten der Herrn Einsender nicht verargt werden wird.

So tritt nun deinen Gang an, Badisches Sagenbuch, durch die blühenden Gauen des lieben Vaterlandes! Sey dem [X] sinnigen Wanderer willkommene Begleitung als freundlicher Wegweiser durch unsre zauberische Märchen- und Legendenwelt, und dem Lesefreund in Stadt und Dorf ein gemüthlicher Abendgesellschafter, der ihn zur heiteren Erholung von häuslichen Sorgen oder politischen Wirrnissen mit dem poetischen Firnewein aus den Bergen und Thälern der eigenen Heimath bewirthet.