Vorbei! (Die Gartenlaube 1899/19)
[610] Vorbei! (Zu dem Bilde S. 589.) Das Ende vom Liede, wie es Tausende schon erlebt haben: Thränen und stummes Zurückerinnern an vergangene, selige Zeit! … In einer stillen Stunde hat die Verlassene alles hervorgeholt, was sie noch an Erinnerungen besitzt: Briefe, vertrocknete Blumen, beschriebene Blätter: sie war entschlossen, heute ein Ende zu machen mit dem fruchtlosen Trauern und Sehnen, sie wollte alles verbrennen, was an den Ungetreuen mahnt. Zwei, drei Briefe liegen bereits zerrissen am Boden, da ergreifen ihre Finger ein kleines Futteral, und ein Bild fällt ihr entgegen … Sie betrachtet es, bis Thränen den Blick verdunkeln, und schiebt es wieder ins Behältnis zurück. Nein – das kann sie nicht verbrennen! … Minuten vergehen und werden zu Viertelstunden, sie sitzt stumm in Gedanken und Erinnerung verloren, wie so oft, so oft schon vorher. Im tiefsten Herzen fühlt sie es: Liebe läßt sich nicht ausreißen! Und doch – ein so junges Menschenkind! Wer weiß, wie lange noch und es wird überwunden haben und neuem Glücke das Herz öffnen.