Vom letzten großen Welt-Jahrmarkt

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Titel: Vom letzten großen Welt-Jahrmarkt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 465
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[465] Vom letzten großen Welt-Jahrmarkt. Neben den wichtigeren Fortschritten der Technik, die sich häufig den Blicken des Laien ganz entziehen, begegnet man auf den Weltausstellungen regelmäßig auch einer Reihe von Curiositäten, welche nur dazu da sind, die Schaulust der großen Menge zu befriedigen, und die wie lustige Intermezzos zwischen den Erzeugnissen der ernsten Arbeit stehen. Unter den Prospecten, deren Sammlungen in Philadelphia unter den Armen selbst zahmerer Prospect-Tiger zu ganzen Ballen anschwollen, befand sich auch ein Gemälde, welches man auf den ersten Blick für ein Genre- oder idyllisches Familienstück hätte halten können. Man sah darauf eine Gesellschaft dargestellt, welche in Frieden ihr Mittagsmahl verzehrt. Eine Art von mechanischem Schutzgott in Gestalt des Fowler’schen Patent-Fliegen-Verscheuchers wacht über ihre Ruhe, und durch die von einem Uhrwerke stundenlang unterhaltene Rotation seiner zu Häupten der Gesellschaft befindlichen Flügel treibt er Legionen lüsterner Fliegen in die Flucht, und erinnert den hämisch davonschleichenden Nigger daran, daß die Sinecure des Fliegenwedelamtes, welches bei orientalischen Familienscenen und Staatsactionen eine so bedeutsame Rolle spielt, seinem schmählichen Untergange entgegengeht. Diese Fowler’sche Wedelmaschine wurde in ihrem Bestreben, den erhabenen Genuß des süßen Nichtsthuns zu befördern und die höhere Faullenzerei des Tropendaseins von allen Hindernissen zu befreien, wesentlich ergänzt und unterstützt von dem bei der Hitze des vorigen Philadelphia-Sommers doppelt begehrenswerten Fächerstuhl des Herrn Seil aus Charlestown. Unter dem Schaukelsitze dieses ingeniösen Luxusmöbels ist nämlich ein doppelter Blasebalg angebracht, der, von den anstrengungslosen Schaukelbewegungen seines glücklichen Besitzers in Thätigkeit erhalten, durch zwei vertical aufsteigende und verschiebbare Holzröhren ansehnliche Quantitäten frischer Lust demselben in’s Gesicht sendet. Diese Luft muß zuvor einen kleineren Behälter durchströmen, in den man mit flüssigen Wohlgerüchen getränkte Schwämmchen einlegen kann, um sich nach Geschmack und Belieben in Veilchen-, Rosen- oder Orangenduft zu wiegen.

Eine ebenso seltsame wie nützliche Erfindung konnte man unter den Ausstellungsgegenständen des Hauses Stow und Burnham bewundern: schlangenartig gewundene oder im Bogen herumgedrehte biegsame Wellen, durch welche die Bewegung einer Riemenscheibe ungeachtet dieser Biegungen von dem einen zum andern Ende ungeschwächt fortgeleitet wurde. Die äußerlich unbeweglich daliegenden, mit einer inneren Metallspirale gesteiften Lederröhren schließen nämlich die biegsame Welle, richtiger gesagt: ein Drehkabel, ein, welches sich in Folge seiner Biegungsfähigkeit in Maschinenwerkstätten und bei Tunnelbauten äußerst nützlich verwenden läßt, weil man durch dasselbe z. B. Maschinenbohrer bequem in jeder Richtung wirken lassen kann, ohne die Maschine und den zu bearbeitenden Gegenstand jedesmal erst zurecht rücken zu müssen. Die biegsamen Wellen sollten denn auch zuerst im Kleinen von amerikanischen Zahnärzten zu Bohrungen in der Mundhöhle benutzt worden sein, ehe man sie in die grobe Technik einführte.

Die größte Ueberraschung harrte aber der Schaulustigen in der Ausstellung des Hauses Westinghouse und Compagnie zu Philadelphia. Sie bestand darin, daß irgend ein Vertreter dieser Firma einen Gummiball von circa fünf Zoll im Durchmesser nahm und ihn, wie es der Sage zufolge mit Mohamed’s Sarg geschehen sein soll, mitten in der freien Luft aufhing, woselbst er sich zu drehen anfing, ohne herabzufallen und vielleicht zum Nachbar noch eine etwas kleinere drehende Holz- oder Glaskugel erhielt. Der genaueren Betrachtung ergab sich natürlich, daß diese schwebenden Kugeln, wie die goldenen Bälle unserer Springbrunnen, von einer Widerstand[WS 1] leistenden Säule getragen wurden, nämlich von einer Säule strömender Luft, die, unter einem Drucke von drei bis sieben Atmosphären und unter einem Winkel von 35 bis 40° schräge aufsteigend, die Bälle ein bis zwei Fuß von der Ausflußöffnung im Gleichgewicht hielt. Im weiteren Verfolge dieser Erscheinung hat sich denn erst ergeben, in welcher Weise in beiden Fällen die tragende Kraft wirkt. Das Wesentliche ist nämlich nicht der tragende Widerstand des Strahls, sondern die Ablenkung und das Haften desselben an der Kugelfläche, wodurch es sich denn auch erklärt, weshalb fettige Kugeln auf einem Springbrunnen nicht tanzen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wisterstand