Vom deutschen Feuerwehrtag in Stuttgart

Textdaten
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Autor: E. Leonhardt
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Titel: Vom deutschen Feuerwehrtag in Stuttgart
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, 38, S. 605–609, 640–641
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[605]
Vom deutschen Feuerwehrtag in Stuttgart.
I.


Nach den großen welterschütternden Ereignissen der Jahre 1866 und 1870 bis 1871, welche für unser deutsches Vaterland die lang ersehnte nationale Einheit brachten, hatte es ganz den Anschein, als ob die auf die gewaltige Anspannung der Volkskräfte naturgemäß folgende Erschlaffung sich gleich einem Mehlthau namentlich auch für lange Zeit auf die Entwickelung derjenigen Vereine legen werde, welche zu idealen Zwecken, zur Erhaltung und Uebung der körperlichen Kraft und Gewandtheit, gegründet waren. Von dieser Erscheinung wurde insbesondere das deutsche Turnvereinswesen betroffen und mit Schmerz mußte der sein Volk lieb habende Mann wahrnehmen, daß die Turnplätze sich immer mehr und mehr entvölkerten, während die Jagd nach materiellem Gewinn immer toller wurde und die damit Hand in Hand gehende Genußsucht sich in der allerbedenklichsten Weise steigerte. Diese ungünstige Einwirkung war deutlich auch auf den großen deutschen Volksfesten zu verspüren und die Meinung Vieler ging sogar so weit, daß sie behaupteten, diese Feste, gleichviel ob sie von den Sängern, Turnern oder Schützen gefeiert würden, hätten sich überlebt und würden niemals zu dem Glanze sich emporheben können, mit dem unter Anderem das Turnfest von 1863 in Leipzig von Statten ging. Es ist wahr, es sprach eine Zeitlang Vieles für eine solche Anschauung, indessen wie in der Natur Sonnenschein und Regen regelmäßig nach einander wiederkehren, so ist es auch in unserem Volksleben schon wieder anders geworden, und alle Anzeichen dafür sind vorhanden, daß auf die Periode der Erschlaffung und des Niederganges wieder eine Zeit der Kräftigung und des Aufschwunges folgen wird. Zu diesen Merkmalen darf man mit Fug und Recht das schöne und imposante Fest rechnen, zu dem in den Tagen vom 11. bis 15. August viele Tausende kräftiger deutscher Männer aus allen Theilen des Reiches und der stammesverwandten angrenzenden Länder nach der Hauptstadt Schwabens, dem von Rebenhügeln rings umgebenen Stuttgart, herbeigekommen waren. Ich meine den zehnten deutschen Feuerwehrtag, der einen über alle Erwartung ausgezeichneten Verlauf genommen hat und dessen Bedeutung für die fernere gedeihliche Entwickelung des deutschen Feuerlöschwesens es wohl gerechtfertigt erscheinen läßt, daß auch die „Gartenlaube“ seiner gedenke.

Zu dem guten Gelingen des Festes hat sehr wesentlich der Umstand beigetragen, daß in Württemberg und in Süddeutschland überhaupt das Institut der freiwilligen Feuerwehr bei der Gesammtbevölkerung in hohem Ansehen steht und in den verschiedenen Volksschichten eine Verbreitung gewonnen hat, wie es bisher in Nord- und Mitteldeutschland bei Weitem nicht der Fall ist. Nur das Herzogthum Braunschweig etwa kann in dieser Beziehung einen Vergleich aushalten. Hand in Hand mit dieser allgemeinen Betheiligung des Publicums geht die einsichtsvolle Fürsorge, welche die württembergische Landesregierung dem Feuerwehrwesen angedeihen läßt. Sie ist schon seit einer langen Reihe von Jahren bemüht gewesen, anregend und fördernd einzugreifen und allmählich über das ganze Land ein dichtes Netz von Feuerwehren zu verbreiten. Die Denkschrift, welche das königlich württembergische Ministerium des Innern in Folge der Ermächtigung des Königs Karl über das Feuerlöschwesen in Württemberg hatte ausarbeiten lassen und von der jedem Vertreter auf dem Stuttgarter Feuerwehrtag ein Exemplar eingehändigt wurde, war von Neuem ein Beweis, daß in Württemberg die Staatsverwaltung es als ihre Aufgabe betrachtet, dem gemeinnützigen Institut der freiwilligen Feuerwehr in jeder Weise entgegenzukommen. Dieser Denkschrift war die aus Anlaß der Brüsseler Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen im vorigen Jahre verfaßte Schrift mit Ergänzung derselben nach dem neuesten Stande zu Grunde gelegt worden. –

Die Gründung von Feuerwehren in Württemberg fällt in das Jahr 1832. Es bildete sich damals als ein schwacher Anfang in der vormaligen Reichsstadt Gmünd eine militärisch organisirte „Rettungsgesellschaft bei Feuersgefahr“, auf dem Principe der Freiwilligkeit beruhend. Die Bildung einer vollständig organisirten Feuerwehr verzog sich noch bis in das folgende Jahrzehnt, in welchem zu Durlach im Großherzogthum Baden im Jahre 1846 die erste freiwillige Feuerwehr sich bildete. Schon im Mai des folgenden Jahres fand dieser Vorgang Nachahmung in der nahe gelegenen württembergischen Stadt Heilbronn, in der Maschinenfabrik zu Eßlingen, in den Städten Tübingen und Oehringen und auch in einigen anderen württembergischen Oberamtsstädten.

Die überraschenden Erfolge der kleinen, aber wohlgeübten und disciplinirten Schaaren gegenüber den Erfahrungen mit den ungeordneten Massen des alten Systems erwarben den Feuerwehren mehr und mehr Freunde. Wo noch Vorurtheil und Abneigung gegen die neue Einrichtung herrschten, da half eine Entscheidung der obersten Recursbehörden nach, wonach den Gemeinderäthen [608] erforderlichen Falles die Befugniß zugesprochen wurde, jeden an sich tüchtigen Einwohner zwangsweise in die Feuerwehr einzureihen. Freiwillige und Berufsfeuerwehren haben seither in Württemberg gewetteifert, dem hohen und schönen Zwecke zu dienen, der beiden gleichmäßig vorgeschrieben ist, und es besteht kein wesentlicher Unterschied mehr zwischen ihnen. Die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren sind sich bewußt, daß sie Bürgerpflicht erfüllen, und die Mitglieder der Berufsfeuerwehren ihrerseits setzen, wo es gilt, ihre Kräfte ebenso freudig ein, als ob sie freiwillige wären.

Im Jahre 1853 wurde ein Anfang mit der Einführung von Feuerwehrversammlungen oder Feuerwehrtagen gemacht. Die erste derartige Versammlung fand am 10. Juli 1853 in Plochingen statt, und es waren dabei zehn württembergische Feuerwehren vertreten. Welchen Anklang diese Versammlungen fanden, das bewies schon der vierte, 1857 in Karlsruhe abgehaltene Feuerwehrtag, an dem hundertundfünfzig Vertreter von Feuerwehren Theil nahmen. Auf dem Feuerwehrtage zu Augsburg im Jahre 1862 wurde die Bildung von Landesfeuerwehrverbänden beschlossen, und schon im Jahre darauf kam auf dem Feuerwehrtage in Stuttgart die Gründung eines Landesverbandes der württembergischen Feuerwehren zu Stande.

Weitaus am erfolgreichsten aber wirkte für die Gründung und Verbreitung von Feuerwehren die Gründung einer Centralcasse zur Unterstützung verunglückter Feuerwehrmänner und deren Hinterbliebenen. Die Unterstützungscasse wurde nach längeren Verhandlungen und mit Genehmigung des Ministeriums des Innern dergestalt gegründet, daß die Gebäude-Brand-Versicherungsanstalt ein Procent ihrer Jahreseinnahmen und die in Württemberg concessionirten Mobiliar-Versicherungsgesellschaften ein halbes Procent derjenigen Brutto-Einnahmen an Versicherungsprämien beisteuern, welche sie im vorhergehenden Jahre erzielt haben. In den Zeitraum von 1868 bis 1876 ist auf diese Weise die Gesamtsumme von 218,931 Mark in die Centralunterstützungscasse für die württembergischen Feuerwehren geflossen. Im dem gedachten Zeitraum beliefen sich die Unterstützungen an beschädigte Feuerwehrmänner und an die Hinterbliebenen der in ihrem Beruf verunglückten Feuerwehrmänner auf 52,116 Mark, die Beiträge an Gemeinden und Feuerwehren, die nach Befriedigung des vorgenannten Bedürfnisses ebenfalls aus der Unterstützungscasse zu anderweiten Feuerlöschzwecken gegeben werden können, auf 154,548 Mark. Nach einer neunjährigen Zusammenstellung kommt jährlich eine Verletzung auf 3600 Mann und ein Todesfall auf 27,500 Mann.

Der gegenwärtige Stand des Feuerlöschwesens im Königreich Württemberg ist in folgenden Zahlen ausgedrückt. Es bestehen in diesem Lande 542 Feuerwehren mit 70,570 Mitgliedern, 2537 Fahrfeuerspritzen, worunter 2 Dampfspritzen, 3476 Trag- und Handfeuerspritzen, 137,415 Meter Schläuche zu den Fahrspritzen, 6920 Feuerleitern, 5366 kleinen Stock- und Dachleitern. Diese Löscheinrichtungen haben zusammen einen Werth von nahezu 5,000,000 Mark.

An diese Schilderung des Entwickelungsganges der Feuerwehren in Württemberg möge eine kurze Darlegung über das Feuerlöschwesen in den anderen deutschen Staaten geknüpft sein. Schwer ist zu sagen, wie es kam, daß sich dasselbe in den letzten Jahrzehnten so riesenhaft, insbesondere in Baiern, entfalten konnte. Auch vor dieser Zeit haben Regierungen, Vereine und tüchtige einzelne Kräfte an der Verbesserung der Zustände mit Einsicht und festem Willen gearbeitet, einen durchschlagendem Erfolg aber nirgends zu verzeichnen gehabt. Die Erklärung, wie das, was man so lange vergeblich angestrebt, in unserer Zeit so plötzlich zum Durchbruch kommen konnte, wäre eine culturgeschichtliche Studie, nur verständlich im Zusammenhange mit dem freudigen Fortschreiten auf allen anderen Gebieten menschlicher Thätigkeit.

Es ist nicht nur die Folge des Aufschwunges der gesammten Technik oder des zunehmenden Wohlstandes, auch nicht die Folge irgend einer neuen Erfindung oder der Anregung einzelner Männer; es ist eben eine jener tausend Blüthen, welche die merkwürdige Zeit, in der wir leben, zur Entfaltung gebracht hat.

Ein altbewährter Feuerwehrmann, Magirus in Ulm, nimmt in seinem trefflichen, soeben in neuer Auflage erschienenen Werke „Das Feuerlöschwesen in allen seinen Theilen“, auf das ich noch mit einigen Worten zurückkommen werde, an, daß ohne Zweifel der Hamburger Brand mitgewirkt habe, welcher vom 5. bis 8. Mai 1842 fünfundsiebenzig Straßen mit viertausendzweihundertneunzehn Wohnhäusern und drei Kirchen zerstörte und hundert Menschenleben kostete. Die Erkenntniß, daß das Bestehende nicht mehr genüge, war zu Anfang der 1840er Jahre durchgedrungen.

Es ist nicht möglich, mit positiver Sicherheit anzugeben, welche Stadt die erste moderne Feuerwehr eingerichtet hat. Unter die ersten gehört jedenfalls Meißen, wo am 7. Juli 1841 ein „freiwilliges Lösch- und Rettungscorps“ errichtet wurde. Das Corps hatte schon 1842 bei vielen großen Bränden, von denen Meißen in diesem Jahre heimgesucht wurde, Gelegenheit, seine Thätigkeit in rühmlichster Weise zu bekunden. Auch Barmen hatte um diese Zeit ein allen neueren Anforderungen entsprechendes Lösch- und Rettungscorps. In Durlach wurde 1846 eine organisirte Feuerwehr gegründet, welche bereits wenige Monate später bei dem großen Theaterbrand in Karlsruhe, wobei achtundsechszig Personen auf schreckliche Art um's Leben kamen, eine tüchtige Probe ihrer Leistungsfähigkeit ablegte. In demselben Jahre wurden im Königreich Sachsen die Turnerfeuerwehr zu Leipzig und die Feuerwehr zu Großenhain in's Leben gerufen. Bis zu der zweiten Hälfte der 1850er Jahre ging es mit der Gründung von Feuerwehren noch langsam vorwärts. Die damals auch jugendlichen Turnvereine haben, getreu ihren Tendenzen, sich willig zur Verfügung gestellt und durch ihre auf dem Turnplatze erworbene Kraft und Gewandtheit die Errichtung tüchtiger Steigerabtheilungen erleichtert. Dies erklärt auch, daß die ersten Feuerwehren beinahe ausschließlich als Uniform die Turnjacke getragen haben.

Gegen den Uniformsrock mit blanken Knöpfen herrschte damals eine allgemeine Abneigung, welche ihren Grund in den politischen Zuständen hatte. Der Bürgerstand war zum großen Theil mit einer ausgesprochenen Antipathie gegen alles Militärwesen erfüllt; „er wollte keinen Soldatenrock tragen“. In diesen Anschauungen hat sich inzwischen ein solcher Umschwung vollzogen, daß mancher jüngere Leser zu obiger Behauptung vielleicht den Kopf schütteln wird. Ganz derselbe Umstand hatte auch die Wirkung, daß man stramme, militärische Haltung nicht in dem Maße durchführen konnte, wie dies jetzt mit Recht gefordert wird und eingeführt worden ist.

Nach den dem Magirus'schen Buche entlehnten statistischen Angaben, die allerdings von der auf dem Stuttgarter Feuerwehrtag vorgetragenen Statistik schon überholt sind, bestanden 1876 in Baden 273, in Baiern 2920, in Sachsen 240 und in den verschiedenen deutsch-österreichischen Kronländern 782 Feuerwehren. Die neueste, vom Ausschuß des Verbandes der deutschen Feuerwehren bewirkte statistische Erhebung hat für das deutsche Reich allein am Schlusse des Jahres 1876 einen Gesammtbestand von 5965 Feuerwehren mit 531,000 Mannschaften und 16,000 Feuerlöschmaschinen nachgewiesen, sodaß man also mit Fug und Recht sagen kann, die deutschen Feuerwehren sind gegenwärtig eine riesengroße Armee, und sie bilden einen mächtigen Factor, mit dem die Leiter und Regierer der Staatswesen zu rechnen haben.

Nachdem auch Norddeutschland mit der Gründung freiwilliger Feuerwehren nicht zurückgeblieben ist, wird die Zeit nicht mehr fern sein, in der man mehr auf das Erhalten des schon Geschaffenen, als auf neue Gründungen wird bedacht sein müssen. Daß es schwerer ist, zu erhalten, als neu zu gründen, ist eine Erfahrung, die zahlreiche Beispiele aufzuweisen hat.

Die weitaus stärkste freiwillige Feuerwehr ist diejenige in Stuttgart. Ich halte es für eine Pflicht der Dankbarkeit, der Organisation dieses Elitecorps, welches soeben seine erstaunliche Leistungsfähigkeit vor den Augen der Vertreter von ganz Deutschland gezeigt hat, in kurzer Weise zu gedenken. Mancher deutsche Feuerwehrmann wird sicher von ihm gelernt, wird aus seinen Vorführungen zweckmäßige Anregungen mit in die Heimath genommen haben.

Die Stuttgarter Feuerwehr bildet ein unter dem Commandanten sehendes selbstständiges Corps, das in zwei räumlich abgetheilte und je eine vollständige, in Bezug auf Geräthschaften und Organisation selbstständige Feuerwehr bildende Abtheilungen (Bataillone) eingetheilt ist. Nur bei dringenden Fällen und auf besonderen Anruf hat das eine Bataillon dem anderen zu Hülfe [609] zu kommen. Die Alarmirung der Bataillone geschieht durch Trommeln des Militärs, durch die Hornsignale der Hornisten und durch Zeichen von Glocken, bei Nacht außerdem durch Aushängen farbiger Laternen von den Thürmen. An der Spitze des ganzen, vollständig nach militärischen Regeln geschulten und ausgerüsteten Corps steht der Commandant, dem in Brandfällen allein die specielle Leitung der Gesammtlöschmannschaften und Anstalten, unter dem Befehl des Stadtdirectors, zusteht. Beigegeben ist dem Commandanten ein Stellvertreter, der ihn in seiner Abwesenheit zu vertreten hat, und ein Adjutant. An der Spitze eines jeden Bataillons steht ein Major. Das erste Bataillon zerfällt in sechs, das zweite Bataillon in fünf Compagnien. Jede Compagnie hat als Führer einen Hauptmann. Jedes Bataillon hat a) eine Steiger-Compagnie, b) eine Spritzen-Compagnie, c) eine Zubringer-Compagnie, d) eine Butten- und Schöpfer-Compagnie, e) eine Rettungs-Compagnie. Die Steiger-Compagnien haben je 4 Züge mit zusammen 90 Mann, die Spritzen-Compagnien je 4 Züge mit zusammen 180 Mann, die Zubringer-Compagnien je 4 Züge mit 142 Mann im ersten Bataillon und 122 Mann im zweiten Bataillon, die Butten- und Schöpfer-Compagnien je 3 Züge mit zusammen 65 Mann, die Rettungs-Compagnie im ersten Bataillon 4 Züge mit zusammen 85 Mann, und die Rettungs-Compagnie im zweiten Bataillon 3 Züge mit zusammen 65 Mann. Außerdem verfügt die Bezirksfeuerwehr in Stöckach und der Prag, zwei Vororten von Stuttgart, welche die sechste Compagnie des ersten Bataillons bildet, über einen Bestand von 120 Mann. Der Führer eines Zuges ist der Lieutenant. In jedem Zuge sind ferner ein bis zwei Obmänner und ein bis zwei Ersatzmänner sowie ein Hornist; jedem Bataillon sind endlich zwei Aerzte zugetheilt.

Der gesammte Mannschaftsbestand der Stuttgarter Feuerwehr beträgt nahe an eintausenddreihundert Mann. Diesem Verhältniß entsprechend ist auch die Ausrüstung an Lösch- und Rettungsgeräthen, welche nach ihrer Vorführung während des Feuerwehrtages eine sehr reichliche und vorzügliche genannt werden muß. Es möge nochmals bemerkt sein, daß die Stuttgarter Feuerwehr schon seit längerer Zeit zwei Dampfspritzen besitzt.

Die Wahl der Officiere, Vertrauensmänner, Obmänner und Ersatzmänner geschieht durch schriftliche Abstimmung auf je vier Jahre durch die Mannschaften, während die Wahlen des Commandanten und seines Stellvertreters unter dem Vorsitz und der Leitung des Stadtdirectors mit Beiziehung des Oberbürgermeisters durch die sämmtlichen Officiere bewirkt werden. Die beiden letzteren Wahlen unterliegen der Genehmigung des Stadtgemeinderaths und der Bestätigung der Staatsregierung. Die Verwaltung allgemeiner Angelegenheiten besorgt der Verwaltungsrath. Beide Bataillone beziehen abwechselnd alltäglich eine Stadtwache und eine Wache im Theater bis nach Beendigung der Vorstellung.

Die Stuttgarter Feuerwehr besitzt eine Corpscasse. Aus derselben werden die Anschaffungen und die Unterhaltung der Geräthschaften und Mannschaftsausrüstungen, die Verwaltungskosten und überhaupt sämmtliche laufende Ausgaben des Corps bestritten. Die Einnahmen dieser Cassen bestehen aus den Beiträgen der Staatscasse im Betrage von zweihundertundsechszig Mark, der Stuttgarter Mobiliar-Feuer-Versicherungscasse im Betrage von fünfundachtzig Mark und regelmäßigen Beiträgen der Stuttgarter Einwohner im Betrage von etwa zweitausendfünfhundert Mark. Den Rest der Ausgaben deckt auf Grund eines alljährlich vorzulegenden Etats die Stadtcasse, im durchschnittlichen Betrag von etwa fünf- bis sechstausend Mark, so daß die jährlichen Gesammtkosten für die Unterhaltung des Corps sich auf acht- bis neuntausend Mark belaufen. Sodann besteht eine Unterstützungs- und Sterbecasse, deren Mitglied jedes Corpsmitglied sein muß, und neben derselben noch eine Privatkrankencasse, in welche der Eintritt freiwillig ist.

Damit glaube ich im großen Ganzen ein zutreffendes Bild von der Organisation der Stuttgarter Feuerwehr gegeben zu haben, einer Genossenschaft, die unter den freiwilligen Feuerwehren Deutschlands entschieden den ersten Rang einnimmt und welche in jeder Beziehung als ein mustergültiges Beispiel vorgeführt werden darf. Dem patriotischen und aufopfernden Bürgersinn, welcher in ihr die treibende und belebende Kraft bildet, verdankt es die Stadt Stuttgart, daß sie einen äußerst geringfügigen Betrag für Feuerlöschzwecke aufzuwenden hat, während andere große Städte hierfür ganz bedeutende Geldopfer zu bringen haben.

Ueber den Verlauf des Feuerwehrtages selbst wird ein zweiter Artikel die nöthigen Mittheilungen enthalten.

[640] [1]

II.


Obgleich Stuttgart erst vor zwei Jahren an den deutschen Schützen herzliche Gastfreundschaft geübt, war von den Bewohnern dieser Stadt doch auch jetzt Alles geschehen, was dem Feste der deutschen Feuerwehrmänner zum fröhlichen Gelingen und zur Verschönerung gereichen konnte.

Die Festgeber hatte ihre Straßen und Häuser in einer Weise geschmückt, welche in den Herzen der einziehenden Gäste gleich beim ersten Anblick die rechte Feststimmung entzündete. Ueberall wurde der Festgast mit kräftigem Händedruck willkommen geheißen.

Sonnabend, der erste Festtag, war für den Empfang bestimmt. Im Laufe des Tages rückten die einzelnen, entfernter wohnenden deutschen Landsmannschaften ein, im Bahnhof von dem Festcomité und einer zahllosen Menschenmenge mit stürmischen Hochrufen und rauschenden Musikklängen empfangen. Bei der geselligen Vereinigung und Begrüßung, die am Abend in dem glänzend erleuchteten Stadtgarten stattfand, haftete das Auge mit Verwunderung auf der wandelnden Musterkarte von Feuerwehr-Uniformen.

Die deutschen Feuerwehren bekunden einen sehr lobenswerthen Drang nach Einigung und Uebereinstimmung ihrer wesentlichen Einrichtungen, aber in ihrer Bekleidung bieten sie noch ein recht merkwürdiges Bild von Zerrissenheit und drastischer Buntscheckigkeit dar. Ich muß gestehen, mancher Feuerwehrmann ließ in seinem äeußeren Aufputz eher alles Andere als seinen ernsten Beruf erkennen. Die blanken Stahlhelme mit den weißen, rothen und schwarzen Federbüschen, die zierlich gestickten Rockkragen, die Vereinigung von vier, fünf und sechs Farben an dem Uniformsrock, die Schleppsäbel und Stoßdegen, alles das sind nach meinem Dafürhalten für einen Feuerwehrmann recht überflüssige Dinge, und der leitende Ausschuß des deutschen Feuerwehrverbandes könnte sich ein Verdienst erwerben, wenn er auch nach dieser Richtung hin Wandel schaffte.

Am Sonntag schien die Feststadt über Nacht ein großes Heerlager geworden zu sein; so zahlreich waren von allen Seiten die Fremden zugeströmt. Rauschende Musikklänge verkündeten das Herannahen des Festzuges. Voraus marschirte, um den nöthigen Platz zu machen, die berittene Stadtgarde mit der Fahne der Stadt. Darauf folgten die Festgäste aus Oesterreich-Ungarn und der Schweiz. Die Feuerwehrleute aus dem deutsche Reiche schritten, nach dem Alphabet geordnet, einher, sodaß die Anhaltiner den mächtig langen Zug eröffneten und die Württemberger ihn schlossen. Zu allerletzt kam die in ihrer vollen Stärke vertretene Stuttgarter Feuerwehr, welche ihre Requisiten mit sich führte. Fast fünf Viertelstunden hatte das Defiliren des Zuges gedauert. Die Zahl seiner Theilnehmer wurde auf zwölftausend veranschlagt.

Das Ende des Zuges bildete der Aufmarsch in Schlangenwindungen auf dem alterthümlichen Marktplatz. Den fremden Feuerwehrleuten sollte nunmehr ein lehrreiches Bild von der Leistungsfähigkeit und dem Organismus der Stuttgarter Feuerwehr dargeboten werden. Die Uebung, welche sie vorführte, war in großem Stile entworfen. Es wurde angenommen, daß das Hauptgebäude des altehrwürdigen Rathhauses in Brand geraten sei und durch das erste Bataillon, in dessen Bezirk es liegt, gelöscht werden solle. Da jedoch die Weiterverbreitung des Feuers auf das Nebengebäude drohte, so erfolgte die Alarmirung des zweiten Bataillons, welches auch bald zur Unterstützung eintraf. Es war ein nicht nur für den Fachmann ungemein fesselndes Schauspiel, die dreizehnhundert Mann der Stuttgarter freiwilligen Feuerwehr in voller Thätigkeit zu sehen, gerade als ob es gelte, die Stadt vor einer großen Gefahr zu bewahren. Man konnte an dem ganzen Exercitium klar und deutlich ersehen, daß hier tüchtige und strenge Anleitung, Lust und Liebe zur Sache und stramme Disciplin sich vereinigt hatten, um derartige organisatorische Resultate hervorbringen zu können. Der Angriff auf den fingirten Herd des Feuers wurde mit einer Schnelligkeit und Sicherheit unternommen, daß im Ernstfalle der günstige Erfolg sich wohl hätte verbürgen lassen. Nach wenigen Minuten hatte das gesammte Steigerpersonal die in Betracht kommenden Gebäude bis zu den Firsten erklommen; aus allen Fenstern und sonstigen Oeffnungen wurden bewegliche Gegenstände vor der Zerstörung gerettet, und mehr als ein Dutzend Wasserstrahle deuteten den Widerstand an, welchen eine wirkliche Feuersbrunst gefunden haben würde. Namentlich die beiden Dampfspritzen warfen bis zu einer ganz bedeutenden Höhe solche Wassermengen aus, daß jeder Zweifel an ihrer Nützlichkeit für größere Städte als beseitigt betrachtet werden mußte. Die stürmischen Hochrufe, welche nach beendeter Uebung aus den Reihen der auswärtigen Feuerwehrmänner und des zuschauenden Publicums erschollen, hatte die Stuttgarter Feuerwehr durchaus verdient.

Am Sonntag Nachmittag traten die Delegirten der Feuerwehren im Königsbau zu dem eigentlichen Feuerwehrtag zusammen. Nachdem der Oberbürgermeister von Stuttgart, Dr. von Hack, die Versammlung im Namen der Stadt, und Oberbaurath Professor von Tritschler dieselbe im Namen der Stuttgarter Feuerwehr auf das Herzlichste begrüßt hatten, drückten ein schweizerischer und ein ungarischer Feuerwehrmann, die Herren Langsdorff aus Winterthur und Rösch aus Oedenburg, ihren deutschen Cameraden in feuriger Rede ihre Sympathien aus. Aus den Verhandlungen selbst, die von dem Vorsitzenden des Ausschusses, Oberinspector Jung aus München, mit lobenswerther Energie geleitet wurden, will ich Folgendes hervorheben.

Leider stellen sich viele Feuerversicherungs-Gesellschaften den Feuerwehren nicht so freundlich gegenüber, wie es von rechtswegen sein sollte. Im Gegentheil, es sind nicht wenige Fälle bekannt, in denen sehr gut rentirende Gesellschaften jede materielle Unterstützung der Feuerwehren verweigern. Vor Kurzem erst hat eine deutsche Feuerversicherungs-Gesellschaft ihrem Bevollmächtigten eine Jahrestantieme von über fünfzigtausend Mark und ihren vier Directoren, die das Directorialamt nur als angenehmes Nebengeschäft betreiben, zusammen eine gleich hohe Summe, den Actionären aber eine fabelhaft hohe Dividende bewilligen können, ich habe jedoch niemals gehört, daß diese Gesellschaft von sich aus daran gedacht hat, irgend einer Feuerwehr die geringste Zuwendung zu machen. Um nun für die Zukunft das Interesse der Feuerwehren nach dieser Richtung hin etwas zur Geltung zu bringen, hat deren Ausschuß das deutsche Reichskanzleramt in einer Petition ersucht, bei Erlaß eines Reichsversicherungsgesetzes die Unterstützung der Feuerwehren durch die Versicherungs-Gesellschaften mit in’s Auge zu fassen. [640] Wichtige Fragen sind die Einführung des Unterrichts im Feuerlöschwesen an öffentlichen höheren Lehranstalten und die Beförderung der Feuerwehren auf den Eisenbahnen bei ausbrechenden Feuersbrünsten, sowie die Benutzung des Telegraphen in solchen Fällen. Der Ausschuß des Feuerwehrtages wird alles darauf bezügliche Material sammeln und dann bei allen deutschen Regierungen den Erlaß der betreffenden gesetzlichen Bestimmungen anregen. Nicht minder soll an die Landesregierungen eine Vorstellung ergehen, daß sie für den Bau größerer öffentlicher Gebäude, wie Theater, Circus, Museen, geeignete Normativbestimmungen in Bezug auf Feuersgefahr und zweckmäßige Einrichtungen zu deren Unterdrückung vorschreiben. In Betreff der sehr wichtigen Frage, die Unterstützung im Dienste verunglückter Feuerwehrmänner und deren Hinterlassenen betreffend, hat der Ausschuß des Feuerwehrtages das vorhandene Material zusammengestellt, um dasselbe demnächst in einer Druckschrift zur allgemeinen Kenntniß zu bringen. Verschwiegen soll schon jetzt nicht sein, daß in dieser Frage der deutsche Norden, insbesondere das große Preußen, vom Süden mit zweckmäßigen Einrichtungen weit überholt worden ist.

Es wurden dann noch ein Bericht über die Entwickelung des deutschen Feuerlöschwesens in den letzten Jahren und Einzelberichte der verschiedenen Kreisvertreter über die Feuerwehrorganisation in ihren Kreisen vorgetragen. Aus Allem ergab sich, daß auf dem Gebiete des Feuerlöschwesens in den letzten Jahren fast überall im deutschen Reiche und ebenso in den meisten Ländern der österreichisch-ungarischen Kronen ein reger Schaffensgeist thätig gewesen ist.

Was auf den Feuerwehrtag folgte, ein Banket in der Liederhalle und die Ausflüge in die herrliche Umgegend von Stuttgart, ist aus den Zeitungen genügend bekannt.

Ich hätte nun noch der Ausstellung mit einigen Worten zu gedenken, die mit dem Feuerwehrtag verbunden war und ausschließlich Dinge enthielt, welche in das Gebiet des Feuerlöschwesens gehören. Die Ausstellung war zunächst räumlich sehr vortheilhaft untergebracht, da man zu diesem Zweck die städtische Markthalle, eine Art Glaspalast, benutzt hatte. Alle bedeutenderen Fabrikanten von Feuerwehr-Requisiten hatten die Ausstellung mit ihren Erzeugnissen beschickt, es würde aber den Raum viel zu weit in Anspruch nehmen, wenn ich mich hier mit Herzählung der massenhaft vertretenen Gegenstände befassen wollte. Vor Allem fielen die verschiedenen Arten von Feuerspritzen in’s Auge, welche in ihrer Herstellung auch dem Nichtfachmann das gewaltige Fortschreiten der modernen Technik bekundeten. Unter den Feuerspritzen aber ragten die zwei Dampfspritzen wieder ganz besonders hervor, von denen die eine amerikanischen Ursprunges war, während die andere in der sehr aufstrebenden Fabrik des Herrn Jauck in Leipzig gefertigt worden ist. In Stuttgart kam es nicht zur officiellen Prüfung dieser beiden Löschmaschinen, wohl aber hatte in Leipzig einige Zeit vorher ein Wettspritzen zwischen ihnen stattgefunden, wobei sich als Resultat ergab, daß das Product der deutschen Industrie der amerikanischen Concurrentin in Bezug auf die Leistungsfähigkeit, von Unwesentlichem abgesehen, in nichts nachstand, dabei aber den Vorzug viel größerer Billigkeit für sich hatte. Viel Aufmerksamkeit fand auch das zierliche Modell, welches ein Bild im Kleinen von der sehr tüchtig organisirten Krupp’schen Fabrikfeuerwehr in Essen gab. Ein nicht minder interessanter und lehrreicher Ausstellungsgegenstand, dem die weiteste Verbreitung zu wünschen ist, war das Prachtwerk von Magirus in Ulm „Das Feuerlöschwesen in allen seinen Theilen, nach seiner geschichtlichen Entwickelung von den frühesten Zeiten bis zur Gegenwart“, welches vermöge seines aus voller Kenntniß aller einschlagenden Verhältnisse geflossenen instructiven Inhalts und der massenhaften, in den Text gedruckten veranschaulichenden[WS 1] Holzschnitte zu dem Besten zu zählen ist, was jemals die Feuerwehrliteratur hervorgebracht hat. Die Ausstellung in ihrer Totalität gereichte unserer deutschen Industrie durchaus zur Ehre.

Die Tage von Stuttgart haben das Feuerlöschwesen unseres Reiches in kräftiger Entwickelung gefunden. Hoffentlich ist so mancher gute Gedanke, so manche nützliche Anregung mit hinausgegangen, sodaß, wenn im Jahre 1880 die deutschen Feuerwehrmänner sich wieder zusammenfinden, ein weiterer Fortschritt constatirt werden kann.
E. Leonhardt.
  1. Wegen mangelnden Raums im Hauptblatte bringen wir die nachfolgende auf das Nothwendigste reducirte Schlußabtheilung der Schilderungen vom „Deutschen Feuerwehrtag in Stuttgart“ an dieser Stelle zum Abdruck.
    Die Redaction.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: veranschaulichendeu