Vom christlichen Hausgottesdienste

Textdaten
Autor: Wilhelm Löhe
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Titel: Vom christlichen Hausgottesdienste.
Untertitel: Nach der Auflage von 1850 neu gedruckt.
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Herausgeber: Abtheilung II. der G. f. i. M. i. S. d. l. K.
Auflage:
Entstehungsdatum: 1850
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Carl Junge’sche Officin
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Erscheinungsort: Ansbach
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Quelle: Commons, MDZ München = Google
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Abth. II. der G. f. i. M. i. S. d. l. K.
II, 3.

Vom christlichen
Hausgottesdienste.


   Laßet das Wort Christi unter euch reichlich wohnen in aller Weisheit; lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen, lieblichen Liedern, und singet dem HErrn in euerm Herzen. Col. 3, 16.


Nach der Auflage von 1850 neu gedruckt.



Ansbach,
Druck der Carl Junge’schen Officin.
1864


| |  Vom Hausgottesdienste möchte ich mit meinem lieben Leser ein paar Wörtlein reden[1]. Vor Zeiten war der eine allbekannte und allgeübte Sache, jetzt ist er ein unbekanntes und gar seltenes Ding geworden. Es sollt aber wahrlich nicht so sein. Vor Zeiten konnte mans fast in jedem Hause sehen, wie der Hausvater am Morgen, ehe man an die Arbeit gieng, am Abend, wenn man die Betglocke läutete, außerdem vor und nach dem Eßen sein Hausgemeinlein, d. i. Weib und Kind und Knecht und Magd, und wer sonst im Hause sein mochte, zum Gebet versammelte. Am Sonntage konnte man nicht blos in jeder Kirche, sondern auch in jedem Hause eine Predigt hören: der Hausvater war es wiederum, der sie den Seinigen aus guten alten Predigtbüchern oder Postillen (wie man sie hieß) vorlas. Aber jetzt ist das leider ganz anders geworden. An vielen Orten, ja man darf wohl sagen: fast überall ist die schöne, gute Sitte der Alten gänzlich abgekommen. Ohne Gebet geht man an die Arbeit, ohne Danksagung empfängt man sein täglich Brot, ohne Anrufung des göttlichen Schutzes legt man sich nieder. Manche Familien würden sich vor den Leuten schämen, wenn man sie bei gemeinschaftlichem Gebet oder Gesang beträfe. Mit der Liebe zum Wort Gottes überhaupt hat sich seit ziemlich hundert Jahren auch die Lust und Liebe zum Hausgottesdienst verloren. Indeß fieng doch auch vor 30–36 Jahren die Sonne des göttlichen Worts wieder an, über uns aufzugehen, und so ist mit der Liebe| zu dem Wort hin und wieder auch mehr Lust gekommen, dem HErrn in den Familien zu dienen. Gebe Gott, daß diese Lust und Freude immer mehr zunehme! Gebe Gott, daß der wüste, zucht- und gottlose Geist der letzten Jahrzehente nicht vollends jede Spur von Gottesfurcht und Gottesdienst aus Häusern und Familien verdränge und sie gar verwüste! Sondern daß vielmehr der Ernst dieser Zeit und die gewaltigen Predigten des Richters aller Welt jeden, der noch einen Funken Gottesfurcht in seinem Herzen hat, dazu treiben, daß er dem HErrn die Ehre gebe mit seinem ganzen Hause, damit der Allmächtige uns gnädig sei und uns wieder ehre. Möge Er darum diese Blätter, die dem Hausgottesdienst zu Ehren geschrieben sind, an den Lesern segnen, daß man immer in den Familien wiederum höre die Stimme gemeinsamen Dankens und Anrufens, Gott zum Preis und den betenden Seelen zum Heile!
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 Daß fürs erste der Hausgottesdienst Gott wohlgefällig sei, leidet gar keinen Zweifel. Alle Lande, ja alle Orte des Erdbodens sollen ja der Ehre Gottes voll werden, also auch die Behausungen der einzelnen Familien aller Lande. Wir sollen „ohne Unterlaß“ beten, wie geschrieben steht; wie thöricht wäre es nun, zu behaupten, von dieser Regel und Vorschrift des göttlichen Wortes seien die Zeiten und Stunden ausgenommen, die man im Hause zubringt! Das Haus ist der Ort, aus dem die Gemeinde der Heiligen entspringt, wie der Strom aus der Quelle. Nun zweifelt kein Christenmensch, daß die Gemeinde der Heiligen in Gebetsgemeinschaft stehen solle. Wie ungereimt wär’ es also, dem Strome den Segen des Gebets zuzuschreiben, und ihn der Quelle absprechen zu wollen, – eine Gemeinde der Heiligen überall, nur nicht in den Häusern sehen zu wollen! Der HErr will keinen, der zu Ihm kommt, hinausstoßen, und die Kranken, die dem HErrn nicht mehr im öffentlichen Gottesdienste| begegnen können, die Kindlein, die es noch nicht vermögen, die sollten mit ihrem Kommen und Beten daheim dem gnädigen Hirten der Seelen unwillkommen sein? Timotheus wuchs unter den Händen seiner Großmutter Lois und seiner Mutter Eunike in aller Stille des Hauses zu einem heiligen Bischof heran, 2. Tim. 1, 3–5. Wir selbst haben wohl zuerst unter dem Obdach des Hauses den Namen des HErrn kennen gelernt, die erste Kunde von Seiner Gnade empfangen, unsere ersten Gebete gelallt und die Seligkeit der Andacht empfunden. Nur an den Früchten erkennt man den Baum; darum loben wir um dieser Früchte willen den guten Baum des Hausgottesdienstes und laßen uns sein Lob nicht nehmen. Und darum, noch ehe wir die heilige Schrift befragt haben, behaupten wir aus den angegebenen Gründen, deren wir noch ein gut Theil mehr anführen könnten, die Gottwohlgefälligkeit des Hausgottesdienstes.
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 Befragen wir aber nun auch die heilige Schrift. Da finden wir zuerst eine Anzahl trefflicher Beispiele, aus welchen wir Gottes Wohlgefallen am Hausgottesdienste erkennen. Wenn Hiob (1, 5.) nach jedem Freudentage seine Kinder zu einem Sühnopfer zusammenruft, so gibt er uns ein Beispiel des Hausgottesdienstes. Ebenso Noah, Abraham etc., so oft von ihnen erzählt wird, daß sie Altäre aufgebaut und den Namen des HErrn angerufen haben. (Vgl. 1. Mos. 8, 20. 12, 8.) Damals wohnte das Reich Gottes noch in einer einzigen Familie, in der der Patriarchen; da war aller wahre Gottesdienst Familien- oder Hausgottesdienst. Aber auch später, da in Aegypten aus der Familie ein Volk geworden war, hatte der HErr Wohlgefallen am Familiengottesdienste, sonst hätte er sich nicht über vierhundert Jahre lang, während Israel unter Pharao’s Stecken seufzte, in den Häusern anbeten laßen; noch viel weniger hätte Er zum Andenken an die Ausführung aus Aegypten einen Gottesdienst| gestiftet, der gewiß eben so wohl Familien- als Volksgottesdienst war, nämlich das Passahopfer und Passahmahl. (Vgl. 2. Mos. 12, 3. ff.) Alle Familien in Israel waren Ein Haus Israel, Ein Haus Gottes. Der Tempel auf Morija war des Einen Gottes Einiges Haus, das Vaterhaus aller Geschlechte Israel. Weit entfernt, daß der Tempel auf Morija den Hausgottesdienst aufgehoben hätte, war vielmehr er selbst dem Hausgottesdienst im höchsten Sinne bestimmt und geweiht. Von ihm aus gieng Licht und Kraft in alle Familien und ihre häuslichen Anbetungen über. – Aber wir dürfen dem Hausgottesdienste noch eine herrlichere Ehre geben. Was ist der HErr, unser Heiland, in der Mitte seiner Jünger? Er ist Priester, König und Prophet, aber ist Er nicht auch Hausvater unter ihnen? Wie ein Hausvater versammelt er die Seinen zum Passahmahle: Er segnet das Brot, Er bricht es, Er reicht das Brot, den Kelch herum, nach seiner hausväterlichen Würde, welche den Jüngern so bekannt wurde, daß Ihn die beiden zu Emmaus am Brotbrechen erkennen. Das Passahmahl hielt Er mit den Seinigen in der Nacht, da Er verrathen ward, und daran knüpfte Er Seine Osterlammsmahlzeit so eng, daß die Einsetzung und erste Feier des heiligen Nachtmahls wie ein über alles erhabener Hausgottesdienst erscheint. Und nun erinnert uns jedes Mahl, das wir mit den Unsern halten, an jenes heilige Mahl, jedes Tischgebet an die Gebete Seiner Gnadentafel, jede Speise, jeder Trank an das Himmelsbrot, an den Himmelstrank im Abendmahle. Von dort an wurde den ersten Christen zu Jerusalem jede gemeinschaftliche Mahlzeit zum Liebes- und Brudermahle, und wenn sie hin und her in den Häusern das Brot brachen, so war ihnen das immer eine Vorfeier und ein Uebergang zum Sacrament. (Vgl. Apgsch. 2, 46. 47.) Siehe da, wie die heilige Kirche auch die Häuser umfaßt! wie offenbar das Haus in der Kirche| steht! Die Gemeinschaft der Heiligen ist nichts anderes als eine Versammlung betender Familien. Die ganze heilige Gemeinde besteht nur aus Hausvätern, welche wie Josua (Jos. 24, 15.) entschloßen und beständig sprechen: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen,“ – und aus Familiengliedern, die Amen, Amen dazu sprechen.

 Sollen wir noch mehr zum Beweis und zur Besiegelung der Gottwohlgefälligkeit des Hausgottesdienstes hinzufügen? Es wird nach dem bisherigen fast überflüßig sein. Aber auf zwei Stücke wollen wir doch mit ein paar Worten aufmerksam machen. Das eine ist die Verheißung des HErrn: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Matth. 18, 20.) Adelt die Verheißung nicht jede in JEsu Namen bestehende Gebetsgemeinschaft, also auch den Hausgottesdienst, zum seligsten Gottesdienste? – Das andere sind die Befehle des HErrn. Da lies 5 Mos. 6, 6–9. 11, 18–21. und vergleiche damit 1 Mos. 18, 19. 2 Mos. 12, 26. ff. 13, 14. Den Männern in Israel wird da geboten, das Gesetz des HErrn zu Herzen zu nehmen, es ihren Kindern zu schärfen und davon zu reden, wenn sie in ihrem Hause säßen, wenn sie sich niederlegten oder aufständen, es auch über ihrer Häuser Pfosten und an die Thore zu schreiben. So sollte also das Gesetz in allen Häusern wohnen. Wie viel mehr wird es des HErrn Wille sein, daß Sein heiliges, alleinseligmachendes Evangelium unter uns reichlich wohne sammt Psalmen und Lobgesängen und geistlichen, lieblichen Liedern, (Eph. 5, 19. Col. 3, 16.) Denn was Gottes Wort von der Hochachtung des Gesetzes sagt, das gilt doch gewiß um so viel mehr vom Evangelium, als das Evangelium eine größere Gnadenwohlthat ist für das verlorene Menschengeschlecht, denn das Gesetz.

|  Die Gottwohlgefälligkeit des Hausgottesdienstes ist die beste Empfehlung desselben; er ist aber wohl auch zu empfehlen um seines Segens willen. Doch ehe wir davon weiter reden, wollen wir einige Einwürfe, die man dagegen machen könnte, nicht außer Acht laßen. Man könnte nämlich sagen: Der Hausgottesdienst ist allerdings Gott wohlgefällig und hat Segen, wenn er ist, wie er sein soll; aber so, wie er gewöhnlich ist, kann er weder Gott gefallen, noch Segen bringen. Denn man betet wohl noch hie und da in den Häusern regelmäßig, man ist es von alten Zeiten her gewohnt; hie und da ist auch der Hausgottesdienst wieder neu begonnen worden; aber er ist doch meistens nicht eine Frucht des Glaubens, nicht eine heilige Lust der Seele, sondern nur ein gesetzlicher Zwang, den man sich selbst nicht ohne innerliches Widerstreben auflegt, ein geistliches Joch, an dem man alle Morgen von neuem zieht. Sieh nun, wie sie es gleich nachher treiben. Ist am Sonntag die Predigt gelesen, so gehen die Männer zum Bier, auf die Kegelbahn, zum Kartenspiel; die Weiber gehen „in’s Dorf“ oder sonst auf Besuch. Da wird denn Gottes und seines Wortes schnell wieder vergeßen, da wird gelästert, verleumdet, es werden die Jugendsünden gegenseitig wieder hervorgezogen, und zwar nicht in Reue und bußfertiger Erinnerung, sondern mit Freuden und unter großem Gelächter. Nach dem Abendgebete gehen die jungen Leute ihrer Lust nach, singen mit demselben Munde, der vorher Gott lobte, schändliche Lieder, schwärmen auf den Gaßen, in Kammern und Unzucht, in Völlerei und Dieberei. Und kurz –, wer kann den schreienden Widerspruch, der zwischen dem Hausgottesdienst und dem Leben derselben Menschen stattfindet, stark und arg genug darstellen, – einen Widerspruch, der Gott aufs höchste beleidigt und allen Segen aufhebt! – Das alles leugnen wir nicht; es ist leider nur zu wahr und beklagenswerth genug; aber dennoch sagen wir: der Hausgottesdienst hat noch immer Segen genug, um aller| Empfehlung werth zu sein. Es kommt freilich bei allen Gnadenmitteln gar viel auf die Empfänglichkeit des Menschen an, auf den sie wirken sollen; widerstrebt er ihrer Einwirkung, so geht er nicht blos ohne Segen aus, sondern lädt auch noch Fluch auf sich. So ists auch mit dem Hausgottesdienste. Darum kann man freilich auch von ihm nicht behaupten, daß er gewiß an jedem Einzelnen Segen schaffen werde, aber eben so wenig, daß er überhaupt oder an diesem und jenem vergeblich sei. Darum müßen wir bescheidentlich urtheilen. Wir können schwerlich von irgend einem Menschen mit völliger Sicherheit wißen, wie viel Raum er dem Evangelium in seinem Herzen laße. Oft widerstrebt einer dem Geiste Gottes im äußern Leben grade dann am meisten, wenn inwendig die Kraft des Widerstandes bereits gebrochen ist; oft sind äußerlich erkennbare Verschuldungen die letzten gewaltsamen Kämpfe des bereits sterbenden alten Menschen; – oft ist der größte Spötter gerade ein solcher, der den Stachel der Wahrheit bereits tief im Herzen sitzen hat und sich sein nicht mehr erwehren kann. Nur der HErr kann das Herz ergründen. Ehe Er einen Menschen aufgegeben hat, dürfen auch wir ihn nicht aufgeben, ihm also auch die Gnadenmittel nicht vorenthalten, weil es ja (nach unserer Meinung) an ihm doch nichts hälfe. Soll denen, die Christum noch nicht haben, auch der Weg zu Ihm, die Erinnerung an Ihn, der Zuchtmeister auf Ihn genommen werden, damit sie gar nichts haben? Würde das dem langmüthigen, barmherzigen Gott gefallen? Das wird niemand behaupten wollen. Ist der Hausgottesdienst noch keine Frucht des Glaubens, so kann er ein Mittel, ein Same des Glaubens werden. Wohl ist das Beten, das man von innen heraus, aus der Tiefe der Seele vor Gott ergießt, allein das rechte; dennoch haben auch schon viele unter der Hand des gnädigen, verschonenden Gottes von außen nach innen beten gelernt, und die zuvor andacht-| und glaubenslosen Worten des Gebets sind oft schon unter Umständen und zur Stunde, die Gott gab, eine Erweckung zu andachtsvollem Beten geworden. Gottes Gnade ist mancherlei und hat mancherlei Mittel und Wege, sie ist mit nichten in Grenzen gebannt und an Methoden gebunden, wie sie die Menschen sich erdenken mögen. Darum wird es in keinem Fall recht und gut sein, einem Menschen seinen häuslichen Gottesdienst zu verachten und demselben allen Segen abzusprechen. Lippendienst soll man freilich nicht loben, aber man soll auch nicht alles gleich Lippendienst schelten, was einer zu sein scheint. Dem eigenen Gewißen mag man dadurch genug thun, daß man Leute, die auf falschem Wege zu wandeln scheinen, darauf aufmerksam mache und zum Beßern vermahne; aber man soll sich doch ja hüten, andern zum Anlaß zu werden, daß sie ihren Hausgottesdienst, weil er nicht rechter Art scheint, etwa gar abthun; dient ein solcher Hausgottesdienst auch Gott noch nicht, so kann er doch denen dienen, die ihn üben.
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 Am empfänglichsten werden für den Segen des Hausgottesdienstes die Kinder sein, zumal wenn sie an denen, die ihnen die liebsten sind, an Vater und Mutter, einen gleichen Sinn erkennen. Gleich wie sie der Taufe keinen Widerstand entgegensetzten, so werden sie den Eindrücken des Hausgottesdienstes wenigstens keinen starken Widerstand entgegensetzen. Das Böse in ihnen hat noch nicht die Stärke und Ausdauer gewonnen, wie es bei den Erwachsenen durch lange Uebung geschah. Dazu bringt man gewöhnlich nicht genug in Anschlag, was für eine große Macht eine heilige Gewöhnung über den Menschen hat. Man verwirft leider nur zu oft Gewöhnung und Gewohnheit in geistlichen Dingen so ganz und gar, als ob nicht auch in ihnen ein lebendiger Keim des Guten aufbewahrt werden könnte für die Stunde, da er treiben wird. Aber wie viele Menschen haben nicht schon all ihre ausdauernde Neigung zum Guten besonders einer heiligen Gewöhnung von Jugend auf verdankt!| Nun, eine solche heilige Gewöhnung ist auch der Hausgottesdienst. Wie mancher heilige Name, wie manches theure, inhaltsreiche Wort der heiligen Schrift, wie manche göttliche Warnung oder Vermahnung prägt sich da dem kindlichen Herzen so unaustilgbar ein, daß keine Macht späterer Jahre etwas dagegen vermag, daß vielmehr solche Erinnerungen auch noch fürs Alter wie sprudelnde Quellen himmlischer Kraft sich erweisen. Dazu sieht das Kind im Hausgottesdienste den Vater in einer höhern, in der priesterlichen Würde, lernt Ehrfurcht vor dem, den es liebt, und nimmt die Vermahnungen des Vaters desto tiefer in die Seele.
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 Aber auch Erwachsene, je kindlicher sie durch den Geist der Kindschaft, je ärmer am Geiste sie durch ihre vielfache Seelenarbeit und Mühe auf Erden geworden sind, desto fröhlicher werden sie auch zum Hausgottesdienste, desto empfänglicher für seine Segnungen sein. Die Alten, die Kranken, die Siechen, welche nicht mehr mit den Haufen zu den schönen Gottesdiensten des HErrn wallen können, werden im Hausgottesdienste einen Ersatz für ihre geistlichen Entbehrungen finden können. Die, welche unter Leuten andern Glaubens leben müßen, finden im Hausgottesdienste Trost, Stärkung, Vollbereitung, Kräftigung, Gründung in der Wahrheit. In Tyrol haben sich viele Gläubige durch eine lange Reihe von Jahren ohne Schaden ihrer Seelen nur durch ihre verborgenen Hausgottesdienste erhalten. Und wie viele Zürnende und Grollende werden im Hausgottesdienste wieder besänftigt, wie manche böse Lust wird durch seine stille Gewalt vertrieben, wie manche Sorge erleichtert, wie viele Lust und Kraft zum Guten in müde Herzen gebracht; wie mancher balsamischen Tröstung werden Trauernde durch die stille Vereinigung mit Gott und vor Gott theilhaftig! Es läßt sich nicht aussagen noch ausrechnen, was für Segen der Hausgottesdienst der Christenheit schon gebracht hat, während| kein Mensch ihm (so lange er nicht widerchristlich ist in seinem Wesen) etwas böses nachsagen kann. Von ihm heißt es wahrlich: „Wer da hat, dem wird gegeben, auf daß er die Fülle habe.“ Da wird man reich an himmlischem Gute, und er ist wie ein Zion, auf welchem der HErr Segen und Leben und Gnaden wahrer, brüderlicher Einigkeit (nach Ps. 133) gibt. – Dazu nimm, wie viel Lehre und Erkenntnis und Weisheit den Albernen und Unwißenden durch den Hausgottesdienst zufließen kann; wie unruhig durch ihn, als durch einen drohenden Finger Gottes, auch die sichern, trägen und lauen Seelen gemacht werden können, wie viele Gewißensrührungen er den Gewissenlosen bringt; welch ein starkes Zeugnis wider alles gemeine, niederträchtige Zusammenleben er in dem Gewißen der armen Teilnehmer ablegt! Die mit einander beten, können wenigstens nicht, ohne daß ihr Gewißen sie straft, gleich darauf wieder lästern. Die im Hausgottesdienst einander segnen, können doch nicht, ohne daß sich die Gedanken untereinander anklagen, bald darauf wieder einander schelten und über einander fluchen. Die sich einander Frieden wünschen, können in Neid und Hader keine ungestörte Lust finden; sondern es wird eine geheime, innere Angst ihnen die Verwerflichkeit ihres inwendigen Lebens offenbaren. – Wer nur noch Theil nimmt am häuslichen Gottesdienst, ist noch nicht ohne Gott, weil er noch nicht ohne Gottes Wort ist, eben darum aber auch noch nicht ohne Hoffnung, vielmehr noch zugänglich für die Seelsorge und für die Buße, welche der Anfang eines neuen Lebens ist. Und welch ein Segen des Hausgottesdienstes ist schon diese zur Seelsorge und Buße vorbereitende Kraft!
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 Bei all dem, was wir nun bisher von der Gottwohlgefälligkeit und dem Segen des Hausgottesdienstes gesagt haben, versteht sich aber von selbst, daß auch sein Inhalt und seine Einrichtung rechter Art sein müße. Wer anstatt Gottes Wort und treuer Auslegungen desselben| z. B. Dinter’s Schullehrerbibel oder die gleißnerischen Stunden der Andacht, anstatt heiliger Morgen- und Abendopfer das lose Geschwätz gereimter Naturbetrachtungen in Witschel’s Manier, anstatt geistlicher, lieblicher Lieder geistlose Gesänge, wie sie sich in neuern Gesangbüchern so häufig finden, bei seinen häuslichen Gottesverehrungen gebrauchen wollte, der dürfte freilich das nicht auf sich anwenden, was von der Gottwohlgefälligkeit und dem Segen des Hausgottesdienstes gesagt ist. Der Inhalt muß entweder Gottes Wort oder demselben gemäß sein; das ist unerläßlich und selbstverständlich. Von der Einrichtung aber wollen wir dem Leser noch einiges weiter zur Beherzigung vorlegen.
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 1. Fragen wir zuerst: Wer soll am Hausgottesdienste theilnehmen? Sonst, wo noch nicht alles voll glaubloser und widerchristlich gesinnter Christen war wie leider jezt, da konnte man ganz einfach antworten: Alle Hausgenoßen sollen theilnehmen, Jung und Alt, Mann und Weib, Sohn und Tochter, Knecht und Magd, auch der Fremdling, der unter deinem Dache ist. In unsern Zeiten aber, wo es nicht nur so viele gemischte Ehen gibt, wo Mann und Weib, Bruder und Schwester nicht denselben Glauben bekennen, nicht in demselben Geiste beten können, sondern wo auch, wie gesagt, das ungläubige und unchristliche Wesen die Oberhand also gewonnen hat, daß nur wenige Familien in allen ihren Gliedern sich frei erhalten konnten von dieser Pest, – da muß man die Theilnahme am Hausgottesdienste dem freien Willen eines jeden anheimstellen. Der Zwang taugt hier gar nichts; durch Zwang, sei es nun ein eigentlicher oder uneigentlicher, ein offener oder versteckter, werden die Herzen nur erbittert, und je entschiedener sie schon in ihrer religiösen Richtung geworden sind, desto leichter verhärtet und am Ende gar dem Heiligen entfremdet. Seinen erwachsenen Dienstboten und sonstigen Hausgenoßen, seinen heranwachsenden,| bereits über die erste Jugend hinausgeschrittenen Kindern, vor allen aber denjenigen unter den Seinigen, die etwa nicht seines Glaubens sind, erkläre ein Hausvater feierlich und nachdrücklich, daß er bei aller Liebe zu seinem Glauben und zum häuslichen Gottesdienste dennoch einem jeden es frei stelle, ganz nach seiner Ueberzeugung zu handeln, und ob er demgemäß daran theilnehmen wolle oder nicht; daß seinetwegen, aus Furcht oder Wohldienerei, doch ja niemand theilnehmen solle; daß ihm jeder Zwang in Sachen der Religion, auch der, den man sich selbst anthue, ein Greuel sei. – Wer keine Lust an einem wohleingerichteten Hausgottesdienst hat, der ist zu bedauern; aber schelten soll man ihn nicht. Schon oft sind Kinder frommer Eltern Heuchler, und späterhin freche, zügellose Menschen geworden, weil man sie auf eine unverständige Weise zu frommen Uebungen angehalten hat, an denen sie keinen Geschmack fanden. Wenn irgendwo Freiheit sein soll, so soll sie in Sachen des Glaubens und der Andacht sein. Und wenn irgend wohin Maß und Weisheit und der Grundsatz gehört, „vor allen Dingen nichts zu verderben“, so gehören sie – bei allem brünstigen Gebet und Durst nach dem Seelenheil der Unsrigen – in die geistliche Erziehung der Kinder und Dienstboten und in die Vermahnung zum HErrn. Schleicht sich hier Leidenschaftlichkeit oder unreiner Eifer für den HErrn ein, so wird das von den jungen Leuten, die einmal von Gottes Wort nichts wißen wollen, nur zu gut bemerkt und zur Entschuldigung ihrer eigenen Bosheit angewendet. – Man fordere daher zwar von allen Hausgenoßen, daß keiner den Hausgottesdienst störe; man fordere Schonung alles dessen, was dem einen oder andern heilig ist; aber man gebe jedem Freiheit, sich des Hausgottesdienstes nach eigenem Belieben zu bedienen oder nicht.
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 Was insonderheit die Dienstboten anlangt, so haben manche den Rath gegeben, man solle sich Theilnahme am| Hausgottesdienste gleich mit ausbedingen. Allein was würde damit gewonnen sein? So wie sie jetzt sind, würde bei den meisten nur Heuchelei ausbedungen und nichts mehr bezweckt, als daß sie dem guten Einfluß, den der Hausgottesdienst bei ganz freiwilliger Theilnahme auf sie haben könnte, nun ihr Herz vorsäzlich verschließen. Kann einer freilich christliche Dienstboten haben, so bedarf es keines Ausdingens; die werden den für ihre Seelen heilsamen Gebrauch vom Hausgottesdienste selber machen.

 2. Die nächste Frage wäre: Wann und wie oft soll man Hausgottesdienst halten?

 Der Morgen, der Abend, dazu der Mittag sind von Alters her Gebetszeiten gewesen, und mit Recht; denn sie fordern, so zu sagen, von selbst jeden zu Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung auf. Der Morgen kommt auf die Nacht, da Gott an unserer Stelle wachte; er geht dem Tagwerk voraus, das wir ohne Gott nicht vollenden können. Der Abend sieht auf einen Tag, auf viele an demselben empfangenen Wohlthaten und auf viele Sünden zurück, und vorwärts auf eine geheimnisvolle Nacht, in welcher Gott allein uns Licht und Leben sein kann. Der Mittag gewährt einen Ruhepunkt zwischen der Arbeit, Erquickung und Speise dem, der des Tages halbe Last getragen hat. Fordern so diese drei Zeiten nicht mit aller Macht zum Gebet auf? Im Herzen dem Zuge zum Gebet folgen, ist wohl allezeit möglich, also auch an den benannten Zeiten; aber es wird, wenn nur guter Wille vorhanden ist, mit seltenen Ausnahmen auch möglich sein, gemeinschaftlich mit den Seinen den HErrn Morgens, Mittags und Abends anzubeten. Hundertmal gegen einmal wird es nur Unlust zum Gebet sein, wenn man es nicht möglich erachtet, den Hausgottesdienst zu veranstalten; – und gewiß irdischer Sclavensinn ist es, wenn man unbedenklich ganze Tage und Nächte auf den zeitlichen Beruf oder auf eitles Vergnügen verwenden kann, während man es für| das Zeichen eines Tagediebs ansieht, von den 24 Stunden drei Viertelstunden der gemeinschaftlichen Anbetung dessen zu widmen, der Tag und Nacht mit allen Seinen Kreaturen an unserm Heil und Segen arbeitet. Höchstens am Abend kann bei manchen Berufsarten Leib und Seele zu ermüdet sein, als daß ihnen eine längere Andacht zugemuthet werden könnte. Aber auch dann wird ein kurzes Gebetslied oder ein Psalm sammt dem Gebete des HErrn andachtwillige Beter nur desto sanfter betten und den Schlummer heiligen, des sie begehren. – Auch von außen kommende Störungen werden sich zu den genannten Zeiten am leichtesten vermeiden lassen. Wenn man nur den Muth hat für nichts und für niemand sonst Zeit zu haben, und fest und treu darauf bleibt, so werden die Störenfriede bald ausbleiben oder – unseres Sinnes werden.
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 3. Nach diesen beiden Fragen kommen wir zu der Hauptfrage, wie man nämlich die einzelnen Theile des Hausgottesdienstes ordnen und zweckmäßig zu einem Ganzen vereinen solle? Die einzelnen Theile zu bestimmen, ist leicht. Sie sind, wenn man die sacramentlichen und andern den Dienern der Kirche vorbehaltenen Handlungen ausnimmt, für den Hausgottesdienst dieselben wie bei jedem öffentlichen: Gebet und Gottes Wort. Zum Gebete rechnen wir aber auch den Gesang, und daß der bei jedem Gottesdienste dem HErrn gefällig sei, darf man aus dem Beispiele des alten Testamentes, dessen Gesangbuch wir im Psalter haben, aus dem Beispiele der himmlischen Gemeinde (Offenb. 5, 9–14. 15, 3. 4.) und aus den apostolischen Vermahnungen Eph. 5, 19. Col. 3, 16. getrost behaupten. Zum Gotteswort aber gehört Unterweisung in und aus demselben. Und da unterliegt es eben so wenig einem Zweifel, daß der hausväterliche Unterricht der Kinder und des Gesindes, das Einprägen heiliger Sprüche oder Lieder oder des Katechismus festen Grund in den oben angeführten Stellen (5. Mos. 6,| 6–9. 11, 18–21.) habe und dem HErrn gefalle. Wie aber diese einzelnen Theile an einander zu reihen seien, wie oft ein jeder im Hausgottesdienste vorkommen, wie viel Zeit auf jeden gewendet werden solle, darüber besteht kein göttliches Gebot, und es ist dies der freien Weisheit eines jeden Hausvaters anheimzustellen. Darum soll auch dieser Freiheit durch das, was wir jetzt noch sagen wollen, durchaus kein Eintrag geschehen; es liegt an ihr für das inwendige Leben des Christen, für den Glanz des Einen, was noth thut zum ewigen Leben, gar viel und ist jedenfalls viel wichtiger, nöthiger und heilsamer, daß jeder seinen Hausgottesdienst nach seinem Sinn, Gefühl und Bedürfnis einrichte, als daß er gerade die schönste und schulgerechteste Form (wenn man so sagen darf) dabei treffe. Darum soll hier nur als Rath, an dem jeder seine eigene Meinung prüfen, durch den der eine oder der andere etwa auf Beßeres geleitet werden konnte, eine Ordnung des Hausgottesdienstes folgen.
1) Gesang.
2) Das Aufsagen eines Hauptstückes des Katechismus, einiger Sprüche oder Liederverse.
3) Vorlesung eines Abschnittes aus dem Worte Gottes; am Sonntag auch wohl Evangelium oder Epistel.
4) Dazwischen hinein oder am Schluße erläuternde Bemerkungen zum Gelesenen, an Sonntagen nach Evangelium oder Epistel die Postille (d. i. Lesen der Predigt.) Im Monat October könnte auch einiges aus der Reformationsgeschichte, sonst auch wohl das Wichtigste vom Fortgange der Missionen mitgetheilt, d. i. vorgelesen werden.
5) Auf solch Vorlesen eine Lobpreisung Gottes, etwa der letzte Vers aus dem Liede: „Ach Gott vom Himmel sieh darein etc.“, entweder gesungen oder gesprochen.|
6) Der kurze Morgen- oder Abendsegen, am Sonntage wohl auch eine Danksagung für das Wort Gottes, für die heilige Kirche etc. hier wären auch die Fürbitten einzufügen.
7) Vater unser.
8) Gemeinsames Gebet um Segen (z. B.: „Der HErr segne uns und behüte uns“ etc.) oder ein gegenseitiger Friedenswunsch.

 Zwischen 3 und 4, oder nach 4 anstatt 5 könnte auch wohl der Glaube als Antwort auf Gottes Wort gebetet oder kurz gesungen werden. Wiewohl –, die Lobpreisungen des dreieinigen Gottes, wie z. B. der letzte Vers von: „Ach Gott vom Himmel sieh darein“ etc., oder von: „Nun danket alle Gott“ etc., enthalten auch schon ein Bekenntnis des Glaubens!

 Diese Ordnung nun sieht länger aus, als sichs beim Gebrauch finden wird. Je nachdem man mehr oder weniger lange Lieder und Bibelabschnitte etc. anwendet, wird man den Hausgottesdienst beliebig verlängern oder verkürzen können. Die Ordnung ist ohnehin nur für Morgen und Abend angerathen. Am Abend könnte bei großer Ermüdung etwa blos 6–8 (Abendsegen, Vaterunser, Friedens- oder Segenswunsch) genommen werden. Was den Hausgottesdienst von Mittag anlangt, so ist er hauptsächlich Tischgebet. Für ihn möchte Luthers schöne Ordnung, welche auch die Ordnung der Kirche vor ihm ist, wohl unübertrefflich sein. Sie ist folgende:

A. Für das Gebet vor Tisch:
a) ein Wort Gottes:

„Aller Augen warten auf Dich, HErr, und Du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit.
Du thust Deine milde Hand auf und sättigest alles, was lebt, mit Wohlgefallen.“

b) Vater unser.|
c) HErr Gott, himmlischer Vater, segne uns und diese Deine Gaben, die wir von Deiner milden Güte zu uns nehmen, durch Jesum Christum, unsern HErrn! Amen.
B. Für das Gebet nach Tisch:
a) ein Wort Gottes:

„Danket dem HErrn, denn Er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich; der allem Fleisch Speise gibt, der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die Ihn anrufen. Er hat nicht Lust an der Stärke des Rosses, noch Gefallen an jemandes Beinen. Der HErr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten und auf Seine Güte warten.“

b) Vater unser.
c) Wir danken Dir, HErr Gott, himmlischer Vater, durch Jesum Christum, unsern HErrn, für alle Deine Wohlthat, der du lebest und regierest in Ewigkeit! Amen.

 Wenn die Speise auf den Tisch kommt, ist sie gemeine Speise; aber durch Gottes Wort und Gebet, welche beide in Luthers Gebeten vor und nach Tisch so schön vereinigt sind, wird sie geheiligt, den Leibern der Kinder Gottes zur Erhaltung zu dienen. – Luthers Gebet kann auch zum Abendeßen gebraucht werden, und unmittelbar ans Dankgebet könnte dann entweder die oben angegebene Ordnung oder wenigstens Nr. 6–8 angeschloßen werden.

 Für Feste, sowohl der Kirche als des Hauses, ist keine andere Ordnung des Hausgottesdienstes nöthig. Wenn man die Gesänge, die Bibelabschnitte und Gebete darnach auswählt, und nur die Stimmung der Hausgenoßen auch festlich ist, dann sind die Festtage von den gewöhnlichen Tagen und Sonntagen genugsam unterschieden.

|  4. Für die einzelnen Theile des Hausgottesdienstes werden folgende Bemerkungen nicht überflüßig sein:

 a) Der Gesang. Wenn das eingeführte Gesangbuch für den öffentlichen Gottesdienst wirklich gut und brauchbar ist, wie z. B. das bayerische, so ist es auch gut und anwendbar für den Hausgottesdienst. So verschieden sind öffentlicher und häuslicher Gottesdienst nicht von einander, daß man für jeden besonderer Lieder bedürfte. Haus und Kirche haben vielmehr gemeinsame Bedürfnisse: das Haus oder die Familie ist ja nur ein Theil von der Kirche, die Kirche nur eine himmlische Vereinigung aller Häuser. Was Gott so innig verbunden, ja vereinigt hat, darf kein Mensch scheiden. Im Gegentheil, und namentlich in unsern Tagen, muß man alles vermeiden, was einem das Bewußtsein und Gefühl von der Einigkeit des Hauses mit der Kirche trüben könnte. – Wo aber das eingeführte Kirchengesangbuch im Widerspruch steht mit Lehre und Sinn der h. Kirche, wo also das Gesangbuch unkirchlich ist, wo es schwer wird, das wenige Reine und Schöne herauszusuchen, da fordert es gerade die Einigkeit des Hauses mit der wahren Kirche, daß ein Hausvater ein reines und wahrhaft kirchliches Gesangbuch bei seinem Hausgottesdienst brauche. Der Gesang ist ein Mittel, das Gedächtnis zu wecken; man singt sich Lieder viel leichter ein, als man sie sonst einlernt. Viele können Lieder nicht aufsagen, aber sie können sie mitsingen; so sehr wird ihr Gedächtnis durch die Melodie erweckt. Um so gewißenhafter muß man es mit den Liedern nehmen, damit nicht Falsches und Irrthümliches, das der Mensch ohnehin schon an und für sich leichter behält, noch überdies durch den Gesang eingeprägt werde. In Stuttgart bei S. G. Liesching ist unter dem Titel: „Geistliche Lieder,“ ein Gesangbüchlein erschienen, welches alte, reine und herrliche Lieder genug zu dem wohlfeilsten Preise darbietet. Dies kann zum Hausgottesdienste mit vollem Recht empfohlen werden.

|  In manchen Häusern möchte es freilich unter den gegenwärtigen Umständen schwer sein, einen gemeinschaftlichen Gesang einzuführen. Bei allem Singunterricht in den Schulen gibt es doch nur selten Kinder, die Choralmelodieen richtig singen können. Wir sind trotz dem, daß man die neuern Schulen so sehr lobt, im Singen rückwärts gekommen. Indes, wo es sich nur immer machen läßt, sollte ein Hausvater seine Kinder im Gesang unterrichten laßen. Lieber dürfte in einem andern Stück des Unterrichts etwas mangeln, nur nicht im Gesang. Durch die Jugend muß der Gesang wieder in die Häuser kommen. Können dann auch fürs erste Väter und Mütter nicht mitsingen, so wird doch der Gesang der Kinder seine heilsame Gewalt über Elternherzen ausüben, dieselben zum Anhören des göttlichen Worts und zum Gebete bereiten, Sorge und Unmuth, Laune und Trübsinn verscheuchen; – und es fehlt dann doch immer weniger auf dem Hausaltar das wohlriechende Lob- und Dankopfer des geistlichen Gesangs. Mancher Vater läßt seine Söhne und Töchter singen, was sie nimmermehr vor ihm sagen dürften, Unsittliches und Schlechtes genug: sollten sie denn nicht auch oder lieber das lernen können, was Himmel und Erde erfreut, was eine heiligende Kraft auf Sänger und Hörer ausübt?
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 b) Der Katechismus. Gute Abdrücke des kleinen Katechismus Luthers sind heutzutage selten. Bei vielen neuen Ausgaben fehlt die Vorrede, welche doch fromme Eltern so vortrefflich belehrt, in welcher Weise sie ihren Kindern den Katechismus am besten beibringen können. In andern Ausgaben fehlt die Haustafel, die Anweisung zum Morgen-, Abend- und Tischgebet und die Fragstücke, welche doch gerade einem Hausvater zur Unterweisung der Seinen höchst willkommen sein müßen. Zu Stuttgart bei S. G. Liesching ist um ein paar Kreuzer eine richtige und vollständige Ausgabe zu haben. Der Titel ist wie| von Alters her: „Enchiridion. Der kleine Katechismus Dr. Martin Luthers für die Gemeine, Pfarrherren und Prediger.“ – Wer ihn aber zugleich im lieblichsten Gewand haben will, der findet das Enchiridion bei S. G. Liesching in Stuttgart nach Wunsch unter dem besonderen Nebentitel: „Ein güldenes Kleinod Dr. Martin Luthers für Unmündige und Weise“ (1846), mit einem einleitenden Vorworte versehen, in welchem der Werth und die Geschichte dieses Kleinods auseinandergesetzt ist. Außerdem ist die wohlfeile Ausgabe mit worterklärenden Randbemerkungen zu haben, in denen treuen Eltern eine erwünschte Anleitung gegeben ist, wie sie ihren Kleinen den Katechismus aufs einfältigste verständlich machen können. Doch wir wollen jetzt blos vom Aufsagen des Katechismus sprechen. – Kinder können durch das Aufsagen des Katechismus etc. frühzeitig zur thätigen Teilnahme am Hausgottesdienst angeleitet werden. Es kann ihnen das Aufsagen zu einer wahren Festfreude gemacht, Eitelkeit und Hochmuth leicht ferne gehalten werden. Das während des Hausgottesdienstes Aufgesagte prägt sich überdies tief in die Seele ein. Während die Kinder aufsagen, wiederholen auch die Erwachsenen das früher Gelernte, was denselben, namentlich den Knechten und Mägden, gewiß sehr heilsam ist. Oft ist es auch Männern und Frauen eine kindliche und segensvolle Freude, mit den Kindern zusammen den Katechismus laut zu „beten.“ Denn Luthers Katechismus läßt sich durchweg betend sprechen; er ist nicht allein ein erbauliches Bekenntnis der Lehre, sondern auch ein ehrfurchtsvolles Nahen zu Gott, dem Allgegenwärtigen. Es kann niemand z. B. die Auslegungen des apostolischen Glaubensbekenntnisses oder des h. Vaterunsers mit williger Aufmerksamkeit sprechen, ohne im Herzen eine Nahrung des geistlichen Lebens zu empfangen, ohne eine reinigende und erhebende Kraft inne zu werden. Versuche es also nur ein Hausvater, zuweilen| mit den Seinigen den Katechismus zu beten. Die Fragen lese er allein. Die Antworten spreche er mit allen. Es wird an herzlicher Freude nicht fehlen. Mit einem gütigen, selbst gerne lernenden Manne lernt sein ganzes Haus gerne. Wir haben aber geflißentlich gesagt: zuweilen soll ein Hausvater das versuchen. Denn eine alltägliche laute Katechismusübung stumpft den Sinn und die Empfänglichkeit für den köstlichen Inhalt ab; dagegen wenn man jezuweilen damit aussetzt und fängt dann nach einiger Zeit solche Uebung von neuem an, wird die Freude daran immer jung und kräftig erhalten.
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 c) Für die Lectionen oder Leseabschnitte aus der h. Schrift ist zum Theil schon gesorgt. An Sonntagen hat man Evangelien und Episteln, deren ein aufmerksamer Lehrer und Hörer so bald nicht überdrüßig wird. Für die dritten Feiertage und für die abgekommenen Festtage des HErrn (denn z. B. Epiphanias am 6. Januar, Mariä Lichtmeß, Mariä Heimsuchung, Mariä Verkündigung sind lauter Festtage des HErrn selber), für die Gedächtnistage der heiligen Apostel finden sich in unsern Bibeln noch die Evangelien und Episteln verzeichnet, und zwar ganz auserlesene. Andere Lectionen finden sich für die Adventszeit, für die Passionszeit etc. sehr leicht. Für die Zeit, wo man nun dergleichen nicht hat oder für die man nicht gerade Passendes findet, kann man ja auch ein ganzes biblisches Buch, Kapitel um Kapitel, durchlesen, wiewohl eine passende Reihe von Lectionen, die man mehrere Jahre hindurch immer wieder liest, etwas sehr liebliches hat und für den Zweck des Hausgottesdienstes gewiß sehr förderlich ist. Denn an öfter wiederkehrenden und also immer bekannter werdenden Stücken der h. Schrift lernt man mehr fürs Herz als an immer neuen Stücken, bei denen es schon Anstrengung der Geisteskräfte genug braucht, um sie nur recht aufzufaßen, eben weil sie neu| und schnell vorübergehend sind. Man muß nur bedenken, wie die meisten Menschen sind.
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 d) Lange Auslegungen oder erbauliche Anwendungen taugen für den Hausgottesdienst nicht; denn der Hausgottesdienst soll und muß kurz sein. Es ist genug, wenn bei dunkeln oder oft misbrauchten Stellen ein erklärendes oder berichtigendes Wörtlein hinzugefügt wird. Von einem wohlverstandenen Spruche macht sich die Anwendung leicht. Soll man aber eine Bibelausgabe empfehlen, wo dergleichen Bemerkungen zu finden sind, so ist es noch immer sicherer und gerathener, nach alten als nach neuern zu greifen. Denn in der neuern Zeit hat der Grundsatz „der freien Forschung“ die Ausleger oft auf allerlei verkehrtes und thörichtes Zeug, auf allerlei unbegründete und willkürliche Meinungen verfallen laßen, durch die das Herz nicht fest wird, was doch ein köstlich Ding ist. Aus der ältern Zeit aber hat man ein paar Bibelwerke, die man für den Hausgottesdienst wohl empfehlen kann, nemlich die bekannte Pfaff’sche, noch mehr aber die Hirschberger Bibel;[2] denn die ist kürzer in den Erklärungen, hält| sich auch genauer an die Auslegung der Kirche, die doch einmal die wenigst willkürliche und die treueste zu sein pflegt, dazu schlagende Wahrheit und das Zeugnis des ältesten Alterthums für sich hat. – Wiewohl man sich nicht damit einlassen darf, alle Auslegungen beim Hausgottesdienst zu lesen. Man liest sie vorher und wendet das Gelesene mit weiser Sparsamkeit an.
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 e) Auch die Gebete, welche gemeinschaftlich gebetet werden sollen, müßen kurz sein. Die Andacht ist bei den meisten Menschen inniger, wenn man kurz und öfter, als wenn man lang betet; dies gilt von jeder Andacht, von der gemeinschaftlichen nur in desto höherem Grade. Es gibt allerdings Menschen, die einen langen geistlichen Athem haben, denen deswegen auch lange Gebete zugemuthet werden können, ohne daß sie dazwischen ausruhen und sich neu zu sammeln brauchten. Aber solche Leute sind selten, zumal wenn man die Heuchler abrechnet und die, welche darum lang beten, weil sie sich erst in die Andacht hinein und von der Welt weg beten müßen. Es ist nicht zu vermuthen, daß eine Familie aus vielen oder lauter solchen Ausnahmen der Menschheit bestehen werde. Gäbe es aber auch solche Familien, in welchen zwei Glieder von langem, eins von kurzem Gebete wären, so würde es die Liebe fordern, was die Länge des Gebets betrifft, sich dem schwachen Bruder anzuschließen, damit er nicht zum Heuchler werde oder in unnöthige Angst über seine Schwachheit| in diesem Stücke gerathe. Luthers Morgen- und Abendsegen hat die rechte Länge für gemeinsame Andacht. Treffliche Gebete auf alle Fälle, von derselben Länge oder nicht viel länger, findet man in ältern Gebetbüchern und in Anhängen älterer Gesangbücher. Eine Auswahl aus denselben sammt Festgebeten und Fürbitten findet der Leser in dem wohlfeilen, bei Beck in Nördlingen 1863 in sechszehnter Auflage erschienenen Gebetbüchlein, das den Titel führt: „Samenkörner des Gebets.

 Sind bei einem Hausgottesdienste Christen beisammen, welche über sich wachen, so hat ein gemeinschaftliches Sprechen des Gebets manche Vortheile. Man achtet beim lauten Sprechen mehr auf das, was man spricht, und weniger auf die übrigen Theilnehmer am Gebet und ihre Geberden; man wird eben damit mehr vor Zerstreuung bewahrt und kann die Gedanken leichter zusammenhalten und auf Einen Punkt hinrichten. Alles, was das Vorbeten eines Einzelnen für ihn und die andern nachtheiliges hat, auch alles Störende eines Buchgebets fällt weg, wenn alle zusammensprechen. Ist nur ausgemacht, daß keiner den andern überschreie, daß alle bescheidentlich Maß in der Stimme halten, so wird sich auch zeigen, daß ein gemeinschaftliches Sprechen nicht durch Uebellaut die Andacht stört und hindert. Freilich müßten dabei entweder alle die vorkommenden Gebete auswendig können, oder man müßte eine kleine Sammlung von Gebeten gebrauchen (wie z. B. die „Samenkörner“), die sich jedes leicht anschaffen könnte.

 Mancher möchte es vielleicht vorziehen, daß der Hausvater frei bete. Allein das edle freie Gebet wird doch am besten im Kämmerlein und ohne Zeugen geübt. Wenn Gott alleine bei uns ist, hat unser Gespräch mit ihm, so frei es gehe, gewaltigere Kraft; und wenn wir thöricht beten, ist damit kein schwacher Mensch geärgert. Es ist mit solchen freien Gebeten, die man vor andern spricht, in der| Regel – (denn einzelne seltene Ausnahmen gestehen wir gerne zu) – nicht anders als mit vorgelesenen Gebeten, nur daß dabei noch mehr Gefahr ist, daß Herz und Sinne der Mitbetenden sich auf eine menschliche Persönlichkeit richten, und daß der Vorbetende wegen sorglicher Bedachtnahme auf seine Worte, eben um der andern willen, oft am wenigsten eigentliche Andacht hat. So hindert auch oft nicht allein die Ungeschicklichkeit des Beters und die Schwerfälligkeit des Mitbeters (so wie sie gewöhnlich sind), sondern auch viele Unreinigkeit beider, dem Gedankengange eines freien Gebetes zu folgen. Der Vorbetende hat ferner seine Lieblingsgedanken, seine Lieblingsworte, seine Launen, sein Temperament, seinen Hochmuth, welche sämmtlich sich im Beten nicht verläugnen können. Betet er mit all dem allein, so hat er zum Zuhören einen barmherzigen und langmüthigen Gott. Betet er vor andern, so werden diese, je nach ihrer Neigung zum Betenden und nach ihrer Eigentümlichkeit, entweder an seiner Schwachheit und Sünde theilnehmen und ihr eigenes Gebet verunreinigen, oder sie werden, – der Vorbeter mag nun so lebhaft und eindringlich beten, als er will – nur desto mehr zur „Kritik“, d. i. zum Urtheilen, zum Mustern und Meistern seiner Worte verleitet werden, was alles Mitbeten tödtet. Alles das fällt bei bereits bekannten, gemeinschaftlich gesprochenen Gebeten weg. Bereits bekannt müßen freilich gemeinsame Gebete sein, wenn sie mit Andacht gebetet werden sollen. Das können sie aber leicht sein und werden, wenn sie kurz sind, wenn im Anfange ihres Gebrauchs der Hausvater immer zuvor, ehe er eines betet, es seinen Leuten zum Durchsehen und Durchdenken empfiehlt, wenn er zuerst zwischen wenigen, und nur allmählich zwischen mehreren wechselt. Auf diese Weise werden die Hausgenoßen die Gebete nicht allein kennen lernen, sie werden sie durch das öftere Beten völlig auswendig lernen und je länger je mehr das geschriebene Blatt oder das gedruckte Büchlein| entbehren können. Auch mindert das Beten auswendig gelernter Gebete dem durchaus die Andacht nicht, der Andacht hat; wer sie aber nicht hat, kann dadurch aufgeweckt und andächtig werden. Oefterer Wechsel zwischen bekannten Gebeten macht sie überdies immer neu. – Zu Fürbitten eignet sich vortrefflich die Litanei, weil in unvorhergesehenen Fällen jede Noth mit ganz einfachen Worten leicht in die Reihe der kurzen Gebete eingeschaltet werden kann, und die Hausgemeinde dann eben so leicht und einfach ihr: „Erbarme Dich unser, o JEsu!“ oder „Erhöre uns, lieber HErre Gott!“ beifügen kann. Diese Weise des wechselseitigen Gebets ist uralt und überaus erhebend für die, so Sinn und Liebe für Gemeinschaft haben. Nur eins ist nöthig: daß man die Litanei kennt, ehe man sie braucht. Wer sie nicht kennt, kann sich leicht mit ihr bekannt machen; denn sie findet sich in den meisten Gebet- und Gesangbüchern, wie z. B. in den mehrgenannten „Samenkörnern“ [3]. Auch die Danksagung für besondere Wohlthaten ließe sich kurz und leicht in der Form der Litanei geben. Der Hausvater dürfte nur vor den Bitten den Gegenstand seines Dankes nennen und die Hausgemeinde kurz antworten, z. B. etwa folgendermaßen:
Hausvater: Für die Errettung unseres Bruders N. aus den Händen seiner Feinde –
Hausgemeinde: Danken wir Dir, lieber HErr Gott!
 Wer nun wol gern dergleichen anstellen möchte, aber seine Leute nicht genugsam kennt, um zuvor zu wißen, ob es mit ihnen gehen werde, mache einmal in Gottes Namen den Versuch in aller Einfalt, dann wird sichs bald zeigen. Jedoch dürfte man es bei einem einmaligen Versuch nicht bewenden laßen; denn gerade diese Sache zeigt sich erst nach einiger Uebung in ihrem Werth, weil im Anfang| wegen der Ungewohntheit der Weise, sowie wegen Mangels an rechter Einfalt und wegen einer gewissen falschen Scham die Lieblichkeit und Süßigkeit dieses Gebetsdienstes nicht gespürt und erkannt wird.

 Und nun, lieber Leser, laß dir hiemit den Hausgottesdienst empfohlen sein. Wer nicht beten kann, ist ein armer Mann. Wer aber beten kann, und nie mit seinen Angehörigen gemeinsam vor Gott zu treten und zu sagen im Stande ist: „Hier bin ich und die Du mir gegeben hast,“ wer mit seinem Gebete mitten unter den Seinen allein steht, ist doch auch arm genug daran. Es gibt Gebete, die man mit andern nicht beten kann; es sind die, welche am höchsten und tiefsten gehen, die nur der HErr versteht und erkennt. Für diese hat man das Kämmerlein, das ungestörte, stille Herz. Aber oft wird das Herz weit; es möchte sich ergießen; es hungert nach der Gemeinschaft des Gebets: und dann ists traurig, wenn rundum niemand ist, von dem zu erwarten und in Liebe zu fordern ist, daß er mit uns vor dem HErrn weine und fröhlich sei, daß unsere Sache auch seine, und er mit uns Ein Herz und Eine Seele sei; – traurig ists, wenn dann kein Vater, keine Mutter, kein Weib, kein Bruder, keine Schwester, kein Sohn, keine Tochter zu unserm Beten Amen spricht. Einen Ersatz gewährt freilich in solchen Fällen die Gebetsgemeinschaft mit Freunden, die nicht zur Familie gehören. Aber es ist das doch nur ein Ersatz; und ein Mensch, der nach Leib und Geist, der doppelt mit uns verwandt, doppelt Bruder ist, ist doch ein Mitbeter, der auch doppelt, der wie in zwei Herzen mit uns fühlt und mit uns betet; – und eine Familie, die leiblich und geistlich vereint vor Gott steht, ist eine Gemeinde, die gesegnet ist wie keine! So sei die deinige, lieber Leser! Amen.


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Litanei.

Hausvater: Kyrie,

 Hausgem.: Eleison!

Hausvater: Christe,

 Hausgem.: Eleison!

Hausvater: Kyrie,

 Hausgem.: Eleison!

Hausvater: Christe,

 Hausgem.: Erhöre uns!

Hausvater: HErr, Gott Vater im Himmel!
 HErr, Gott Sohn, der Welt Heiland!
 HErr, Gott heiliger Geist!

 Hausgem.: Erbarm dich über uns!

Hausvater: Sei uns gnädig!

 Hausgem.: Verschon uns, lieber HErre Gott!

Hausvater: Sei uns gnädig!

 Hausgem.: Hilf uns, lieber HErre Gott!

Hausvater: Vor allen Sünden –
 Vor allem Irrsal –
 Vor allem Uebel –
 Vor des Teufels Trug und List –
 Vor bösem schnellen Tod –
 Vor Pestilenz und theurer Zeit –
 Vor Krieg und Blutvergießen –
 Vor Aufruhr und Zwietracht –
 Vor Hagel und Ungewitter –
 Vor Feuer und Wassersnoth –
 Vor dem ewigen Tod –

 Hausgem.: Behüt uns, lieber HErre Gott!

Hausvater: Durch deine heilige Geburt –
 Durch deinen Todeskampf und blutigen Schweiß –
 Durch dein Kreuz und Tod –
 Durch dein heiliges Auferstehen und Himmelfahrt –
 In unsrer letzten Noth –
 Am jüngsten Gericht –

 Hausgem.: Hilf uns lieber HErre Gott!

Hausvater: Wir armen Sünder bitten:

 Hausgem.: Du wollest uns erhören, lieber HErre Gott!

| Hausvater: Und deine heilige christliche Kirche regieren und führen –

 Alle Pfarrherren und Diener der Kirche im heilsamen Wort und heiligen Leben behalten, –
 Allen Rotten und Aergernissen wehren –
 Alle Irrigen und Verführten wieder bringen –
 Den Satan unter unsere Füße treten –
 Treue Arbeiter in deine Ernte senden –
 Deinen Geist und Kraft zum Wort geben –
 Allen Betrübten und Blöden helfen und sie trösten –
 Allen Königen und Fürsten Fried und Eintracht geben –
 Unsern Landesherrn mit allen seinen Gewaltigen leiten und schützen –
 Unsre Obern, Schule und Gemeine segnen und behüten –
 Allen, so in Noth und Gefahr sind, mit Hilf erscheinen –
 Allen Schwangern und Säugenden fröhliche Frucht und Gedeihen geben –
 Aller Kinder und Kranken pflegen und warten –
 Alle unschuldig Gefangenen los und ledig lassen –
 Alle Wittwen und Waisen vertheidigen und versorgen –
 Aller Menschen dich erbarmen –
 Unsern Feinden, Verfolgern und Lästerern vergeben und sie bekehren –
 Die Früchte auf dem Lande geben und bewahren –
 Und uns gnädiglich erhören.

 Hausgem.: Erhör uns, lieber HErre Gott!

Hausvater: O Jesu Christe, Gottes Sohn,

 Hausgem.: Erbarm dich über uns!

Hausvater: O du Gotteslamm, das der Welt Sünde trägt!

 Hausgem.: Erbarm dich über uns!

Hausvater: O du Gotteslamm, das der Welt Sünde trägt!

 Hausgem.: Erbarm dich über uns!

Hausvater: O du Gotteslamm, das der Welt Sünde trägt!

 Hausgem.: Verleih uns steten Fried!

Hausvater: Christe,

 Hausgem.: Erhöre uns!

Hausvater: Kyrie,

 Hausgem.: Eleison!

Hausvater: Christe,

 Hausgem.: Eleison!

Hausvater und Hausgem.: Kyrie, Eleison! Amen.


|  1. Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ, weil es nun Abend worden ist; dein göttlich Wort, das heile Licht, laß ja bei uns auslöschen nicht!

 2. In dieser, schwern, betrübten Zeit verleih uns, Herr, Beständigkeit, daß wir dein Wort und Sacrament bhalten bis an unser End.

 3. Du aber selbst dein Kirch erhalt, wir sind sonst sicher, faul und kalt; gib Glück und Heil zu deinem Wort, schaff, daß es schall an manchem Ort.

 4. Erhalt uns nur bei deinem Wort und wehr des Teufels Trug und Mord. Gib deiner Kirchen Gnad und Huld, Fried, Einigkeit, Mut und Geduld!

 5. Ach Gott, es geht gar übel zu: auf dieser Erd ist keine Ruh, viel Secten und groß Schwärmerei auf einen Haufen kommt herbei.

 6. Den frechen Geistern wehre doch, die sich mit Gwalt erheben hoch, und bringen stets was Neues her, zu fälschen deine rechte Lehr.

 7. Die Lehr und Ehr, Herr Jesu Christ, nicht unser, sondern ja dein ist; darum so steh du denen bei, die bei deim Wort sich finden frei!

 8. Dein Wort ist unsers Herzens Trutz und deiner Kirche starker Schutz; dabei erhalt uns, lieber Herr, daß wir nichts Bessers suchen mehr.

 9. Gib, daß wir leben in deim Wort und darauf muthig fahren fort von hinnen aus dem Jammertal zu dir in deinen Himmelssaal.

Nik. Seknecker, geb. 1532, † 1592. 






  1. Lies auch den Gesellschaftstractat: „Kurz und gut.“
  2. Der vollständige Titel der Hirschberger Bibel ist folgender: „Die Bibel oder die ganze h. Schrift A. und N. Testamentes, nach der deutschen Uebersetzung Dr. M. Luthers, mit jedem Kapitel vorhergesetzten kurzen Summarien, sorgfältigst ausgesuchten und zahlreich beigefügten Real- und Verbal-Parallelstellen, und vornehmlich bei allen schweren, von Spöttern gemishandelten oder sonst zweifelhaft scheinenden Stellen mit möglichst kurzgefaßten Anmerkungen nach und aus dem Grundtexte zu Anzeige des in demselben befindlichen Nachdrucks, zu Aufklärung des Zusammenhangs, Hebung scheinender Widersprüche und Abweisung schnöder Spöttereien, begleitet und erläutert. Ans Licht gestellt durch Ehrenfried Liebich, evang. Pastor zu Lomnitz bei Hirschberg. Mit einer Vorrede und in den Anmerkungen vorhergegangener Prüfung, auch größtentheils eignem Beitrage [25] und selbst geführter Feder von Dr. Johann Friedrich Burg, königl. preuß. Ober-Consistorialrath zu Breslau etc. Hirschberg, zu bekommen bei Immanuel Krahn, 1765. 8. 3 Thle.“ – Eine neue Ausgabe dieses Werks ist ebendaselbst 1848 erschienen (Preis 7 fl. in gutem Einband), zu beziehen durch jede Buchhandlung. – Doch ist nun auch eine neuere erklärte Bibel erschienen, die es mit den alten ganz wohl aufnehmen kann. Die ist von Otto Gerlach und nunmehr im Verlag von Gustav Schlawitz in Berlin zu haben.
  3. Sie ist auch am Schluß dieses Tractats abgedruckt.