Vom Wermuth
[580] Vom Wermuth. Der gemeine Wermuth (Artemisia Absinthium) enthält in seinen Blättern und Blüthen einen Bitterstoff und ein ätherisches Oel, die schon seit alten Zeiten durch ihre heilkräftigen Eigenschaften bekannt sind. In der Medizin werden ein Extrakt und eine Tinktur derselben als magenstärkendes und wurmwidriges Mittel verwerthet, und auch die Likörfabrikanten haben sich der Pflanze frühzeitig bemächtigt. Was aber in mäßigen Gaben und in bestimmten Fällen heilkräftig wirkt, erweist sich, im Uebermaß und am unrechten Orte genossen, oft als Gift. So verhält es sich auch mit dem Wermuth. Die Franzosen bereiten aus dem Wermuth ihren berüchtigten Absinthschnaps, der den Körper noch rascher als der reine Branntwein zerrüttet. Diese schädlichen Folgen des Absinthtrinkens hat man ursprünglich und mit Recht dem Wermuth zugeschrieben. Wohl sahen sich in neuerer Zeit einige Aerzte veranlaßt, dieselben auf andere Gewürze wie Anis, Koriander u. s. w., die gleichfalls zur Bereitung des Absinthschnapses benutzt werden, abzuwälzen, aber die neuen Versuche, welche der französische Arzt Laborde im Auftrag der Akademie der Medizin anstellte, ergaben, daß in der That das Wermuthbitter als der schädliche Stoff zu betrachten sei, indem es epileptische Zufälle und Schwächung des Rückenmarks und des Gehirns verursacht. Schon 20 Centigramm der Absinthessenz riefen bei einem 12 Kilogramm schweren Hunde Vergiftungserscheinungen hervor, und es war dem Versuchenden leicht, mit geringen Gaben bei Kaninchen epileptische Anfälle zu erregen. – Wenn auch die Unsitte des Absinthtrinkens in Deutschland glücklicherweise nicht bekannt ist, so breitet sich dennoch in den Städten der Genuß der Wermuthweine nach südlichem Vorbilde aus. Es dürfte somit in unserem sowieso mit Nervenleiden behafteten Zeitalter am Platze sein, die Wermuthtrinker auf die Gefahren eines häufigen und übermäßigen Genusses dieser „magenstärkenden“ Getränke aufmerksam zu machen. *