Textdaten
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Autor: Kaspar Kögler
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Titel: Vom Feld und Bett der Ehre
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 824–825, 831
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[824]

Bei Mars la Tour: Unter Schlafenden und Todten.
Nach der Natur aufgenommen von K. Kögler.

[825]

Soldatengrab auf den Speicherer Höhen.
Nach der Natur aufgenommen von K. Kögler.

[831] „Vom Feld und Bett der Ehre sende ich Ihnen“ – so schreibt der Maler Kaspar Kögler an den Herausgeber dieses Blattes – „zwei Bilder des Kriegs, die von seinen Schrecknissen und seinem Jammer erschütterndes Zeugniß ablegen. Das erste zeigt eine Scene vom Schlachtfeld bei Mars la Tour während der Schlacht vom sechszehnten August vor Metz. Den Weg von Gorze aus aufwärts durch den Wald, und über die kahlen Höhen jenseits des Waldes, die mit den Opfern der mörderischsten aller Schlachten besät waren, bedechte an jenem Tage gegen Abend eine unübersehbare Munitionscolonne. Noch dröhnte der Boden von dem unbeschreiblichen Getöse der Schlacht. Der Donner der Geschütze, das Geknatter von Tausenden von Flintenschüssen, das Rauschen der Mitrailleusen dazwischen machte auf mein Gemüth einen überwältigenden Eindruck. Ich ging an der Munitionscolonne entlang, die Seele von Entsetzen erfüllt beim Anblick der reichen Saat, die der Tod rings um mich her gestreut hatte. In immer neuen Stellungen und Verrenkungen lagen sie da, all’ die Tapferen, mit verzerrten Zügen, zerrissen und staubbedeckt. Immer dichter wurde die Zahl, immer größer mein Grauen. Da erblickte ich die in der Zeichnung wiedergegebene Scene. Dicht neben den entstellten verzerrten Leichen, wie sie die feindlichen Kugeln zahlreich an den Abhang der Straße geworfen, hatten sich einzelne Soldaten der Munitionscolonne hingestreckt und – schliefen, schliefen sanft und träumten vielleicht die friedlichsten Träume, dieweil vom Donner der Schlacht der Erdboden zitterte und die gefallenen Brüder dicht an ihrer Seite den ewigen Schlaf schliefen! Manche unterschieden sich nur dadurch von den Todten, daß sie weniger bestaubt waren als diese. Welch ein Bild! Noch drängen sich mir die Thränen in die Augen, wenn ich mir dasselbe vergegenwärtige. Die Leiche im Vordergrunde links war die eines Unterofficiers, eines bildschönen jungen Mannes, den seine überlebenden Cameraden pietätvoll gerade gelegt und dem sie die Hände über die Brust gekreuzt hatten. So begegnete man allenthalhen kleinen rührenden Zügen der Anhänglichkeit, Freundschaft und menschlichen Gesittung. Eine andere an die Straßenerhöhung geworfene Leiche, deren von einer gräßlichen Wunde entstelltes Gesicht mit einem verstaubten Fetzen überdeckt war, hatte ein Kernschuß getroffen, so daß sie plötzlich erstarrt in der Stellung des Zielens dahinsank, die Arme starr emporstreckend, ein grauenhafter Anblick.

Die zweite Zeichnung bedarf wohl keines Commentars. Es ist ein einfaches, armes Soldatengrab, wie sie zu Hunderten die französische Erde bedecken. Nirgends habe ich in allen illustrirten Zeitschriften ein solches Grab gefunden und es ist doch gewiß ein Bild, das in seiner traurigen Aermlichkeit eine gewaltige Sprache spricht, eine Sprache, die bis in die zartesten Fasern der Seele dringt. Auf malerischen Effect konnte es natürlich bei diesem Gegenstande nicht ankommen, sondern nur auf die vollständige einfache Treue der Darstellung. Vor den Speicherer Höhen im weiten Felde erhebt sich dieser künstliche Erdhügel. Auf der Mitte desselhen ist aus rohen Baumästen ein Kreuz errichtet. Der Querbalken ist mit dem Beile glatt gehauen und trägt die mit Röthel geschriebene Inschrift: „16 Mann vom 40. Regiment, 2 Officiere“ – einige verwelkte Baumzweige bilden den Kranz des Kreuzes, das eine Pickelhaube krönt. Der Soldatenstand der in diesem großen Grabe Schlafenden ist deutlich genug angezeigt durch die Armaturstücke, welche die einzige Zierde desselben sind. Im Hintergrunde zur Linken deuten die Lindenreihen den durch den ersten Tag des Krieges berühmt gewordenen Exercirplatz von Saarbrücken an.“


Wem tritt beim Anblick dieses Grabbildes nicht der schöne, rührende Gedanke einer deutschen Frau vor die Seele, den wir hiermit aussprechen wollen. Wenn wir – sagt sie – schon jetzt in den Zeitungen den Satz lesen: „Wie lange wird es dauern, so geht die Pflugschaar über unsere Todten!“ – so drängt sich uns die Frage auf: „Ist’s für das einige Deutschland unmöglich, für seine Kinder das Stück Erde, in welchem sie in Frankreich liegen, zu erwerben und in einen sichern Friedhof zu verwandeln?“ Welche Beruhigung, ja welche Beglückung für die trauernden Angehörigen liegt in der Gewißheit, daß ihre gefallenen Lieben in sicherer Stätte ruhen und daß ihre Gräber wenigstens davor geschützt sind, binnen kurzer Zeit ganz vom Boden zu verschwinden! Es sind Väter und Mütter, es sind Brüder und Schwestern, Gattinnen und Bräute, welche in der Vorstellung solcher von der Heimath geschützten Grabstätten einen Trost für die peinigende Sehnsucht nach ihren verlorenen Lieben suchen. Und wahrlich, wenn es möglich ist, sollte dem tiefen Schmerz dieser Balsam wohl gereicht werden! –