Verzaubert
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Verzaubert.
Ach, nun sind es schon zwei Tage,
Dass er mich zuerst geküsst,
Und seit jener bösen Stunde
Alles wie verzaubert ist.
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Meine Stube, drin so traulichUnd so nett ich einst gehaust,
Steht im wirren Durcheinander,
Dass mir vor mir selber graust.
Meine Rosen, meine Nelken
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Schauen welk und traurig drein,Ach, ich glaub, ich goss seit gestern
Statt mit Wasser sie mit Wein.
Meine gute weisse Taube
Hat kein Futter, hat kein Brot,
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Und der brave DistelfinkeLiegt im Käfig schon halb tot.
Und mit blau und roter Wolle
Ist am weissen Netz gestrickt,
Und mit weissem Garn ist in die
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Bunte Stickerei gestickt.
Und wo sind die schönen Bücher
Parcival und Theuerdank?
Glaub’ beinah, ich warf die guten
Sänger in den Küchenschrank.
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Und die Küchenteller stehenAuf dem schmucken Bücherpult,
Ach, an all dem grossen Unglück
Ist die Lieb’, die Liebe schuld.
Victor v. Scheffel.