Vervollkommnung der Orgel oder das Panharmonicon

Textdaten
Autor: unbekannt
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Titel: Vervollkommnung der Orgel oder das Panharmonicon.
Untertitel:
aus: Annalen der Physik, Jahrgang 1807, Band 2, oder 26. Band, Sechstes Stück, S. 214–218
Herausgeber: Ludwig Wilhelm Gilbert
Auflage:
Entstehungsdatum: 1807
Erscheinungsdatum: 1807
Verlag: Rengersche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Halle
Übersetzer: Ludwig Wilhelm Gilbert (?)
Originaltitel: Arts méchaniques. Le panharmonicon.
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Journal de l’Empire. Lundi 9 Mars 1807. (S. 1) – bnf.fr
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung: Beitrag über das Panharmonikon, das 1807 nach Paris kam.
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[214]
VI.
Vervollkommnung der Orgel oder das Panharmonicon.[1]


Das Panharmonicon, welches der Mechanicus Mälzel aus Wien nach Paris gebracht hat, und hier öffentlich hören läßt, ist ein Instrument nach Art der Orgeln, oder vielmehr die ursprüngliche Orgel vervollkommnet; ist es anders wahr, wie es sich glauben läßt, daß die Orgel anfangs bloß aus einfachen Pfeifen bestand, welche durch mechanische Mittel und ein künstliches Anblasen zum Tönen gebracht wurden. Und doch unterscheidet sich dieses Instrument in sehr vielem von den bis jetzt bekannten Orgeln.

Die Röhren unsrer Orgeln haben keine Aehnlichkeit mehr, weder mit der Flöte, noch mit irgend einem Blasinstrumente, welches wahrscheinlich daher kömmt, daß, seitdem die Zahl der Blasinstrumente sich so sehr vermehrt hat, und der Mechanismus ihres Spiels von Tage zu Tage zusammengesetzter geworden ist, die Orgelbauer nicht mehr geschickt genug waren, diese Instrumente durch Blasebälge und Claviaturen zum Ansprechen zu bringen. So wurde die Orgel ein Instrument besonderer [215] Art, dem einige Vorzüge eigenthümlich sind, und das mit den übrigen Blasinstrumenten in keiner Beziehung weiter steht, als in so fern es den Ton, der jedem derselben eigen ist, doch immer nur auf eine mehr oder minder unvollkommene Weise nachahmt.

Es ist daher ganz etwas Neues, in einem Orgelwerke das Hautbois, das Basson, die Flöte, die Querpfeife und das Clarinett so zu hören, wie sie jetzt in den Orchestern gebräuchlich sind.

Die größte Schwierigkeit hierbei, an der alle Orgelbauer gescheitert sind, und durch die sie gezwungen worden waren, zu Pfeifen von einer besondern und fast gleichartigen Construction ihre Zuflucht zu nehmen, war, durch mechanische Mittel die Wirkungen der Lippen und der Zunge auf die Mundlöcher der Blasinstrumente nachzuahmen; und bekanntlich sind sie bei jedem dieser Instrumente verschieden. Herr Mälzel scheint diese Schwierigkeit besiegt zu haben; und hauptsächlich hierdurch scheint er Ansprüche auf die Ehre eines Erfinders zu haben.

Die Orgel, der er den Namen: Panharmonicon, giebt, hat zwei sichtbare Windladen. Auf der ersten stehn die Querflöte, und die Flöten mit Zungen und Rohrwerk; auf der zweiten das Serpent, die Hörner und die übrigen Instrumente mit Mundstücken.

Da die untern Enden aller Pfeifen in die Windladen eingesenkt sind, so läßt sich die Art nicht sehen, [216] wie sie angeblasen werden, und ob dabei daß Verfahren bei diesen Instrumenten nachgeahmt, oder durch ein anderes ersetzt ist. Ich habe nur so viel bemerken können, daß die Querflöten, deren Mundlöcher, vermöge der diesem Instrumente eignen Einrichtung, sich über der Windlade unbedeckt befinden, jede von einer künstlichen Lippe bedient werden, deren Mechanismus sehr sinnreich ist. Es bedarf kaum erinnert zu werden, daß jedes Instrument nur einen einzigen Ton angiebt, da das Spiel der Finger des Musicus sich nicht nachahmen läßt, und daß daher von jeder Art Blasinstrument der einzelnen Instrumente so viel als der anzugebenden Töne sind.

Noch hat der Verfertiger die panharmonische Orgel mit Cymbeln, einem Triangel, Pauken und einer großen Trommel versehn, die gleich den Pfeifen durch zwei Klaviere zum Tönen gebracht werden, auf deren Tasten die Stifte der Walze, wie in den Spieluhren und in den Drehorgeln wirken. Man kann nach Belieben andere Walzen einsetzen; jede hat einen bedeutenden Durchmesser, und da auf sie nur Ein Stück gesetzt ist, und sie nach jedem Umlauf sich etwas weiter schieben läßt, so ist die Länge einer Symphonie kein Hinderniß, daß sie sich nicht sollte auf dem Panharmonicon ausführen lassen. Bei den gewöhnlichen Symphonieen, in denen alle Instrumente mitspielen, setzt das erste Klavier sie alle in Bewegung. Das zweite Klavier und dessen Cylinder sind ausschließlich für die Fanfares und die militärischen Stücke bestimmt, welche [217] bloß von den Blasinstrumenten der zweiten Windlade, und von den Pauken, Cymbeln, dem Triangel und der Trommel ausgeführt werden.

Eine Art von Uhrwerk mit einem Gewichte dreht, nachdem man es aufgezogen hat, die Walze. Das Werk endigt sich mit Windflügeln, welche die Geschwindigkeit des Stücks reguliren. Man erhebt oder senkt die Flügel auf ihrem kleinen Quadranten, und sie bilden einen sehr genauen Zeitmesser.

Dieses sind ungefähr alle äußere und sichtbare Theile der panharmonischen Orgel des Herrn Mälzel. Die Blasebälge und die übrigen Theile, welche zum Mechanismus gehören, befinden sich in dem Grundgestell des Instruments, welches ungefähr 6 Quadratfuß zur Grundfläche und 5 Fuß zur Höhe haben mag. Die Unwissenheit, in der wir über das Detail dieser Theile des Panharmonicons stehn, worauf vielleicht das Geheimniß des Erfinders beruht, macht es uns unmöglich, mehrere Wirkungen des Instruments zu erklären. Dahin gehört das piano und forte, der Uebergang aus einer Tonart in eine andere ohne Unterbrechung der Bewegung, und ohne Einmischung des Mechanismus; das Anschwellen der Töne in derselben Art von Instrumenten, u. d. m. Wir müssen selbst vieles von dem, was wir von den sichtbaren Theilen gesagt haben, bloß für Vermuthungen ausgeben, weil sich über ein so zusammen gesetztes Instrument nichts mit Gewißheit sagen läßt, wenn man es nicht in [218] allen Theilen untersucht hat, und weil man sich dabei nur zu leicht durch den Schein täuscht.

Wie indeß auch dieser innere Mechanismus beschaffen sey, er muß mit äußerster Sorgfalt ausgeführt seyn, denn es läßt sich nicht die mindeste Reibung hören, und alle Bewegungen, die man sieht, wie z. B. die der Cymbeln und der Trommel- und Pauken-Stöcke, haben nicht nur viel Präcision, sondern auch eine in Maschinen dieser Art sehr seltene Leichtigkeit.

Das Publicum, und selbst die Musiker, schienen mit der Ausführung der Musik zufrieden gewesen zu seyn, und man war der Meinung, noch nie sey eine mechanische Bewegung der unnachahmlichen Vollkommenheit der menschlichen Bewegung so nahe gebracht worden.

Die pyramidalische Gestalt des Panharmonicons, und die Gruppen militärischer Instrumente, aus denen es besteht, machen es zu einer sehr edeln Zierde, die sich vortrefflich für den großen Saal eines Schlosses schickte. Es ließe sich in Ermangelung eines zahlreichen Orchesters sehr gut bei öffentlichen Festen brauchen; und bei Ceremonien, die zugleich religiös und militärisch sind, möchte es der gewöhnlichen Orgel vorzuziehen seyn.[2]


  1. Aus dem Journal de l’Empire, 9ten Mars 1807, unterzeichnet M. B.
    Gilb.
  2. Nach Zeitungsnachrichten hat ein Hr. Lecuyer das Panharmonicon im Mai für 100000 Franken gekauft, um es in dem Palais Royal öffentlich hören zu lassen, und zwar für 3 Francs, als die Hälfte der sonstigen Entrée.