« §.37 Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs §.39 »
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Textdaten
Autor: Johann Christoph Harenberg
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Titel: Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs ...
Untertitel: §.38 - Wie die Vorurtheile der Vorfahren auszurotten seyn.
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Erscheinungsdatum: 1733
Verlag: Johann Christoph Meißner
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Erscheinungsort: Wolfenbüttel
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Quelle: Digitalisat des Göttinger Digitalisierungszentrums bzw. bei Commons
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§. XXXVIII.

[121] Man pfleget zwar sonst den Meynungen der Väter und Vorfahren gern Platz zu lassen, und Gegentheils das neue zu verwerffen. Aber, gleichwie es unnöhtig ist, die Schwachheiten und Irrthümer hoch aufzumutzen, und unsere Vorgänger herdurch zu ziehen: (a)[1] so ist es desto billiger, ohne alle unanständige Bitterkeit die eintzige Wahrheit, so wohl in geistlichen als weltlichen Dingen, aufzusuchen, und zur Ausbreitung derselben alle Gelegenheit gebrauchen. Wiewohl man leichtlich vermuhten kan, daß die Priester in Servien einen nutzbahren Irrthum willig beybehalten werden. Denn es lassen sich keine Sachen besser zum Gewinn anwenden, als diejenigen Dinge, so den Menschen Furcht und Bekümmernis machen, und mit grosser Mühe nach ihrer wahren Beschaffenheit können eingesehen werden. In diese Reiche der Dinge kann man auch den Zustand des Leibes und der Seele, und zwar nach der Beschaffenheit, so beyde nach dem Tode des Leibes haben werden, mit allem Rechte setzen. Der gemeine Mann läst sich gar leicht mit Lügen fangen, und wird daher (b)[2] gar oft wieder alle [122] Billigkeit, hinters Licht geführet. Diejenigen, so im zehenden und neundten Jahrhundert, um Wallfahrten zu thun, nach Jerusalem über das mittelländische Meer führen, und des Feuer speyenden Berges Aetna Getöse und seufzenden Thone hörten, fielen auf den Wahn, daß das Loch in dem Aetna aus der Hölle heraufgienge, und die winselnden Stimmen der Verdammten zu Tage brächte. Dieser Meynung fügten sie annoch hinzu, daß die Mönche in den Klöstern, sonderlich die aus der Gesellschaft von Clugni, die Verdammten Seelen durch ihr Gebeht erretten könnten. (c)[3] Ich erinnere mich auch einer Geschichte, so vor einigen Jahren in der Nachbarschafft vorgegangen, und meinem Satze einiges Licht giebt. Es war ein Grab auf dem Kirchhofe zur Seite eingefallen, und blieb davon eine Ritze offen stehen. Darauf thauete der Schnee auf, und das Wasser fiel durch die Ritze hinab mit einem Thone, der dem Winseln eines Kindes sehr ähnlich war. Es war daselbst vor etwa einem Jahre ein Kind begraben. Der Herr Superintendens hörte [123] den Thon des Nachts von ferne an, und stellete seiner Gemeine des folgenden Sonntags vor, daß die Todten in den Gräbern winselten, und die Welt bald untergehen müste. Hierauf gründete sich ferner eine heftige Warnung, um von Sünden abzustehen, und dadurch die Todten in den Gräbern nicht mehr zu beunruhigen.


  1. (a) GREGORIVS M. Moral. XXV. c.22. VINCENTIVS Lirinensis in Commonitorio I. §. 12. p. 22. ed. Rom. 1731. 8.
  2. (b) Hierher rechnet man billig das Oster-Licht, so bey dem vermeinten Grabe Christi noch itzo zu Jerusalem [122] in vigilia Paschali hervorgebracht wird. MAVNDRELL p. 97. sqq. ALBERICVS in Chronico P. II. ad. a. 970. p. 18. ed. Leibn. 1699. 4.
  3. (c) ALBERICVS I. c. P. II. ad a. 997. p. 36. IDEM ad a. 1023. p. 55. SIGEBERTVS Gemblacensis ad a. 998. p. 824.sq. Es ist demnach wahr, daß man ehedem in der Abendländischen Kirche geglaubet hat, daß die Verdammten aus der Hölle können erlöset werden. Es hatte dieses zwar nicht gehörig bewiesen, aber doch erinnert, G. G.LEIBNITIVS in Theodic. P. III. §. 272. p. 558. sqq.