Vergrabene und versunkene Schätze
Rheinische Zeitungen berichteten vor einigen Jahren über den kostbaren Inhalt einer napoleonischen Kriegskasse, welche in einem Dorfe in der Nähe von Bonn bei Gelegenheit der Ausrodung von Baumwurzeln aufgefunden wurde. Der Fund bestand in einer eisernen Kiste, welche in die Erde versenkt worden war und außer wichtigen historischen Dokumenten über eine drittel Million Franken bares Geld in Edelmetallmünzen enthielt. Ich selbst erinnere mich, gelegentlich eines Aufenthaltes in jener Gegend vor Jahren schon aus dem Munde der dortigen Bevölkerung von einer in der Franzosenzeit verloren gegangenen Kriegskasse vernommen zu haben, aber die darüber im Umlauf befindlichen Gerüchte waren so unbestimmter Natur, daß es wohl schwerlich der Mühe gelohnt haben würde, ernstliche Nachforschungen dieserhalb anzustellen. Doch hat das zufällige Auffinden des Schatzes bewiesen, wie wohl begründet jene Ueberlieferung gewesen ist und wie infolge der Eile während der Flucht der damaligen französischen Armee gegen Ende des Jahres 1813 die später für unwahrscheinlich gehaltene Versenkung der Kriegskasse wirklich stattgefunden hat. Dasselbe Gerücht, wie es im Munde des rheinischen Volkes umging, erhält sich seit dem Entscheidungstage der Leipziger Völkerschlacht auch unter den Anwohnern des Pleißethals, südwärts von Leipzig. Der Ueberlieferung gemäß soll, ganz ebenso wie sich dies bei Bonn ereignete, am Ende der napoleonischen Kriege, infolge Befehls eines hohen Kommandirenden der fliehenden französischen Armee, beim Beginn des Rückzugs im Dorfe Dölitz – dessen zerschossenes Schlößchen 1884 die „Gartenlaube“ im Bilde brachte (S.129) – oder im benachbarten Markleeberg, vielleicht auch zwischen beiden Orten im Flusse selbst, die Kriegskasse eines französischen Armeecorps mit sehr beträchtlichem Goldinhalte versenkt worden sein. Alle im Laufe der Jahre vorgenommenen Nachforschungen führten indeß zu keinem Ergebnisse, und da nach menschlicher Berechnung die beim Versenken dieser Kriegskasse betheiligt gewesenen Zeugen jetzt schwerlich mehr sich unter den Lebenden befinden dürften, so wird es künftig hierbei, gleichwie am Rhein, dem Zufall anheimgestellt bleiben, ob jene Napoleond’or – wenn sie nicht überhaupt märchenhaften Ursprungs sind – einstens im Sonnenlichte wieder glänzen oder ob sie dem dunklen Schoß der Erde für immer sollen einverleibt bleiben.
Solche Funde, wie der Eingangs erwähnte, erinnern unwillkürlich daran, welche Schätze, im Laufe der Jahrhunderte vergraben, noch unter der Erdoberfläche verborgen liegen mögen, der Erlösung und Hebung harrend; wie viele davon, bekannt oder unbekannt, schon zum Theil gehoben worden sind und welche Unsummen von solchen Werthen noch der Nutznießung der Erdenbewohner harren!
Im allgemeinen wird man bei Funden zwei Hauptarten unterscheiden müssen; Massenfunde, welche auf großen historischen und kulturgeschichtlichen Stätten aufgefunden werden, und Einzelfunde, welche der Zufall aufdeckte.
Die ungeheuren Ansiedelungen des Alterthums in Kleinasien, von Ninive und Babylon, von Troja-Hissarlik und Pergamos, die semitischen Ruinen von Palmyra und Persepolis, die Todtenfelder der alten Aegypter im Nilthal, die Ueberreste Karthagos an der Nordküste Afrikas, die gesammten Inseln des Aegäischen Meeres, das heutige Königreich Griechenland, ganz Italien und vor allem Rom sind seit Jahrhunderten unerschöpfliche Fundgruben von Schätzen der mannigfachsten Art. Es ist eine Unmöglichkeit, auf diesem Gebiete auch nur ein annähernd vollständiges Bild der wichtigsten Entdeckungen zu geben, da bloße Verzeichnisse einzelner belangreicher Fundstellen von Orten, wo Kulturvölker hausten, schon Bände füllen würden. Deshalb sollen hier nur einige näher liegende Funde von allgemeinem Interesse Erwähnung finden.
In erster Linie dürften dies die Ausgrabungen Layards in Syrien und diejenigen des Dr. Schliemann sein, die von ungewöhnlichem Erfolge gekrönt wurden. An Resultaten diesen würdig zur Seite stehen die Aufdeckungen von Olympia, ein Verdienst der preußischen [538] Regierung und des Deutschen Reiches. Die Ausgrabungen Schliemanns bei Troja an Kleinasiens Küste, woselbst der Schatz des Priamos gehoben worden sein soll, sind für die Altertumskunde und Kunstgeschichte ebenso bedeutungsvoll, wie die Auffindung des Königsgrabes von Agamemnon in Mykenä bei Argos, auf griechischem Gebiete, epochemachend wurde. Das Auffinden der weltbekannten Venus aus der griechischen Insel Milo fällt in das zweite Jahrzehnt dieses Jahrhunderts; viel später entdeckten Engländer auf der Insel Cypern ein im Felsen ausgehauenes Königsgrab, welches kostbare Insignien der Würde des darin Ruhenden enthielt. Jene aufgefundenen Attribute der Macht, wie Scepter, Krone etc., waren in prachtvoller antiker Arbeit an fünf Pfund in seinem Golde schwer.
Auch Deutschland besitzt solchen klassischen Boden, und insbesondere sind es jene Stellen, auf welchen römische Niederlassungen gegründet waren, die sich durch werthvolle Funde auszeichnen. Süddeutschland sowie die Ufer des Rheins mögen zahllose Schätze bergen; obenan dürfte in dieser Richtung die Festung Mainz stehen. In den fünfziger Jahren fanden dort Arbeiter auf der Citadelle, dem römischen Castrum beim Aufgraben des Bodens ein großes Ehrenschwert von Rom, dem siegreichen Feldherrn Drusus vom dankbaren Vaterlande gewidmet, auf. Griff und Klinge waren von hochkünstlerischer Arbeit, ersterer in Edelmetallen getrieben. Ferner sei des bekannten Silberfundes bei Hildesheim gedacht, der, wie angenommen wird, von den Tafelgeschirren eines römischen Feldherrn herrühren soll, was, lebhaft bestritten, mehrfache Kontroversen hervorrief. Auch der Fund in einem alten Patricierhause zu Regensburg verdient erwähnt zu werden. Wahrscheinlich zu Anfang des Dreißigjährigen Krieges verborgen, wurde er dort vor etwa 15 Jahren gelegentlich einer Treppenreparatur in einer durch Wendung der Stiege gebildeten geheimen Nische aufgefunden. Die hierbei zu Tage gebrachten, in Edelmetall getriebenen mittelalterlichen Gefäße erregten durch die hohe Vollendung der Arbeit sowie durch die Reinheit des Stiles das ungeteilte Interesse aller Alterthumsfreunde.
Für Deutschland aber steht der reiche Goldfund von Vettersfelde in seiner Art vereinzelt und als ein Unicum da, weil man bis jetzt solche Schätze nur aus den großen Tumulis (Grabhügeln) des Orients, speciell der Krim, kannte. Genannte Ortschaft liegt eine und eine viertel Meile südöstlich von der preußischen Kreisstadt Guben und die kostbaren, in 23 karätigem Golde getriebenen Stücke wurden beim Ziehen eines Wassergrabens in einer Tiefe von nur einem drittel Meter auf einem Acker, eine Viertelstunde vom Dorfe entfernt, ganz zufällig entdeckt. Eines der Hauptstücke stellt einen aus starkem Goldblech getriebenen Fisch dar, der durch die Brustflosse in zwei Längshälften geteilt und mit verschiedenartigen Figuren verziert ist; nach dem Urtheile von Archäologen ist er Bestandtheil eines Schildes. Ferner wurden eine aus vier Medaillons gebildete Zierplatte, mit seltsamen Gestalten geschmückt, ein höchst kunstvoller Scheidenbeschlag, zu einem Säbel gehörig, Hängeziergeräthe, Ohrgehänge, Armringe, Dolche und Schwertgriffe, alles in hochfeinem Golde gearbeitet, aufgefunden. Die vortrefflichen künstlerischen Arbeiten deuten auf die Entstehung aus einer altgriechischen Werkstätte hin; der Zeitpunkt der Anfertigung des Fundes dürfte in das 6. Jahrhundert vor Christo fallen. An künstlerischem und materiellem Werthe bildet dieser Schmuck ein würdiges Seitenstück zum Hildesheimer Silberfunde. Er dürfte zu einer Prachtausrüstung für einen Skythenhäuptling bestimmt gewesen sein.
In betreff der Frage aber, auf welche Art dieser seltene Fund in die preußische Lausitz gekommen, sei daran erinnert, daß gegen Ende des 6. Jahrhunderts vorchristlicher Zeitrechnung ein mächtiger Strom pontischer Skythen sich unaufhaltsam nach Nordwesten durch Mitteleuropa wälzte. Durch das Heer des Darius von der Donau her bedroht, schickten die Völkerwanderer wahrscheinlich alle Habe, Frauen und Kinder voran, und ihnen selbst scheint es damals gelungen zu sein, die Perser bis über die Quellengebiete des Bug und Dnjepr nach Europa zu locken.
Mindestens ebenso reich, wie Deutschland an historischen und alten Fundstellen ist, dürfte Oesterreich-Ungarn sein. Die Oeffnungen von anderthalb tausend Keltengräbern am Rudolfsthurm bei Hallstadt auf dem Dürrenberge im Salzkammergute, wobei außer den üblichen Bronze- und anderen Gegenständen mehrfach Dolchklingen in Goldscheiden aufgefunden wurden; die Funde im Laibacher Moore, in den Umgebungen der Landeshauptstadt Laibach und auf den weiten Leichenfeldern von Watsch in Krain förderten zahllose und mannigfaltige Gegenstände zu Tage.
Das Zollerfeld in Kärnten sowie die Gefilde von Charnuntum an der ungarischen Grenze in der Nähe von Wien bergen die Reste großer römischer Städte, welche seit Jahrhunderten unabsehbar ausgebeutet werden.
Auch Böhmen ist in dieser Richtung mit seinem historischen Boden eine wichtige Fundgrube, in welcher der Berg „Hradischt“ mit der alten Feste Pürglitz eine hervorragende Rolle spielt. Im Jahre 1771 wurde im Dörfchen Podmokl, der unmittelbaren Nachbarschaft der Burg, ein umfänglicher Bronzekessel unter der Erdoberfläche aufgefunden, der, mit großen Goldstücken angefüllt, über 80 Pfund altösterreichischen Gewichtes wog und einen Metallwerth von etwa 58 000 Gulden repräsentirte. In demselben Behälter befand sich eine überaus werthvolle massivgoldene Armspange, die wie ein Theil jener Münzen im Museum des Fürsten zu Fürstenberg in Donaueschingen aufbewahrt wird. Der obere Theil jenes interessanten Bronzegefäßes ist im Schloßmuseum desselben Fürsten zu Nischburg in Böhmen aufgestellt. Ohne Ausnahme zeigten die bei dem Schatze gefundenen Goldmünzen keltischen Ursprung, beiläufig 300 Jahre vor- bis 400 Jahre nachchristlicher Zeitrechnung. Im Juni 1877 gruben beschäftigungslose Hüttenarbeiter auf dem Berge Hradischt nach urvorzeitlichen Ueberresten und fanden inmitten einer modrigen, nicht erkennbaren Masse in verwittertem Behältniß etwa 200 Stück Goldmünzen, im beiläufigen Werth von 2500 Gulden; sie zeigten dieselben Zeitperioden und Prägungen wie die zuerst aufgefundenen. Nach starken Regengüssen werden noch jetzt dort zuweilen Gold- und Silbermünzen zerstreut aufgefunden, und es müßte voraussichtlich für die Wissenschaft lohnen, wenn Burg Pürglitz, die um das Jahr 1200 erbaut ist, sammt ihren Umgebungen fachmännisch untersucht würde. Denn nicht nur Gold- und Silberstücke birgt der Hradischt, sondern auch Gegenstände aus Bernstein, Krystall, Bronze, Glas etc.; einen Beweis dafür liefert das k. k. Hofmuseum in Wien, welches, in abgesonderter Auswahl, mehr als 4000 Stück hier ausgegrabener Species besitzt.
Ein großartiger Silberfund römischer Denare, von denen leider nur 18 Pfund, 4277 Stück, vor dem Verschleppen gerettet werden konnten, wurde von zwei Brüdern zu Bakony-Szombathely im Weßprimer Komitat 1864 durch Auspflügen eines großen Gefäßes gethan. Schon im Jahre 1858 war in erwähnter Gegend ein bedeutender Schatz gehoben worden, durch die Unwissenheit der Finder aber in Hände gekommen, welche in den Münzen nur den Werth des Edelmetalls zu würdigen verstanden. Die Prägung dieser Silberdenare vertheilt sich auf 52 römische Regenten, doch entfallen auf Alexander Severus allein 743, auf Heliogabal 399 Stück.
Im Wiener Naturalienkabinet befindet sich der größte Opal, welcher bisher als geschliffenes Stück aufgefunden wurde, im Gewicht eines alten Wiener Pfundes und von dem denkbar schönsten, feurigsten Farbenspiel, der, wenn überhaupt von Goldwerth bei einem solchen Juwel die Rede sein kann, von Sachverständigen auf über zwei Millionen Gulden geschätzt wird. Er wurde zur Zeit Maria Theresias in Ungarn aufgefunden, und man vermuthet, daß er sich ursprünglich in römischem Besitze befand, doch sind die näheren Umstände, welche seiner Auffindung vorangingen, jetzt nicht mehr bekannt; unter Kaiser Josefs II. Regierung befand er sich bereits in dieser Sammlung, welcher er noch heute als eines der werthvollsten Stücke angehört.
Eine hochinteressante Entdeckung ward 1870 in einem bis dahin noch nicht durchforschten Winkel des Prager Doms, am Hradschin, gemacht. Dort fand man die seit mehr als 500 Jahren vergessene Grabstätte Rudolfs von Habsburg, des Sohnes Albrechts I. Die geöffnete Gruft barg zwei ganz morsche Kisten, deren eine menschliche Ueberreste und Reste zerfallener Goldbrokatgewänder enthielt, während die andere Reichsinsignien umschloß.
Das vom Roste zerfressene, in drei Stücke zerfallene Schwert repräsentirte keinerlei Werth; dagegen wurden Krone, Scepter und Reichsapfel, in hochfeinem Silber getrieben und stark vergoldet, unversehrt aufgefunden. Erstere, ein wundervolles Erzeugniß mittelalterlicher Goldschmiedekunst, zeigt über dem Kopfreifen je vier Lilien und ebenso viel Kreuze. [539] An der Stelle, wo die Kronenbügel kreuzen, sind in erhabener Arbeit die heilige Jungfrau und der Engel Gabriel dargestellt. Sämmtliche Kleinodien sind von hohem Kunstwerthe.
Und mindestens ebenso reich als Deutschland und Oesterreich dürften die Kulturländer des Westens an Funden sein. Endeckten beispielsweise doch in der französischen Stadt Dijon vor wenigen Jahren Handwerker bei Gelegenheit von Reparaturen im Wohnhause einer Bürgerfamilie bei dem Wegräumen von altem Eichenholzgetäfel über eine Viertelmillion Franken in Goldmünzen altfränkischer Prägung, welche seit der Reformation dort geruht haben mochten. Die Funde der auf diesem Gebiete reichsten Länder Europas, Italien und Griechenland, nur in einigen Hauptstücken zu verzeichnen, würde, selbst bei größter Auswahl, an dieser Stelle zu weit führen; wir müssen darauf verzichten!
Es sei nunmehr aber mit wenig Worten noch jener Schätze gedacht, welche, im feuchten Elemente ruhend, in den Ocean oder andere umfangreiche Gewässer versanken. Welche Unsummen von Werthen mögen allein nur auf dem Grunde des atlantischen Oceans, zwischen Europa und den Vereinigten Staaten Nordamerikas – der wahrscheinlich am stärksten befahrenen Schifffahrtslinie unseres Planeten – ruhen! Vielleicht könnten die amtlich geführten Navigationstabellen der englischen Admiralität am ehesten annähernd ein Größenbild dieser versunkenen Schätze bieten.
Erwähnenswerth sind jene Edelmetallschätze, die beim Untergange der spanischen „Armada“ an der Küste der Niederlande in der Nordsee versanken und welche neuere Annahmen im Harlemer Meer ruhen ließen. Inzwischen ist gedachter Binnensee trocken gelegt, aber man fand die dort sehnlichst erwarteten Schätze nicht, obschon Trümmer der gestrandeten spanischen Kriegsschiffe bloßgelegt wurden. Das fragliche Fahrzeug muß also auf hoher See gesunken sein, denn so gut man die bronzenen Schiffskanonen der Spanier auffand, ebenso gut wären wohl jene Metallschätze entdeckt worden.
Auch an den Gestaden des Bodensees erhalten sich unter den Uferbewohnern Geschichten über zur Römerzeit versunkene Schätze, welche seit Jahrtausenden auf dem Boden des Schwäbischen Meeres lagern sollen. Freilich ist zu Zeiten der römischen Weltherrschaft diese Wasserstraße ein frequenter Weg zur römischen Feste Augusta (Augsburg) gewesen, und bei der geringen Tüchtigkeit der damaligen Schiffe sowie dem wilden Wogenschwall des Bodensees im Sturm ist es wohl möglich, daß diese Sagen auf Thatsächlichem beruhen. Wahrscheinlich werden die auf dem Meeresboden ruhenden Schätze aber für alle Zeiten verloren sein, es müßten denn Wissenschaft und Technik der Zukunft die Hebung derselben aus den Tiefen, in denen sie jetzt liegen, erleichtern, oder aber der Grund des Oceans sich soviel heben, daß denselben beizukommen wäre.