Vergrößerung der brittischen Macht in Indien auf Kosten des birmanischen Reichs

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Titel: Vergrößerung der brittischen Macht in Indien auf Kosten des birmanischen Reichs
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aus: Das Ausland, Nr. 72–74. S. 285–287, 291–292, 294–295.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Entstehungsdatum: 1827
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Originalherkunft: Calcutta Government Gazette
Quelle: Scans bei Commons
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[285]

Vergrößerung der brittischen Macht in Indien auf Kosten des birmanischen Reichs.

(Mit einer Charte.)

Nach der literarischen Entdeckung, welche Crawford, der bekannte Verfasser des Werks über den indischen Archipel, kürzlich[1] bei seiner Mission nach Awa, während eines dritthalb-monatlichen Aufenthalts daselbst, gemacht hat, besitzen die Birmanen chronologische Tabellen, die bis zum J. v. Chr. G. 543, dem angeblichen Stiftungsjahre ihrer Monarchie, hinaufreichen. Hundert und sieben und zwanzig Könige nennt „der Herr der weißen Elephanten“ seine Vorfahren auf „dem goldenen Thron.“

Was es auch mit diesen großen Zahlen für eine Bewandtniß hat, so viel scheint gewiß, daß Birma ein sehr alter Staat und der gegenwärtige Zustand seiner Gesittung, gegenüber dem frühern, nicht viel besser als ein Rückfall in die Barbarei ist. An den Ufern des Irawaddy liegen Ruinen von Städten, mit deren Umfange Awa oder Amarapura sich nicht vergleichen lassen; es stehen noch Tempel, die im Styl und in der Ausführung die neueren Bauten der Birmanen weit übertreffen. Die Ruinen von Pugan, Sakaing, Sanku, Angl-y-ywa und Issaymiu[2] sind reich an Denkmälern der Vorzeit. Man findet daselbst Steinbilder braminischen Ursprungs, Inschriften auf Sandstein und Marmor, die meist in der runden Palischrift geschrieben sind und eine Form haben, wie die Grabsteine auf den englischen Todtenäckern. Solcher Alterthümer sammelte der vorige König eine bedeutende Anzahl aus allen Theilen des Landes und stellte sie in einem Tempel bei Amarapura auf.

Wollte man indessen aus diesen Spuren von Kultur, die man in einigen Städten findet, auf die Kultur des ganzen Landes schließen, so geriethe man in den bei Schätzung asiatischer Reiche so gewöhnlichen Irrthum der Uebertreibung. Wenn man bedenkt, daß die Gegend längs den Ufern des Irawaddy von der See bis nach Awa – eine Strecke von hundert geogr. Meilen – der beste Theil von Birma, zum Theil noch mit Urwäldern bedeckt ist, so sieht man sich genöthigt, die vormalige wie die jetzige Kultur des birmanischen Reichs auf die Städte und deren nächste Umgebungen, oder strenger genommen, auf die jedesmalige Haupt- und Residenzstadt zu beschränken. Die Verlegung der Residenz war immer eine Verpflanzung des Wohlstandes, der Macht und der Bevölkerung des ganzen Reichs. So wird es begreiflich, daß die drei Städte Awa, Amarapura und Sakaing, welche nacheinander Residenzen waren, mit ihren Dependenzen eine Fläche von 283 Q.M. umschließen, während andere Theile des Landes, trotz des trefflichsten Bodens[3], unbebaut geblieben sind.

Awa und Pegu waren ehemals zwei von einander getrennte Reiche, wurden aber in der Mitte des vorigen Jahrhunderts durch den unternehmenden Alompra oder Aloang-Bura vereinigt. Von dieser Zeit an traten die Birmanen als Eroberer auf.

Im Norden dehnten sie sich, durch die Unterwerfung von Mannipur, Kassi, Katschar und Assam, allmählig bis an den Behramputer aus, und wurden dadurch Nachbaren von Bengalen; eben so näherten sie sich den Britten im Westen, auf der Seite von Tschittagong, als König Minderadschi Arrakan besetzte. Im Osten standen ihnen die Chinesen, und im Süden die Siamer im Wege. Zwar wurde eine chinesische Armee von 50,000 Mann, die der Beherrscher des himmlischen Reichs gegen Awa abgeschickt hatte, von ihnen dermaßen empfangen, daß auch nicht ein Mann davon kam; zwar gelang ihnen zuletzt freilich die Eroberung der westlichen Küstenstriche von Siam; es scheint aber doch, jener Sieg habe sie nicht in Versuchung geführt, ihre Waffen gegen China zu richten; und gegen Siam scheiterten noch im Jahr 1824, wo sie den König von Cochinchina zum Bündniß einluden, ihre Entwürfe. So brachte es die Lage der Dinge mit sich, daß ihre Eroberungslust immer wieder die Richtung gegen Norden und Westen nahm, als gegen die Punkte, welche sie als die angreifbarsten kannten.

Beinahe wären die Britten schon 1794 mit den Birmanen in einen Krieg verwickelt worden, als ein birmanisches Corps[4]von 5,000 Mann bei der Verfolgung [286] einiger Seeräuber, die sich über die brittische Grenze geflüchtet hatten, ohne Erlaubniß in Tschittagong einrückte. Der birmanische Befehlshaber erklärte, er würde nicht eher zurückkehren, als bis ihm die Verbrecher sammt und sonders ausgeliefert wären. Eine Armee von 20,000 Mann stand in Arrakan bereit, dieser Forderung Nachdruck zu geben. Dagegen erklärten die Britten, sich auf nichts einzulassen, bis die fremden Truppen ihr Gebiet geräumt hätten. Da sich nun jene zum Abzug und diese zur Auslieferung verstanden, so war für dieß Mal der Friede wieder hergestellt.

Eine fortwährende Ursache zu Reibungen zwischen beiden Reichen waren die Mugs aus Arrakan, welche sich von den Birmanen auf das brittische Gebiet geflüchtet hatten, von wo aus sie sich in Verbindung mit einem Theil ihrer Landsleute, die sich noch in den Gebirgen hielten, durch Ueberfälle und Räubereien an den Verwüstern ihres Landes rächten.

Im Jahr 1818 bedrohte die Britten von Neuem ein Bruch mit Awa. Die Birmanen waren insgeheim der Mahratten-Conförderation beigetreten; aber Hastings hatte ihre Bundesgenossen bereits gedehmüthigt, als die birmanische Gesandtschaft in Calcutta ankam und die Abtretung der östlichen Provinzen Begalens jenseits des Benghâttyflusses mit Einschluß von Mursched-Abad verlangte. Hastings wollte die Sache nicht sogleich auf’s Aeußerste kommen lassen, und bediente sich deshalb folgender List:

„Ich schickte, erzählt er[5], den Gesandten zurück und ließ ihm bedeuten, die Antwort auf das von ihm übergebene Schreiben seines Herrn werde demselben auf einem andern Wege zukommen. Diese Antwort ward nun zur See an den Radscha von Arrakan, den ich ersuchte, sie schleunigst weiter zu befördern. Ich sagte darin, daß ich viel zu gut die Weisheit Seiner Majestät kennte, als daß ich den groben Betrug dessen, der sich für seinen Gesandten ausgegeben, nicht sogleich entdeckt hätte. Ich sende ihm also das in seinem erhabenen Namen fälschlich ausgefertigte Schreiben zurück, und sey überzeugt, daß der Betrüger der verdienten Strafe nicht entgehen werde. So (fügt Hastings hinzu,) vermied ich die Nothwendigkeit, eine freche Beleidigung ahnden zu müssen, da ich voraussah, daß der König, der nun auf seine geheimen Verbündeten nicht mehr rechnen konnte, sich diesen Ausweg gerne gefallen lassen würde.“

Allerdings war ein Aufschub von einigen Jahren gewonnen, aber auch mehr nicht. Denn schon unvermeidlich war der Krieg, als die Birmanen 1822 Assam eroberten, und er hatte faktisch angefangen, als sie 1823–24 zwei Bundesgenossen und Vasallen der Britten, die Radscha’s von Katschar und von Dschentia, angriffen. So erhält die Grenzstreitigkeit wegen des Besitzes der an der Mündung des Naafflusses gelegenen Insel Schapari nur eine untergeordnete Bedeutung, und kann, wenn sie gleich unmittelbar dem Kriege vorausging, nicht als Ursache desselben angesehen werden. Der Naaf bildete nehmlich die Grenze zwischen dem brittischen Tschittagong mit dem birmanischen Artakan; das kaum zwei englische Meilen lange Schapari war als ein elendes unfruchtbares Eiland von keiner von beiden Mächten in Anspruch genommen worden. Im Jahr 1823 schickten die Britten einen Wachtposten dahin, ein Schritt, welchen die Birmanen für eine Verletzung[6] ihres Gebiets erklärten, worauf bald die Feindseligkeiten ausbrachen. Hätten sich, könnte man fragen, die Britten zur Nachgiebigkeit verstehen sollen, hier wo sich seit zwanzig Jahren die Birmanen schon so manche Gebietsverletzung erlaubt hatten, und in dem Augenblick, wo sie die nordöstliche Grenze von Bengalen bedrohten? Den Birmanen war der diplomatische Weg zu fremd, als daß sie darin etwas anderes als Schwäche erblickt hätten, als daß sie nicht in ihrer Siegessicherheit und ihrem Uebermuthe bestärkt worden wären. Noch mehr; die Meinung in Indien von der Unbesiegbarkeit der Britten, die stärkste Stütze ihrer Macht, war erschüttert[7]. Die ausschweifendsten Gerüchte über die Stärke und Wildheit der birmanischen Gruppen waren in Umlauf, und schon der Name „Birmane“ erfüllte die eingeborne Bevölkerung mit Furcht und Schrecken. Die Landleute, die an den Grenzen wohnten, flohen aus ihren Dörfern, und die Kaufleute von Calcutta hielten ihre Familien kaum mehr unter den Kanonen des Forts William für sicher. Die Birmanen selbst glaubten sich des Erfolgs so gewiß, daß Maha Bandula[8], ihr Obergeneral, mit goldnen Ketten versehen war, in welchen der Generalgouverneur von Indien gefangen nach Awa geführt werden sollte.

Die Britten hatten sich in Bezug auf die Schwierigkeiten und den Character des Kriegs getäuscht. Sie kannten Birma und sein Volk zu wenig. Bestochen durch die glänzenden Schilderungen einiger Reisenden, Kaufleute oder Missionäre, versprachen sie sich ein gut angebautes, mit Dörfern und Städten bedecktes Land, sie rechneten auf einen Theil der Bevölkerung, welcher die Invasionsarmee mit offenen Armen aufnehmen und die Verpflegung derselben erleichtern würde. In der bestimmten Voraussetzung, daß der Angriff auf die seeischen Provinzen des Feinds Friedenseröffnungen als nothwendige Folge herbeiführen würde, hatten sie auf der Küste von Pegu gelandet, ohne sich mit Vorkehrungen zum Behuf weiterer Operationen befaßt zu haben. Augenscheinlich war die blos 5–6000 Mann starke Armee des Generals Campbell nicht zu einem Feldzug in das Innere des birmanischen Reichs bestimmt.

Bei der Einnahme von Rangun sank der Thermometer [287] dieser Hoffnungen. Wir hatten, erzählt Major Snodgraß, so lange von Zollhäusern, Schiffswerften und Magazinen gesprochen, bis wir durch unsere Einbildungskraft uns zwar nicht in eine prachtreiche aber doch in eine blühende Handelsstadt versetzt hatten. Aber welche Täuschung! Das Hauptgebäude des Platzes, das Zollhaus, lag in Trümmern; ein einziges Schiffsgerippe auf dem Zimmergerüste bezeichnete die Werfte und ein paar Küstenfahrzeuge und Kähne waren der ganze Schiffzeug in diesem großen indischen Ocean jenseits des Ganges. Die Häuser waren aus Holz oder Bambusrohr; der Fußboden in denselben war wenige Schuh über die Erde erhöht; der darunter leer gelassene Raum diente zum Behälter für ein kothiges Standwasser, aus welchem immerwährend giftige Dünste aufstiegen. Heerden magerer Schweine wälzten sich im Schmutz dieser Behälter und machten bei Tag die Straßen unsicher; bei Nacht wurden sie von ganzen Kuppeln großer Hunde abgelöst, deren unaufhörliches Gebelle jeden Fremden unvermeidlich um den Schlaf brachte. Die Stadt, eine ungeheure Masse von Hütten und Schuppen, eingefaßt mit einer 16–18 Schuh hohen Verpfählung, wodurch alle Aussicht auf den schönen vorbeifließenden Strom verloren geht, fanden wir leer. Der birmanische Befehlshaber hatte die Einwohner den Tag zuvor in die Wälder im Innern abführen lassen; daselbst wurden die Männer den Truppen einverleibt. während die unglücklichen Weiber und Kinder in sicherer Verwahrung blieben, um für das gute Betragen ihrer Väter, Gatten und Brüder zu bürgen. Der Plan der Birmanen, die ganze Gegend in der Fronte der brittischen Armee in eine Wüste zu verwandeln, lag am Tage.

An den Birmanen lernten die Britten einen Menschenschlag kennen, der den Hindus an körperlicher Kraft und kriegerischem Geiste weit überlegen war. Nichts konnte schneidender kontrastiren, als der nackte, derbe, musklige, großgewachsene Birmane neben dem magern, zartgebauten Sipay. Der Birmane ist ein geborner Soldat, sein abgehärteter Körper erträgt jede Strapaze des Kriegs, eine strenge Disciplin regelt seinen durch das Bewußtseyn früherer Siege gestählten Muth. Wie verwunderten sich die Britten, als Maha Bandula in einer Jahreszeit, wo es unmöglich schien, das Feld zu halten, von Ramo aufbrach, und nach einem Marsch von achtzig Stunden über die Gebirge und durch die verpesteten Moräste Arrakan’s plötzlich am Irawaddy erschien. Da waren Meeresarme, Flüsse, Waldströme, denen der wandernde Bandula den Weg abgewinnen mußte. Aber der Birmane, in seinem Wesen ein halbes Amphibium, betrachtet das Wasser ohne Furcht; selten beschwert er sich mit Heerverpflegungssorgen oder mit Gepäck; in einem Sack, der quer über die Schultern hängt, trägt er seinen Reißvorrath für zwei Wochen und ist allezeit bereit, auf die erste Aufforderung seiner Anführer aufzubrechen. Damals verschwand Bandula mit seinem Heer aus Ramo in einer Nacht, ohne einen Kranken zurückgelassen zu haben, oder eine Spur von dem Wege, den er eingeschlagen.

[291] Die Geschichte des zweijährigen birmanischen Kriegs, dieses Kriegs der europäischen Taktik gegen die rohe Kunst der Bambusverschanzungen und die eben so rohe Tapferkeit ihrer Vertheidiger, bietet in der ermüdenden Darstellung einförmiger Details, in der widrigen Aufeinanderfolge blutiger Scenen, nur wenige Erscheinungen dar, die als Beitrag zur Kenntniß des Völkerlebens von allgemeinem Interesse sind.

Der Krieg wurde zu gleicher Zeit auf drei verschiedenen Punkten geführt: in Assam unter General Mac-Morine, in Arrakan unter General Morrison, und im eigentlichen Awa unter Sir Archibald Campbell[9]. Die brittischen Berichte beschäftigen sich fast nur mit dem Feldzuge des letztern: ihm stand die Hauptmacht des Feindes gegenüber, und seinem kühnen und glücklichen Vordringen in’s Herz des birmanischen Reichs verdankte die ostindische Compagnie den erwünschten Frieden. In diesen Berichten zeigt sich eine auffallende Zurückhaltung, namentlich wenn dieselben, wie dieß zuweilen der Fall ist, von brittischen Niederlagen zu handeln haben, wobei die Schuld immer auf die Sipays geworfen wird: es zeigt sich ein alle Grenzen der Wahrscheinlichkeit verletzendes System der Uebertreibung, welche Europa glauben machen möchte, daß es brittischer Tapferkeit möglich gewesen, mit einer Handvoll Leute, beinahe ohne Verlust, die größte Macht Hinterindiens zu brechen. Dieß geht so weit, daß die Britten bei dem großen Angriff des birmanischen Obergenerals auf ihre feste Stellung bei Rangun keinen Mann, weder einen todten noch verwundeten, verloren haben wollen. Wenn sie nun ihren Verlust in einem Krieg, wo sie sich gegen Heere von 60 bis 70,000 Mann schlugen, wo sie, außer den regelmäßigen Festungen, jeden Schritt vorwärts gleichsam im Sturme erobern mußten, nur zu 3000 Mann berechnen, so ist der Rechnungsfehler offenbar[10].

Die Birmanen mit ihren Astrologen[11], welche den Tag des Sieges unfehlbar bestimmen; mit ihren Amazonen[12], welche die feindlichen Kugeln bezaubern; mit ihren Unverwundbaren[13], welche sich blindlings in’s Gefecht stürzen, waren kein verächtlicher Feind: da gewinnt man große Resultate nicht ohne große Opfer. In der That, man bewundert die Standhaftigkeit der Birmanen, die nach Unfällen aller Art, die sie erlitten, nichts vom Frieden hören wollten. Fast ihre sämmtliche Artillerie hatten sie verloren; ihr Versuch gegen die feindliche Flotille, von [292] welcher das Schicksal des Kriegs abhing, war mißlungen; ihr erster Feldherr, Maha Bandula, war in Denubiu von einer Congrev’schen Rakete getödtet worden; diese Festung, so wie Bassein[14], Prome, Martaban, Tavoy, Mergui, Rangpur, Munnipur, Arrikan, kurz, außer ihren Eroberungen im Norden und im Westen, ein großer Theil ihres eigenen Gebiets, befand sich in den Händen der Feinde; da schlossen sie zwar (17. Sept. 1825) den Waffenstillstand zu Miaday; statt aber mit den Britten in Unterhandlungen zu treten, erließen sie folgende Note an sie: „Wollt ihr Frieden, so geht; begehrt ihr Geld oder Land, so kann keine Freundschaft zwischen uns seyn; dieß ist Art der Birmanen.“

Den Britten blieb jetzt nichts übrig, als auf Awa zu marschiren. Die Eingebornen, die sich allmälig in ihren zerstörten Wohnungen wieder einfanden, erboten sich freiwillig zu Hülfeleistungen beim Transport der Artillerie; eine Anzahl Pegu’scher Klepper diente zum schnellern Fortkommen der Mannschaft. Aber aus der furchtbar verheerten Gegend, die einst so reich an allen Genüssen des Lebens gewesen, konnte man kaum zuweilen den Mundbedarf eines Tages beziehen, und die Nässe auf dem Marsch durch das 15–20 Fuß hohe Elephantengras, verursachte, daß fortwährend die Cholera ausbrach. Es war, als ob der Weg stets über das Schlachtfeld ginge: überall Scenen des Todes und des Elends. Kam man hin und wieder zu einer kleinen weißen Pagode, so sah man frisch gemachte Gräber, die Ruhestätten angesehener Männer bezeichnend welche durch die wilde Flucht um die Ehre des Holzstoßes gebracht worden waren. An den Ufern und in dem benachbarten Gesträuch war alles voll von Hunden und Geiern, welche der verpestete Leichengeruch herbeigezogen; manchmal lag ein Hund winselnd auf einem frisch gemachten Grab, oder hielt an der Seite seines noch athmenden Herrn Wache. Als ob das Maß der Schrecken noch nicht voll genug gewesen, fand man häufige Galgen am Weg, an deren jedem die modernden Reste von drei bis vier Gekreuzigten hiengen, Opfer dieser grausamen Strafe vielleicht blos deswegen, weil sie sich von ihrem Posten entfernt, um Essen zu holen, oder weil sie der Neigung zum Frieden verdächtig waren.

[294] Nach dem Falle von Melaun (der dort abgeschlossene Traktat war von Seiner goldfüßigen Majestät nicht ratificirt worden) versuchten die Birmanen zum letzten Male das Glück der Schlacht. Eine neu ausgehobene Armee von 4000 Mann, beehrt mit dem Namen Gong-tu-du, das heißt Wiederherstellerin des königlichen Ruhmes, unter dem Befehl eines wilden Kriegers, Ni-wun-brin,[15] der den Ki-Wondschi oder ersten Minister im Commando abgelöst hatte, erwartete die Britten in der Nähe von Pagahm-miu. In Form eines umgekehrten Halbmondes aufgestellt bedrohten die Birmanen das kleine brittische Corps, das keine 2000 Streiter mehr zählte, auf beiden Flanken; demungeachtet gieng dieses furchtlos auf das Centrum los, und durchbrach es in einem Augenblick; die zersprengten Flügel zogen sich auf eine zweite Linie von Redouten unter den Wällen der Stadt zurück: auch hier wurden sie geworfen; fast die ganze Armee löste sich auf; viele, die sich über den Fluß retten wollten, ertranken; Ni-wun-brin selbst wurde, als er in Awa erschien, auf Befehl des Königs grausam hingerichtet. Dieß war das Ende des Kriegs. Denn am Abend des 19. Febr. 1826 erschien der amerikanische Missionär Dr. Price[16] im brittischen Lager, mit der Botschaft, daß die Friedensbedingungen angenommen seyen; aber er hatte weder Gefangene noch Geld bei sich, dagegen brachte er die Bitte vor, daß man es zufrieden seyn möchte, sich vor’s erste statt 25 blos 6 Lak Rupien und den Rest in Prome auszahlen zu lassen.

Dieser Vorschlag wurde verworfen und der Marsch fortgesetzt. Die Schwierigkeiten in Bezug auf Verproviantirung schienen jetzt überwunden.

Die Gegend von Pagahm-miu bis Awa ist eine weite herrliche Ebene, das feinste Gartenland, vom Irawaddy bewässert, mit dazwischen liegenden immer grünen Wäldern, nur eben groß genug, um die Lieblichkeit und Mannigfaltigkeit der Scene zu erhöhen. Die Ufer des Stroms sind mit Dörfern, Pagoden und Klöstern besät, so daß ein Blick des Auges auf alle Reize einer reichgeschmückten Natur, auf alle Schönheiten einer bevölkerten und fruchtbaren Landschaft fällt. In Yandabu, ungefähr 18 Stunden von Awa, traf die Armee den Missionär Price und zwei Staatsmininster, welche die Gefangenen und 25 Lack Rupien mitbrachten. Die Abgeordneten erklärten sich bevollmächtigt, ohne Vorbehalt der Regierung, den Frieden auf die Bedingungen des Siegers abzuschließen. Am 24. Febr. wurde der Friede definitiv unterzeichnet und die birmanische Regierung machte sich zugleich verbindlich, Boote für den Transport eines großen Theils der Armee nach Rangun zu liefern. Man kann sich vorstellen, daß die Britten einiges Bedauern fühlten, als sie der goldenen Stadt den Rücken wieder zuwandten. Ohne Zweifel wäre Awa gefallen und dadurch eine ansehnliche Beute dem Sieger zu Theil geworden. Aber man hätte die Früchte der ganzen Unternehmung aufs Spiel gesetzt. Denn daß der König [295] und seine Minister dann noch an Friedensunterhandlungen gedacht hätten, war nicht wahrscheinlich, und der Ruhm, eine Hauptstadt bezwungen zu haben, hätte sich vielleicht auf den Besitz des leeren Raums innerhalb ihrer Mauern reduzirt.

In mehr als einer Hinsicht ist der zu Yandabu abgeschlossene Friede als vortheilhaft für die Britten anzusehen. Die Bezahlung einer Million Pf. Sterling und die Abtretung eines Drittheils des birmanischen Reichs[17] muß für den Augenblick dem brittischen Namen einen Glanz geben und ihn im südlichen Asien furchtbar machen. Wäre hingegen der Krieg noch einige Zeit fortgesetzt worden, so würden wahrscheinlich mehrere hindustanische Fürsten diese Gelegenheit zu einem Aufstande benützt haben, da die Britten, im Osten beschäftigt, ihnen keinen sehr kräftigen Widerstand hätten entgegen setzen können, so daß vielleicht ein Feuer ausgebrochen wäre, das unwiderstehlich um sich greifend, wie ein Grasbrand im Steppenlande, ganz Indien in Flammen gesetzt hätte.

Was aber den Nutzen der gewonnenen Provinzen betrifft, so ist derselbe äußerst gering, denn man findet hier nicht wie in der Gegend von Awa, die an trefflichem Weizen, Gemüsen, Zuckerrohr, Tabak, Indigo, Baumwolle und tropischen Früchten aller Art reichen Ebenen und Thäler; nicht jene Gold- und Silbergruben, jene Rubin- und Saphirminen, vielleicht die ergiebigsten der Welt; nicht jene goldführenden Bergströme, die herrlichen Marmorbrüche, die den italienischen nichts nachgeben, kurz nicht jene eigentlichen Fundgruben der Schätze des goldenen Reichs.

Assam, das dem Namen nach seiner alten Fürstenfamilie wiedergegeben ist, wird dadurch eine Provinz der ostindischen Compagnie, weil sie gezwungen ist, dieses Land durch Garnisonen gegen die Birmanen zu schützen. Entvölkert und unergiebig, wie es ist, würde dieß Reich nicht für sich selbst bestehen können. Die Britten haben also dort nichts erbeutet als Berge, Wälder, Gestrüppe und Sümpfe.

In Munnipur ist zwar Gumbhir Sing als Radscha wieder eingesetzt und seine Abhängigkeit von den Britten ist unbezweifelt; aber sein ganzes Gebiet ist eine so vollkommene Wildniß, daß der Marsch brittischer Truppen durch dasselbe gegen Awa unmöglich zu seyn scheint.

Arrakan, das Grab der Armee des Generals Morrison, ist ein mit undurchdringlichen Wäldern und Buschwerk überdecktes und so von Strömen durchschnittenes und beständig überschwemmtes Land, daß die meisten seiner Dörfer nur zu Wasser mit einander verkehren. Die Bevölkerung ist äußerst gering; das einzige Produkt Salz. Das Gebirge Yomadaung oder Anomektaupian bildet zwar eine vollkommen gute Grenze gegen die Besitzungen der Birmanen, aber dieser geringe Vortheil steht in keinem Verhältniß zu den bedeutenden Unkosten, welche die Occupation von Arrakan der Compagnie verursachen muß.

Mehr können sich die Britten von den Provinzen Tenasserim, Yih, Tavoy und Martaban versprechen, deren Besitz ihnen eine freie Verbindung mit Siam und der malaïschen Halbinsel eröffnet und für den Flor der neuen Pflanzstadt Sincapur die besten Aussichten gibt. An dem Ausflusse des Thanluayn-Myit haben sie die Stadt Amhersttown gegründet, die bereits in Aufnahme kommt. Auch liefern die Ufer dieses Stroms den Teakbaum, den Herrscher der Wälder, der an Brauchbarkeit für den Schiffbau die Eiche übertrifft, so daß kein Land, wo er wächst, der brittischen Eifersucht entgeht. Die Trefflichkeit dieses Holzes erwies sich kürzlich in der Schlacht bei Navarin an der Asia, welche, obgleich von Kugeln durchbohrt, dennoch nicht sank, weil die Elasticität des Teakholes macht, dass sich jedes Loch, wo eine Kugel durchschlägt, gleich von selbst wieder schließt.


  1. Calcutta Government Gazette vom 1. März 1827.
  2. hier sah der Verfasser von „Two years in Ava, from May 1824 to May 1826 London 1827“ zwei ungeheure, mehr als 200 Fuß hohe Massen von Backsteinen, die ganz die Form der alten hindustanischen religiösen Gebäude hatten. An die Entstehung der nun in Trümmern liegenden Stadt knüpft sich dieselbe Sage, die Virgil von der Gründung Carthago’s erzählt.
  3. Reisende, welche solche Distrikte zum Maßstab nahmen, mußten natürlich die Bevölkerung weit überschätzen. Die 17 Millionen des Majors Somes, des ersten Engländers, den die bengalische Regierung 1795 nach Amarapura schickte, werden nunmehr auf 5–6 Millionen reduzirt.
  4. Man sehe The political history of India from 1784 to 1823. By Major-General Sir John Malcolm. London 1826 Tom. I., pag. 540 folgg.
  5. Man sehe Lord Hastings Memoir.
  6. Den Ansprüchen der Britten auf Schapari entgegnend behaupteten die Birmanen, daß die Insel wenige Jahre zuvor in ihrem Besitz gewesen sey, in sofern sie für das Weiderecht darauf von den benachbarten Küstenbewohnern Abgaben erhoben hätten. In der That, wenn man bedenkt, daß auf allen Charten von Indien, namentlich auf den Arrowsmith’schen und Walker’schen, zu welchen die ostindische Compagnie selbst Materialien geliefert hatte, die Grenze der brittischen Provinz Tschittagong nie ganz bis zum Naaf, sondern nicht weiter als bis zur Südseite von Cox Bazer, 45 engl. Meilen nordwärts von jenem Flusse, sich erstreckt, so ist freilich das Recht der Britten auf Schapari höchst problematisch.
  7. Man sehe Narrative of the Burmese war. By Major Snodgrass, London 1827.
  8. Das heißt der Große, dessen Bewegungen so schnell sind, wie die eines Affen.
  9. Die Unternehmungen gegen die Iseln Ramri und Tscheduba, so wie gegen die auf der Südseite des Meerbusens von Martaban gelegenen Provinzen Yih und Tenasserim sind bloß Nebenakte.
  10. Man erinnere sich der Niederlage des Generals Cotton bei Denubiu, der verunglückten Angriffe auf Dudpatlian, auf Keyklu, auf Wattygaon und zuletzt auf Sittân; bei solchen Veranlassungen kam ein paar Mal der Fall vor, daß ein detaschirtes Korps zur Hälfte aufgerieben wurde. Indessen ist immerhin der Verlust in den Spitälern zu Rangun (hier allein starben 2,000 Europäer und 5,000 Sipays), zu Prome und zu Arrakan bei weitem größer als der auf dem Schlachtfelde.
  11. Wie ihre civilisirten Nachbaren, die Chinesen, zogen sie bei jeder Unternehmung von Bedeutung die Sternseher zu Rathe: fällt ihre Weisung günstig aus, desto besser für den Kredit der Astrologie; wo nicht, so sind nicht sie, sondern die Sterne Schuld. Der Mond ist der herrschende Planet im birmanischen Horoscop.
  12. Junge und schöne Damen von hohem Range aus dem Volke der Schans, die an der chinesischen Grenze wohnen. In der Schlacht vom 1. und 2. Dec. 1825 bei Ssimbike und Nayadi, welche die 70,000 Mann starke birmanische Armee, angeführt von Maha Nemiabu, verlor, kommen sie vor.
  13. Das Korps der königlichen Unverwundbaren, die Elite der Armee, bestand aus mehreren tausend Mann. Sie zeichneten sich durch den kurzen Schnitt ihrer Haare und durch die Art aus, wie sie sich tättowiren, indem sie Figuren von Elephanten, Tigern und andern wilden Thieren auf Arme und Schenkel eingegraben haben, Figuren, die nicht nur unvertilgbar, sondern sogar nicht selten schön sind. Den brittischen Soldaten waren sie dadurch bekannt, daß sie Stückchen von Gold oder Silber, manchmal Edelstein, an ihren Armen hatten, die wahrscheinlich in einem frühern Alter unter die Haut gebracht worden waren. Die Unverwundbarkeit der Tollkühnen fand bei ihrem nächtlichen Angriffe am 30. Agust 1824 auf die große Pagode Schudagon bei Kemmendiwe eine tüchtige Widerlegung. Diese Pagode hat die Form eines umgekehrten Sprachrohres; ihre Höhe beträgt 338 Fuß, die Höhe der mit Kupfer bedeckten und reich vergoldeten Kuppel 45 Fuß; die Britten benutzten die Pagoden, deren es aller Orten viele giebt, gewöhnlich zu festen Anlehnungspunkten. Hier wurde am 1. Dec. Maha Bandula auf’s Haupt geschlagen.
  14. Die Britten erbeuteten in den eroberten Plätzen eine Menge Kanonen, z. B. in Denubiu 140, in Prome 100, in Bassein 101, im Martaban 116, in Mergui 143, in Tavoy 167 Stück.
  15. Fürst der Finsterniß oder der untergehenden Sonne, nach Andern König der Unterwelt.
  16. Er war mit allen Fremden, die sich in Awa befanden, beim Anfang des Kriegs verhaftet worden; jetzt bediente man sich seiner als Unterhändler.
  17. Der König von Awa entsagte allen Ansprüchen auf Assam, Dschentia und Katscha; er erkannte Gumbhir-Sing, den von den Britten begünstigten Usurpator, als Radscha von Munnipur an; er trat ganz Arrikan, mit Ramri, Scheduba und Ssindowei, so wie die Provinzen von Yih, Mergui und Tenasserim nebst Dependenzen ab; endlich machte er sich anheischig, einen brittischen Geschäftsträger mit einer Bedeckung von 50 Mann an seinem Hofe anzunehmen.

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