Vereinigte Farbenfabriken von Berger & Wirth und Frey & Sening, Leipzig-Schönefeld
[Ξ]
Leipzig-Schönefeld.
Die ersten, allerdings unverbürgten Nachrichten über die in Leipzig gewerbsmäßig betriebene Fabrikation von Buchdruckfarbe weisen auf das Jahr 1823 zurück. Doch erst einige Zeit später, von 1836 ab, datieren authentische Mitteilungen über die Anfänge von Berger & Wirth, der älteren der obigen beiden vereinigten Firmen. In diesem Jahre übernahm Gottlob Adolf Meyer eine bereits bestehende Buchdruckfarbenfabrik und führte sie unter der Firma G. A. Meyer weiter. Dieselbe ging Ende der dreißiger Jahre an Johann Christian Lücke, nach wenigen Jahren dann an Göhring & Böhme und 1849 an G. Hardegen über. Anfangs der 50er Jahre baute dieser, nachdem die Fabrikation bis dahin in gemieteten Räumen, zuletzt in der „Nonnenmühle“, betrieben worden war, auf dem damals noch freien Areale zwischen Karolinenstraße und Windmühlenweg eine Rußbrennerei, der dann bald eine Firniskocherei und ein Fabrikgebäude für Reibmaschinen folgten.
Die Hardegensche Fabrik erhielt einen sehr raschen Aufschwung, als der Leipziger Rat die den Buchdruckern erteilte Konzession, auf dem Glockenplatze ihren Firnis kochen zu dürfen, zurückzog. Sie, die bisher noch auf altfränkische Manier sich ihre Farbe selbst herstellten, waren nunmehr gezwungen, entweder mit großer Umständlichkeit dies außerhalb der Stadt zu thun, oder ihre Farbe zu kaufen.
Im Jahre 1874 verkaufte Hardegen sein Etablissement an Emil Berger, im Jahre 1879 starb dieser, und dasselbe ging nunmehr an seine Witwe über, die es zunächst in Gemeinschaft mit ihrem noch unmündigen Sohne Paul Berger weiterführte. Am 1. Oktober 1880 trat Viktor Wirth, der eine 20-jährige Praxis in der Farbenbranche hinter sich hatte, als Associé ein, und so entstand die nachmalige Firma Berger & Wirth. Viktor Wirth schied vier Jahre später aus der Firma wieder aus und an seine Stelle trat Robert Waldbaur, der Schwiegersohn der Frau verw. Berger, und 1887 trat dann die Genannte noch ihren Anteil vom Geschäft an ihren zweiten Schwiegersohn Emil Worlitzer ab.
[Ξ] Im Jahre 1890 endlich fand die Vereinigung mit der bisherigen Konkurrenz-Firma Frey & Sening in Leipzig-Eutritzsch statt. Dr. Heinrich Frey, der eine Mitbesitzer, hatte sich aus Gesundheitsrücksichten zurückgezogen; infolgedessen ließ sich der nunmehrige alleinige Besitzer, Otto Sening, bereit finden, sein Etablissement zu verkaufen.
Durch die Vereinigung zweier gleichwertiger Rivalen entstand eine Farbenfabrik ersten Ranges, die jetzt Weltruf besitzt, deren Werkstätten ein Areal von 7000 □m bedecken und die über eine Gesamtfläche von 22 000 □m Grundbesitz verfügt.
Bis zum Jahre 1880 hatte sich die alte Firma Berger & Wirth auf die Fabrikation von schwarzen Farben beschränkt, nunmehr aber auch begonnen, angeriebene bunte Buch- und Steindruckfarben herzustellen; gleichzeitig wurde auch die Fabrikation von Walzenmasse aufgenommen. Im Jahre 1885 kam dann noch die Fabrikation von trockenen bunten Farben hinzu, die sich überraschend schnell zur Blüte entwickelte. Nicht lange dauerte es und das alte Etablissement war trotz mehrfacher An- und Umbauten zu klein geworden. Es mußte an einen Neubau gedacht werden, der auf Schönefelder Flur errichtet und im Jahre 1890 bezogen wurde.
Die vereinigten Farbenfabriken von Berger & Wirth und Frey & Sening stellen zur Zeit ein Welthaus ersten Ranges vor, dessen Absatzgebiet die ganze Welt bildet, und besitzen Filialen in Berlin, Florenz, Moskau, London und New-York. Als Spezialität produzieren sie jetzt schwarze und bunte Farben für Buch-, Stein-, Kupfer-, Lichtdruck etc., sowie die Walzenmasse „Victoria“ und „Bianca“. Über 100 Arbeiter sind in ihren Werkstätten beschäftigt, welche letztere von fünf Dampfmaschinen mit zusammen etwa 150 Pferdekräften in Betrieb gesetzt werden.
Ein Gang durch ihre Etablissements gleicht einer Tagereise durch die verschiedensten Gebiete der Technik. Firnissiedereien, Ölraffinerien, Ölruß- und Gasrußbrennereien, eine eigene Ölgasanstalt, Reibmaschinensäle für schwarze und bunte Farben, Wasser-Reinigungsanlagen, ausgedehnte Räumlichkeiten für die Fabrikation der trockenen bunten Farben, Trockenräume, eine Kocherei für Walzenmasse, große vielseitige Niederlagsräume und, last not least zwei chemische Laboratorien – das alles ist zu einem organischen Ganzen vereinigt. Außerdem besitzt die Firma noch eine eigene Schlosserei mit mechanischer Werkstätte, Böttcherei, Tischlerei und Klempnerei. Auch sei noch bemerkt, daß eine Versuchsdruckerei vorhanden ist, welche jederzeit eine praktische Prüfung der aus der Fabrikation kommenden Farben ermöglicht.
Die technischen Einrichtungen sind das Vorzüglichste, was sich denken läßt. Denselben ebenbürtig sind die Einrichtungen für die Arbeiter: Garderobe, Speisesaal, Badeanstalt, eine Kantine, Sanitätsinstrumente für Unfälle etc. Überaus zahlreich ist auch das kaufmännische Personal. Die Firma verkehrt mit ihrer über den ganzen Erdkreis sich erstreckenden Kundschaft nur durch eigene Reisende und Agenten.
Die vereinigten Farbenfabriken von Berger & Wirth und Frey & Sening haben seit 1854, wo Hardegen in London ausstellte, prinzipiell keine Ausstellungen beschickt. Nur zweimal wurde eine Ausnahme gemacht: 1889 in Melbourne, wo ihnen der erste Preis und 1891 in Palermo, wo ihnen die goldene Medaille zuteil wurde.