Velazquez
[385] Velazquez. (Zu dem Bilde S. 357 und unserer Kunstbeilage.) Die Blüte der Malerei im 17. Jahrhundert, welche in Holland durch Rembrandt, in Belgien durch Rubens ihren höchsten Ausdruck fand, ward in Spanien durch Velazquez herbeigeführt. Mit berechtigtem Stolz wird nun dort im Juni d. J. der dreihundertste Geburtstag des großen Malers begangen, dessen Name am 6. Juni 1599 in das Taufregister der Pfarrkirche S. Pedro zu Sevilla eingetragen ward.
Don Diego Rodriguez de Silva Velazquez gehörte einem alten ritterlichen Geschlecht an; seine Eltern gaben ihm eine gute Erziehung und setzten seinem Wunsche, Maler zu werden, keinen Widerstand entgegen. Sein erster Lehrer war Francisco de Herrera, ein unbedeutender, dabei verdrossener Mann, bei dem es der Schüler nicht lange aushielt. Auch sein zweiter Lehrer, der kunstgelehrte Maler Francisco Pacheco, war von geringem Einfluß auf ihn; derselbe hielt ihn an, in der Nachahmung der großen italienischen Meister des vorausgegangenen Jahrhunderts die Meisterschaft zu erringen, während der junge Velazquez am liebsten nach der Natur zeichnete und malte. Seine ersten Bilder waren Studien nach der Wirklichkeit des Sevillaner Volkslebens. Doch blieb er Pachecos Schüler fünf Jahre, 1618 heiratete er dessen Tochter Juana. – Der Regierungswechsel, der 1621 den sechzehnjährigen Philipp IV auf den spanischen Königsthron brachte, veranlaßte Velazquez, nach Madrid zu gehen, um am dortigen Hofe sein Glück zu suchen. Er gewann hier die Gunst des mächtigen Grafen von Olivares, der später als Minister den jungen König völlig beherrschte, und gleich das erste Bild, das Velazquez für den König malte, ein Reiterbild desselben, befriedigte diesen dermaßen, daß er den jungen Künstler zum dauernden Aufenthalt in Madrid einlud. Seine förmliche Anstellung als Hofmaler erfolgte 1632; er erhielt zugleich ein Atelier im königlichen Schlosse, wo ihn der König, der ihn sehr liebgewann, fast täglich besuchte. Bald erregte seine Bevorzugung den Neid der Italiener Carduccio, Nardi und Caxesi, welche schon vor ihm den Rang von Hofmalern hatten. Da er andauernd als Bildnismaler beschäftigt war, sagten sie ihm nach, er könne nur Köpfe malen. Um Velazquez Gelegenheit zu geben, sich auch als Historienmaler zu zeigen, veranstaltete der König einen [386] Wettkampf zwischen den vier Malern. Den Gegenstand des Gemäldes, das jeder in gleicher Größe auszuführen hatte, sollte die unter Philipps Vater 1609 erfolgte Vertreibung der letzten Mauren aus Spanien bilden. Velazquez ging aus dem Wettkampf als Sieger hervor. Aber trotz dieses Triumphs, dem auch solche auf dem Gebiete der Heiligenmalerei folgten, blieb sein Hauptfach die Porträtmalerei.
Was ihm damals die Bewunderung des Königs und des Hofs vor allem eintrug, war neben der großen Aehnlichkeit seiner Bildnisse die schlichte Großartigkeit, mit der er in ihnen den spanischen Würdebegriff zum Ausdruck brachte. Die hohe Bedeutung, welche diesen Bildern gerade heute von vielen der bedeutendsten Malern eingeräumt wird, gründet sich dagegen auf die wunderbare Naturtreue in der kraftvollen Farbengebung, welche erreicht zeigt, was diese erstreben. Es ist bezeichnend für des Meisters Art, daß sein erster Aufenthalt in Rom im Jahre 1629 ihm zum Anlaß wurde, Landschaftsbilder nach der Natur zu malen. In Rom, wo ihm Kardinal Barberini ein Atelier im Vatikan anwies, während er in der Villa Medici wohnte, malte er auch sein Selbstporträt, das, in wenig Farbentönen kräftig hingestrichen, eine ungemein lebendige Wirkung ausübt. Wir geben dasselbe auf Seite 357 in Holzschnitt wieder; das Original befindet sich in der Kapitolinischen Gemäldesammlung. Nach seiner Rückkehr nach Madrid entstand jene Reihe von Bildnissen, welche den König, Prinzen und Granden in freier Luft darstellen; es waren meist Reiter- und Jägerbildnisse, was ihrer Bestimmung entsprach, die Säle des königlichen Jagdhauses im Wildpark von Prado zu schmücken. Als die Krone dieser Bilder wird mit Recht dasjenige des Prinzen Don Baltasar Carlos bezeichnet; es bildet den Gegenstand unserer Kunstbeilage. Der sattelfeste kleine Reiter sprengt im Galopp auf einem andalusischen Pony daher. Er trägt eine Jacke von Goldbrokat mit grünem, goldgesticktem Aermelaufschlag, Kollett und Beinkleid von dunkelgrünem, mit Gold verziertem Stoff, schwarzen Hut mit schwarzem Ausputz, Stiefel und Handschuhe von hellbraunem Leder. Wie ein künftiger Feldherr, so führt H. Knackfuß in seiner Schilderung des Gemäldes fort, der wir diese Farbenangaben entnehmen, trägt er eine Schärpe, rosenrot mit Goldfransen, und schwingt einen Kommandostab in der Rechten. Das feiste Pferdchen ist ein Rotschimmel mit braunem Kopf und schwarzen Füßen; Schweif und Mähne sind dunkel und sehr dicht und lang, wie man es damals als unentbehrliches Schönheitserfordernis eines edlen spanischen Pferdes ansah. Sattel und Zaumzeug sind mit Goldstoff überzogen, die Metallteile des Geschirrs vergoldet.
Die Gunst, die Velazquez für solche Leistungen bei König Philipp genoß, bürdete ihm leider in seinen späteren Jahren manche Ehrenämter auf, die ihn in seinen künstlerischen Arbeiten beschränkten. Als der König 1647 den Umbau des alten Königsschlosses in Madrid in Angriff nahm, wurde der Maler mit der Aufgabe betraut, nach dem Muster der Tribuna im Uffizienpalast zu Florenz einen Saal einzurichten, der nur die auserlesensten Werke der Kunst aufnehmen sollte. Der Ankauf solcher Werke bot den Anlaß zu einer zweiten Reise nach Rom. Diesmal konnte er zwar den Papst Innocenz X porträtieren, aber sonst kam er über seinen Geschäften wenig zum Malen. Noch weniger Muße behielt er nach seiner Ernennung zum Schloßmarschall (1652). Als solcher hatte er die Oberaufsicht über des Königs Gemächer; er führte einen Schlüssel, der alle Thüren öffnete, und mußte in dem Palaste, den der König gerade bewohnte, stets zugegen sein. Im Frühjahr 1660 trat König Philipp mit großem Gefolge eine Reise in die Pyrenäen zu einem Stelldichein mit dem König von Frankreich an; den Anlaß bildete die Verlobung der Infantin Maria Teresa mit Ludwig XIV. Velazquez hatte die Aufgabe, dem König vorauszureisen und ihm in Städten und Burgen die Wohnung zu bereiten. Die Zusammenkunft fand auf einer kleinen Insel in dem Grenzfluß Bidassoa statt, wo Velazquez in aller Eile ein Gebäude errichtet und glänzend ausgestattet hatte. Nicht minder anspruchsvoll für ihn waren die nun folgenden Feste. Die Ueberanstrengnng zog dem Künstler eine schwere Erkrankung zu, welcher er am 6. August erlag. Der tief erschütterte Fürst ließ ihn mit den höchsten Ehren bestatten. Nur wenig Bilder des großen Malers finden sich in den Galerien außerhalb Spaniens; die Mehrzahl derselben bildet den Stolz des königlichen Museums im Prado, wo sich auch das Original unserer Kunstbeilage befindet.