Unter Tannen und Farren

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Titel: Unter Tannen und Farren
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aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 66
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[66] Unter Tannen und Farren. Das liebliche Thüringen hat viele eifrige Verehrer. Wiederum hat August Trinius, der Verfasser eines größeren Werkes über jenes Land, ihm ein begeistertes Loblied angestimmt in einer kleinen Schrift, welche den obigen Titel führt und „Skizzen aus dem Thüringer Wald“ enthält (Berlin, Hans Lüstenöder). Es ist darin ein herzlicher warmer Ton angeschlagen; die Schilderungen haben etwas Anheimelndes, manche gemahnen wie stimmungsvolle Lieder in Prosa. Einiges von dem, was der Verfasser eingehend schildert, ist den Lesern der „Gartenlaube“ nicht fremd. Besonders was er über die Thüringische Puppenindustrie sagt, ist denselben aus dem Aufsatz „Aus den Geheimnissen der Puppentoilette“ (Jahrgang 1888, S. 15) großentheils bekannt. Unser Blatt ist ja auch seit allen Zeiten in jenen Gegenden besonders heimisch, und wo Trinius ein Stillleben aus Hildburghausen schildert, erwähnt er nicht nur den traulichen Sitz am Hause, von Pfeifenkraut und Geißblatt überwuchert und mit den Lieblingsblumen der Hausfrau umstellt, sondern auch die „Gartenlaube" im gelben Umschlage, die auf dem Tische neben dem blinkenden Kaffeegeschirr am Morgen zwischen Handarbeiten und dem Schlüsselkorbe liegt.

Der Verfasser wandert in das Frankenland hinüber über den Rennstieg, der für die meisten norddeutschen Touristen die Grenze ihrer Wanderschaft bildet. Und dies Franken schildert er als ein schönes, ein glückliches Land voll lachender Anmuth, ein fröhliches, sangeslustiges Land:

„Und wenn die Menschen verstummen, dann trillert’s und rollt’s und lockt’s von allen Fenstern herab, aus jedem Hause, aus den tausendfachen Kehlen einer befiederten Sängerwelt. Wohl sind die Zeiten vorüber, wo manch’ unbemittelter Waldbewohner seine beste Kuh für einen Edelfinken hingab, die Leidenschaft mäßigte sich eben zur Liebhaberei, aber noch heute tritt der Fabrikarbeiter in der Werkstatt jenseit des Rennstiegs am Montag Morgen mit dem Käfig unterm Arm zur Arbeit an, um während der Woche seinem Liebling vor sich draußen am Fenster ein Plätzchen einzuräumen und stillvergnügt ihm zuzulauschen. Zu der Liebhaberei der Vögel gesellt sich noch ein schöner Kultus der Blumen. Wie oft erblickt man ein niedriges Schubfensterchen mit blinden Scheiben, vom Sturm halb zerschlagen, aber blühende Nelken grüßen freundlich dahinter und im Bauer zwitschert ein leichtsinniges Kind des grünen Waldes. Nelken, Levkojen und Rosmarin stehen überall in hohen Ehren.“

Auch mancherlei geschichtliche Kunde, namentlich von den Burgen der Grafschaft Hennegau, berichtet Trinius und manche Sage erzählt er z. B. aus dem industriereichen Lautergrund, in welchem das „lustige Suhl“, das deutsche Damaskus mit seinen Waffenfabriken, sich ausbreitet. Dort, wo nahe der Schmücke, tausend Fuß jäh herunter, an der Lauter das Dorf Goldlauter liegt mit seinen rothen Dächern, da erzählt man sich in den Spinnstuben eine alte Geschichte:

„Die Hochzeitglocken klangen durch Goldlauter und drüben in einem kleinen Hause stand im bräutlichen Schmuck, den Kranz im Haar, die Schönste des Dorfes, welche nun bald dem ungeliebten, ihr aufgedrungenen Mann folgen sollte. Da kam ein Weh über sie und heiße Thränen entfielen ihren Augen. Als nun die Glocken zum zweiten Male läuteten und auf dem Hausflur der lärmende Troß der geladenen Gäste und dazwischen die triumphierende Stimme des Bräutigams laut wurden, da schlich sie sacht aus der Hinterthür in den anstoßenden Garten, um noch einmal Abschied zu nehmen von all den stillen Zeugen ihrer frohen Jugend. Und siehe da – ein freundlicher Mann trat ihr entgegen und faßte sie sanft bei der Hand und willenlos ließ sie sich leiten, von Blume zu Blume, von Garten zu Garten. Und als der Abend sich ins Thal senkte, da standen sie wieder an der Gartenthür des elterlichen Hauses. Sie aber wandte sich noch einmal um und erblickte jetzt eine hohe, hehre Lichtgestalt, welche mit der Hand freundlich winkte und dann verschwand. Sie pochte nun an die Thür; fremde Gesichter zeigten sich; sie ging herab ins Dorf, frug hier und sprach dort ein. Niemand kannte sie, niemand vermochte Auskunft zu geben, und als man endlich die alten Kirchenbücher nachschlug, siehe, da waren hundert Jahre seit jenem Tage vergangen. Da wußte sie, daß es der Heiland gewesen sei, welcher ihr erschienen, und sie sank lächelnd tot darnieder. So hat man sie begraben, im zerknitterten Brautkleide und auf dem Silberhaar die welke Myrthenkrone.“ †