Unsere litterarischen Beziehungen zu Holland
[675] Unsere litterarischen Beziehungen zu Holland haben wir kürzlich in einem kleinen Artikel auf Seite 323 unter dem Titel „Litterarisches Freibeuterthum“ gekennzeichnet. Wir haben dort die Thatsache berühren müssen, daß von dem Romane „Flammenzeichen“ von E. Werner, lange ehe er vollendet vorlag, in Holland bereits drei unerlaubte Uebersetzungen und zwar schlechte Uebersetzungen erschienen. Es will uns scheinen, als ob den Holländern nun doch selbst das Gewissen schlüge über diese Art von „Aufnahme der deutschen Kultur“. Wenigstens können wir nur so eine Auslassung verstehen, welche sich in dem „Arnhemschen Courant“ findet. Ins Deutsche übersetzt, lautet die Auslassung des holländischen Blattes folgendermaßen:
„Schon öfters ist darüber geklagt worden, daß deutsche Verleger freiweg holländische Romane ohne Nennung des Verfassers übersetzen und dieselben für sich oder in Zeitschriften herausgeben. Daß sie dafür den niederländischen Schriftstellern kein Honorar bezahlen und auch nicht um ihre Erlaubniß fragen, ist so schlimm nicht. Das Honorar würde doch nicht viel zu bedeuten haben, und wer würde wohl die Erlaubniß verweigern, wenn es sich mit eine Auszeichnung handelt Aber der Name könnte doch wenigstens genannt werden!
„Jetzt sehen wir aber zu unserer größten Verwunderung, wie eine deutsche Schriftstellerin, die auch in unserem Lande nur lobend genannt wird, ihren eigenen Namen über einen Roman stellt welcher wörtlich in der Zeitschrift ‚Nederland‘ steht, die laut Titelblatt ‚nur Originalbeiträge von niederländischen Schriftstellern‘ enthält. In ‚Onkel Leos Verlobungsring‘ giebt Fräulein W. Heimburg Wort für Wort den Inhalt von ‚Uit de nalatenschap van oom Frederick‘ von J. Kunst wieder, welche Geschichte in ‚Nederland‘ zu lesen ist. Nur die Namen der Personen sind geändert, Leo heißt Friedrich, Helena von Roland heißt Mina Visser etc.
„Das Unerhörte bei der Sache ist aber das: während Herr J. Kunst seine Novelle in die Mailieferung 1890 von ‚Nederland‘ aufnehmen ließ, hat Fräulein Heimburg die Unverschämtheit gehabt, ihr Plagiat in den ‚Gartenlaube‘-Kalender von 1889, welcher im Spätsommer 1888 erschien, aufnehmen zu lassen.
„Man kann bald fragen, wie das möglich ist?“
Ja, das wäre allerdings unerhört, wenn Fräulein Heimburg im Spätsommer 1888 eine im Mai 1890 erschienene Geschichte des Herrn J. Kunst abgeschrieben hätte! Das wäre mehr als „vierte Dimension“!
Nach unserem Dafürhalten hat der ehrenwerthe Herr Verfasser des Artikels in dem „Arnh. Courannt“ einen guten und löblichen Witz gemacht, indem er mit feiner Ironie seinem weniger ehrenwerthen Herrn Landsmann J. Kunst zu verstehen gab, daß es doch nicht ganz passend sei, das litterarische Hab und Gut seines Nächsten so „offen fortzutragen“. Wir aber entnehmen aus der ganzen Geschichte mit Vergnügen die Thatsache, daß „Onkel Leos Verlobungsring“ dem Herrn J. Kunst recht gut gefallen hat, sonst hätte er sich wohl nicht die Mühe gegeben, die Heimburgsche Novelle in einen „Originalbeitrag eines niederländischen Schriftstellers“ zu verwandeln. =