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Titel: Unbekannter Selbstmörder
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aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 542
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[542] Unbekannter Selbstmörder. Die großherzogliche Polizeiverwaltung in Gießen theilt uns ein „Ausschreiben“ mit, „die Ermittelung der persönlichen Verhältnisse eines unbekannten Selbstmörders betreffend.“ Nach demselben hat sich am 28. Mai dieses Jahres, Abends gegen sieben Uhr, auf dem Gießener Friedhofe ein fein gekleideter junger Mann mit einem Revolver erschossen. Sein Aeußeres kennzeichnete sich durch schlanken Wuchs, hellbraunes, etwas gelocktes Haar, spitze, vorstehende Nase, vollständige Zähne, ovales Gesicht ohne Bart. Kleidung und Wäsche sind elegant, und letztere trägt die gestickten Buchstaben F. R. Nach vorgefundenen Notizen hatte der junge Mann sich vom 6. Mai an in Triest, Wien, Mainz, Köln befunden und kehrte am 24. Mai im „Rappen“ zu Gießen ein. In Mainz hat er sich als „Friedrich Riedl, Bahnbeamter von Wien,“ in’s Fremdenbuch geschrieben; in Gießen erkannte das Dienstpersonal des Gasthofes an seinem Dialect in ihm den Oesterreicher. Er las viel in „Werthers Leiden“, bezahlte am 26. früh seine Zeche, ließ seine Effecten im Gasthofe zurück und brachte die zwei letzten Tage seines Lebens im nahen Dorfe Rödgen zu. Sein Tod erfolgte durch einen Schuß in die rechte Schläfe. Ein von ihm an die Gießener Studenten gerichteter Brief enthält unter Anderem die Stelle: „Wie schön waren meine Knabenjahre! Wie so hoffnungsvoll gestaltete sich Alles in meiner Studienzeit! Wohl war ich berechtigt zu den schönsten Hoffnungen; Alles war mir gut, Alles ging nach meinen Wünschen. Da – später – da kam eine Zeit: o, ich mag nicht an sie denken, und doch, der Gedanke an sie will nicht weichen – es ist zum Rasendwerden! Von da an ist ‚Unschuld, Freude, Leben‘ – dahin, Alles dahin; es verwandelt sich in Sünde, Qual und Tod!“ – Nachschrift: „ … Die silberne Taschenuhr könnt Ihr auch verschenken. Den Ring laßt mir …“ Dieser Wunsch und die Werther-Lectüre deuten auf die Ursache des Selbstmordes hin. Die Angehörigen werden nach all diesen Angaben über die Persönlichkeit des Unglücklichen nicht lange im Zweifel sein. Deshalb bietet die Gartenlaube zur möglichsten Verbreitung des behördlichen Ausschreibens hiermit gern die Hand.