Unangenehme Vorbedeutung

Textdaten
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Autor: K. H.
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Titel: Unangenehme Vorbedeutung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 677, 684
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[677]

Unangenehme Vorbedeutung.
Nach dem Oelgemälde von Hans W. Schmidt.

[684] Unangenehme Vorbedeutung. (Mit Illustration S. 677.) Armer Lampe! Du gehörst zu den Vielen, deren Verdienste erst im Tode anerkannt werden. Wem du im Leben quer über den Weg läufst, der sieht – es wäre denn der Jäger, der dir nachstellt – eine unangenehme Vorbedeutung in dir, und wenn ihm im Laufe desselben Tages der Fuß überknackt oder ein Hemdknopf reißt oder der Schuster unerwartet die Rechnung präsentirt oder sonst eine Unannehmlichkeit ihm begegnet, so sucht er den Grund davon nicht etwa in der anerkannten Unvollkommenheit unseres Planeten, sondern er sagt einfach: „Kein Wunder, es ist mir ein Hase über den Weg gelaufen.“

Und wie, als fühltest du instinktiv das dir anhaftende Vorurtheil, bemühst du dich, harmloses Thier, jeder menschlichen Begegnung auszuweichen! Im tiefen Kornfelde verbringst du den sonnigen Tag, und erst, wenn der kühle Abend anbricht und der Mond sein silbernes Licht auf die Fluren gießt, da beanspruchst auch du deinen bescheidenen Antheil an der so karg zugemessenen Poesie dieses Lebens und schweifst und schwärmst. Wenn du dabei in deines Nächsten Kohlacker etwas rastest, wer will dir’s verdenken! –

Aber, mein lieber Lampe, das Leben ist eben kein Idyll, wie du meinst, sondern ein Kampf. Horch, wie das knattert und stampft und dröhnt und trommelt und paukt und trompetet! Das ist deine schlimmste Zeit, das Manöver; von früh bis spät keine Rast, keine Ruhe, keine Stätte, wo du dein Haupt niederlegen kannst. Kaum graut der Tag, so sammeln sich schon die wilden Krieger, und nun geht’s los auf den Feind.

Aber wo ist denn der Feind? – „Suchet, so werdet ihr finden!“ Mit dem Bibelwort gestärkt galoppiren die Eskadrons hinaus nach allen Richtungen, voraus die Spitzen und Patrouillen; das sind die Fühlhörner, die den Feind auswittern, damit er nicht unversehens die Nachkommenden überfalle.

Horch! Was rauscht im Gebüsch? Die Blätter schwanken, das Pferd stutzt, und fester umklammert des Reiters Faust den Zügel. Ist es der Feind? – Ach nein, du bist es, armer Lampe, und in drei gewaltigen Sätzen fliegst du über den schmalen Pfad.

„Donnerwetter!“ schallt’s hinter dir, und das Lachen des Reiters wird zum Grinsen. „Verfluchter Hase, daß dich … das bedeutet nichts Gutes!“

Du aber fliegst weiter und erst in gemessener Entfernung wagst du’s, dich auf die Hinterbeine zu setzen und nach den Ruhestörern umzublicken. Zur selben Zeit aber, da du in so anmuthiger Haltung ihre Aufmerksamkeit auf dich lenkst, schwenkt die feindliche Eskadron ums Gebüsch, und das Donnerwetter wird nun wohl erst von den Lippen des überrumpelten Vorgesetzten auf den zurückfallen, der es auf dich herabgewünscht.

Freu’ dich nur nicht zu sehr, Häschen! Der Nächste vielleicht, dem du über den Weg läufst, spießt dich auf seine Lanze und trägt dich als Trophäe ins Lager. Wenn dann der verdonnerte Reiter Abends mißmuthig zurückkehrt, sieht er dich über’m prasselnden Feuer am Spieß stecken; sein Gesicht hellt sich auf, wenn er dich wieder erkennt.

„Der ist’s,“ ruft er, „der ist an Allem schuldig!“ Die Freude des Wiedersehens läßt ihn das überstandene Donnerwetter vergessen, frohgemuth läßt er sich nieder zu den jauchzenden Kameraden und kühlt seine Rache, indem er dich mit ihnen verspeist. Und von all den heißen Kämpfen des Tages bist du das einzige Opfer.

Armer Lampe! Aber wie sagt der unsterbliche Dichter? „Dulce et decorum est pro patria mori.“ („Glorreich und süß ist sterben fürs Vaterland.“) K. H.