Uebersicht der neuesten italienischen Literatur

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Uebersicht der neuesten italienischen Literatur
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 66–67; 79; 127; 183; 194; 268–269; S. 262–263; 267–268; 315–316; 505–506; 729–730; 1069–1070; 1075–1076; 1093–1094; 1099–1100; 1116–1118
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[262]

Uebersicht der neuesten italienischen Literatur.

In Briefen von einem italienischen Gelehrten.

Erster Brief.

Die Morgenröthe der italienischen Literatur, die das 14te Jahrhundert mit den Schöpfungen Dante’s, Petrarca’s, Boccaccio’s verherrlichte, fällt in eine Zeit, in der durch die Stürme des Mittelalters aller Zusammenhang mit dem Leben der Vorzeit aufgehoben war. Um so gesegneter war jene unter Widerstand und Kampf gekräftigte Zeit, ein neues, von keinen Mustern geleitetes, aber auch durch keine Nachahmung eingeengtes Leben zu beginnen. Der Charakter der Literatur des 14ten und größtentheils auch des 15ten Jahrhunderts ist daher durchaus nationell. Den Stoff ihrer Bildungen schöpften die Dichter jener Jahrhunderte aus den Bewegungen ihrer Zeit: die schönsten Gedichte Petrarca’s sind die, in denen er die traurigen Zerrüttungen seines Vaterlandes beweint; Dante’s erhabenes Gedicht könnte man eine große Elegie auf seine Zeit und sein Vaterland nennen. Auch die italienische Sprache bildete sich ganz selbstständig in dem Bedürfnisse des Volkslebens und in der schaffenden Kraft der Dichter aus. Alle gelehrten Bemühungen waren nicht ihr, der lingua volgare, sondern der lateinischen Sprache zugewendet. Entbehrte sie dadurch der Pflege der Wissenschaft, so ward auch ihre Kraft nicht durch den Zwang der Regel gebrochen. Aber gerade in jener Zeit des Aufblühens der eigenen Literatur wurden auch die Quellen des Geistes und der Kunst der Alten wieder eröffnet, größtentheils durch die Bemühungen jener Männer selbst, die das Vaterland zugleich durch ihre eigenen Werke verherrlichten. Die Erscheinung jener heraufbeschworenen Riesenschatten des Alterthums war zu mächtig, um nicht auf die Literatur der folgenden Periode einen entschiedenen Einfluß zu äußern. Der Geist aber, der die Werke des Alterthums geschaffen hatte, war nicht so leicht wieder zu beleben; das nationale Leben der Griechen und Römer, das der alten Kunst ihren Inhalt gegeben, war unwiederbringlich untergegangen; Form und Regel blieben also für die, welche keiner geistigen Wiedergeburt des innern Lebenskeimes des Alterthums fähig waren, als das einzige übrig, was allenfalls durch Abstraction aus den Alten für die eigene Literatur gewonnen werden konnte. In jener Form aber lag eine so verführerische Vollendung, daß man ihr die nationelle Eigenthümlichkeit des eigenen Lebens, die kaum erst durch schöpferische Geister geweckt worden war, zum Opfer brachte, so daß bald das Studium der Alten den Bestrebungen der Zeit eine so formelle Richtung gab, wie sie dem Alterthum selbst gewiß stets fremd geblieben war, obgleich man in ihr die wahre Classicität gefunden zu haben wähnte.

Die hohe Einfachheit des Stils, die wir an den Alten bewundern, ist nur da möglich, wo der Stil nicht durch seine eigenen Formen glänzen, sondern blos dazu dienen soll, seinen Inhalt, dem er sich vollkommen unterordnet, auf die angemessenste Weise darzustellen. Jene Einfachheit der Form aber, die sich die Schriftsteller des 16ten Jahrhunderts zum Muster nahmen, und oft glücklich erreichten, mußte da bald erschöpft werden, wo die Form den Inhalt selbst zu ersetzen bestimmt ward, ja die nothwendig sich daraus entwickelnde Ueberladung der Formen mußte zuletzt zur abgeschmacktesten Formlosigkeit führen, wie dieß die Schriftsteller des siebzehnten Jahrhunderts nur zu deutlich beweisen. Während bei den Alten und den besseren Schriftstellern des sechszehenten Jahrhunderts das höchste Bestreben des Stils darin bestand, sich, gleich den nassen Gewändern der plastischen Kunst, jeder Wendung des Lebens anzuschließen, war in den Schriften des 17ten Jahrhunderts die Idee selbst, die ihnen zuweilen zu Grunde liegt, den Verzierungen des Stils aufgeopfert.

Die Reaction gegen diesen verkehrten Geist, der auch im 18ten Jahrhunderte noch seine Herrschaft übte, ist der Punkt, mit dem die neueste Periode der italienischen Literatur beginnt. Den philosophischen Wissenschaften gelang es früher als der schönen Literatur sich über jene Flachheit zu erheben. Denn während die Mehrzahl der Dichter noch im 18ten Jahrhundert darin befangen war, namentlich die Dichter der Arcadia und die aus der Schule des Hugoni und Bettinelli, (denen man freilich einige freiere Geister, wie Alfieri, rühmlich entgegenstellen kann,) brachte schon das 17te Jahrhundert tiefe philosophische Denker hervor, die dem Vaterlande einen unsterblichen Glanz erwarben. Dieser philosophische Geist ist auch bei den bedeutendsten Schriftstellern des 18ten Jahrhunderts der vorherrschende, unter denen die Namen Vico, Beccaria, Filangieri, Genovesi hervorragen. Die äußeren Zeitverhältnisse gaben dem Geiste der Literatur zugleich eine Richtung auf das öffentliche Leben. Gerade die Schriftsteller der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, die damals als geschmacklos verschrieen wurden, weil sie wenig auf eine leere Eleganz hielten, möchten wohl zu allem besseren, das die neueste Zeit erzeugt hat, mit den Grund gelegt haben. [263] Dahin gehören besonders Cesarotti und Beccaria. Obgleich keiner dieser beiden als Muster des Stils gelten kann, so haben doch ihre Schriften über die Philosophie der Sprache und über den Stil einen bedeutenden Einfluß ausgeübt. Indem sie den verlornen Zusammenhang zwischen Stil und Inhalt wiederherstellten, überzeugten sie ihre Zeitgenossen, daß die Schönheit des Stils nicht in der Eleganz zierlicher Worte und Redensarten, sondern in dem würdigen Ausdruck der Gedanken liege.

[267] Auf diesem Wege schritten später Perticari und Monti glücklich weiter. Diese Männer waren es auch, welche siegreich die Frage wieder in Anregung brachten, ob denn nicht das ganze schöne Vaterland („das der Appennin begrenzt, und das Meer und die Alpen“) darauf Anspruch machen könne, der Sitz seiner Muttersprache zu seyn, was sonst Toscana und seine Hauptstadt allein sich hatten anmaßen wollen. Sie leiteten die Aufmerksamkeit der Nation auf die Zeiten der selbstständigen lebendigen Entwickelung der Sprache unter der Pflege der großen Geister des 14ten Jahrhunderts zurück, welche die bisherige selbstgenügsame Zeit, in leerem Stolze auf eine erborgte formelle Bildung, vernachlässigt hatte. Wenn gleich bei den mächtigen Aufregungen [268] dieser Zeit manche einseitige Uebertreibung nicht zu vermeiden war, und manche Schriftsteller, wie der Abbate Antonio Cesari von Verona, auf dem Punkte standen, alle, auch die edelsten Früchte klassischer Bildung zu verwerfen, und ihre Literatur durchaus zu einer Fortsetzung des 14ten Jahrhunderts umzugestalten, so wußten doch Andere, Pietro Giordani an ihrer Spitze, sich das Treffliche der vorigen Jahrhunderte anzueignen, und auf diese Weise, nachdem ihre Ansicht den ihr gebührenden Sieg davon getragen, der italienischen Sprache eine neue Periode des Glanzes zu bereiten. Man ist jetzt wohl allgemein darin übereinstimmend, daß Kraft und Bedeutung des Ausdrucks bei den Schriftstellern des 14ten, Fülle und Feinheit der Formen und Wendungen des Stils bei denen des 16ten Jahrhunderts gelernt, beide aber oft verlassen werden müssen, um die Regeln der Sprache und des Stils mit philosophischer Tiefe im Sinne Beccaria’s und Cesarotti’s zu ergründen.

Auch die neue Periode der Poesie kündete sich mit einem rühmlichen Kampfe für die Ehre der Dichter des 14ten Jahrhunderts, namentlich Dante’s, an. Die lärmende Schule des Hugoni hatte die italienischen Dichter jener erhabenen Einfachheit, die Dante’s Poesie bezeichnet, durchaus entfremdet, und Bettinelli hatte in einigen lettere Virgiliane (so genannt, weil er sie als Briefe aus dem Elysium Virgils bezeichnet) jenen unsterblichen Dichter mit frevelnder Kühnheit angegriffen, und seine größten Schönheiten lächerlich zu machen gesucht. Gegen ihn schrieb Gasparo Gozzi seine difesa di Dante, eine Schrift zu deren Würdigung seine Zeit nicht reif war, und die erst jetzt die verdiente Anerkennung findet. Wirksamer aber als alle theoretischen Vertheidigungen waren die Leistungen eines Alfieri, Parini und Vincenzo Monti, die in ihren Werken zeigten, wie viel sich aus dem Studium Dante’s, mit angeborner Dichterkraft, und mit der Fülle der Bildung der späteren Jahrhunderte vereinigt, für eigne poetische Schöpfungen gewinnen ließ. Am höchsten unter ihnen steht Monti, an stolzem Adel des Geistes sowohl, als an innerem poetischen Leben seiner Dichtungen.

Die Revolution der Literatur, da sie in genauem Zusammenhange stand mit den erwachten tiefern Ansichten über die Philosophie der Sprache und des Stils, mußte natürlich auch auf die Theorie der Sprache mächtig einwirken. Das Dizionario della Crusca, einst als Inbegriff alles dessen, was Anspruch auf einen Platz in der gebildeten italienischen Sprache machen konnte, verehrt, mußte in der doppelten Beziehung ungenügend erscheinen, weil es sich durchaus auf das rein Toscanische beschränkte, und weil philosophischer Geist bei seiner Abfassung durchaus fehlte. Monti und Perticari haben auch hier das Verdienst, das Bedürfniß des Fortschreitens zuerst recht fühlbar gemacht zu haben, und wenn sich gleich neben vielen unbedeutenden Stimmen manche gewichtige gegen sie erhoben haben, so zeigt doch der Beifall, dessen mehrere außerhalb Toscana in ihrem Geiste abgefaßte Wörterbücher sich zu erfreuen haben, daß man im ganzen ihre Ansichten zu theilen sich genöthigt sieht.

Auch das Studium der Grammatik konnte einer neuen Richtung nicht entgehen: doch ist von dieser Seite den Forderungen, die der jetzige Standpunkt der Sprache zu machen berechtigt, noch nicht Genüge geschehen.

Gründliche geschichtliche Forschungen über den Umfang der Sprache, wie Poliziano und mehrere seiner Zeitgenossen sie über die lateinische Sprache angestellt hatten, wurden jetzt auch über die Muttersprache nöthig. Auch hier gieng Monti mit dem rühmlichsten Eifer voran, und Italien ist ihm in dieser Beziehung um so mehr Dank schuldig, als Kritik des Textes und Verbesserung verfälschter Lesarten in der That Arbeiten sind, die sich sonst selten mit den Neigungen und Anlagen eines großen Dichters vereinigen. Er zuerst war es, der nachwies, daß viele von den Irrthümern des Dizionario della Crusca auf einem unkritischen Vertrauen auf die Lesarten der alten Ausgaben und Manuscripte beruhten, in welche sich durch die Nachlässigkeit der Herausgeber und Abschreiber unzählige Fehler aller Art eingeschlichen hatten; ja daß sogar manche sonderbare Redensarten, die die Akademiker und andere Gelehrte als besondere Feinheiten der Rede betrachteten, blos auf diese Weise entstanden waren. In Folge dieser Bemühungen wurden in der neuesten Zeit die Werke der meisten älteren italienischen Klassiker mit verbesserten Lesarten herausgegeben, unter denen auf Angelo Poliziano, Ariost, Tasso, vor allen aber auf Dante die meiste Mühe verwandt wurde. Wir wissen recht gut, daß diese Studien leicht zur Pedanterie führen, und oft schon mußten wir von Ausländern den Vorwurf hören, daß wir Italiener zu viel Werth auf grammatische Untersuchungen legen, ja wir müssen selbst, mit vielen unsrer Landsleute, beklagen, daß Monti, statt die Literatur seines Vaterlandes mit einem unsterblichen Gedicht zu bereichern, seine letzten Kräfte an Arbeiten verschwendete, denen auch Andere von geringeren Fähigkeiten gewachsen gewesen wären. Dennoch glauben wir, daß Italien in der Periode der Wiedergeburt seiner Sprache gerade eines solchen Mannes bedurfte. Im vorigen Jahrhundert gab es viele, die sich nicht nur selbst in der höchsten Vernachlässigung des Stiles gefielen, sondern auch bei Andern die Aufmerksamkeit auf die Form für ein Zeichen von Beschränktheit hielten. Auch in unsern Tagen haben Manche eine solche Sprache geführt, um damit ihre Unwissenheit in der Muttersprache zu bedecken und zu beschönigen. Darum war es von unschätzbarem Nutzen, daß ein Mann wie Monti, dem fürwahr Niemand Pedanterie und Beschränktheit vorwerfen konnte, die Wichtigkeit und Nothwendigkeit eines tiefern Studiums der Muttersprache durch sein Beispiel belegte. Wir hoffen übrigens im Verlauf dieser Darstellung zu zeigen, daß der Vorwurf den uns die Ausländer machen, über der Schale den Kern zu vergessen, ungerecht ist, und daß unsere Literatur nie ernster und gehaltvoller war, als gerade jetzt.[1]

[315]
Zweiter Brief.

Geschichte, die Grundlage jedes geregelten Studiums, wird jetzt mit großem Eifer in Italien getrieben. Wir wollen hier, der Kürze wegen, nicht von den vielen Partikular-Geschichten reden, die täglich in den verschiedenen Städten der Halbinsel gedruckt werden, sondern nur drei große Sammlungen historischer Werke erwähnen, die in Mailand herauskommen. Zuerst unternahm der Buchhändler Louzagna eine „Sammlung von Uebersetzungen der griechischen Geschichtschreiber,“ von den gründlichsten Kennern der griechischen Sprache verfaßt. Dieses treffliche Unternehmen ist schon sehr vorgerückt. Einige Jahre darauf unternahm ein anderer Buchhändler in Mailand, Niccolo Bettoni, eine „historische Bibliothek aller Zeiten und Völker,“ die 100 Bände umfassen sollte. Diese Bändezahl war für einen solchen Umfang der Aufgabe an und für sich zu klein; was sich jetzt am deutlichsten zeigt, wo nur noch 18 Bände zu liefern sind, ungeachtet man noch eine Menge hieher gehöriger Historiker vermißt. Doch ist nicht zu läugnen, daß diese Arbeit, die in Italien außerordentliche Theilnahme fand, viel zur Verbreitung geschichtlicher Kenntnisse und zur Vermehrung der Liebe zu diesen Studien beitrug.

Alle in diesen beiden Sammlungen enthaltenen Arbeiten waren nur Abdrücke, oder höchstens neue Uebersetzungen alter Werke. Der Buchhändler Antonio Fortunato Stella aber hat sich zu einem schwierigeren Unternehmen gerüstet, indem er nach der Herausgabe einer Uebersetzung der Universal-Geschichte des Grafen Segur, vielen italienischen Gelehrten eine Original-Fortsetzung derselben auftrug. Bertolotti, Soncini, Levati, Compagnoni nahmen an der Ausführung Theil nebst mehreren Andern, die sich unter dem Schleier der Anonymität aber augenscheinlicher Pseudonymität verbargen. Mehrere von diesen Original-Werken sind jedoch so erbärmlich, daß sie uns Italiens und des jetzigen Standpuncts der Kultur unwürdig scheinen; andere sind im Grunde nur Uebersetzungen aus verschiedenen fremden Schriftstellern. Wir können daher durchaus kein günstiges Urtheil über diese Fortsetzung aussprechen: ja wenn man die übrige Nation nach dem Maßstabe der Unkenntniß wahrer Geschichte bei denen beurtheilen wollte, die sich anmaßen, den Ton darin angeben zu wollen, so würde das Urtheil sehr hart ausfallen müssen. Aber einem Lande, das einen Macchiavelli, Paruta, Guicciardini, Davila, Bentivoglio, Giannone, Muratori hervorbrachte, kann es nie gänzlich an Geschichtschreibern von Bedeutung fehlen, und mit Recht rühmt sich das heutige Italien des Namens Carlo Botta, der zuerst mit der „Geschichte des amerikanischen Freiheits-Krieges,“ dann mit der „Geschichte Italiens in den neuesten Zeiten,“ auftrat. Botta ist einer der reinsten Schriftsteller unserer Zeit, und Manche werfen ihm nicht ohne Grund vor, daß er mit zu ängstlicher Sorgfalt um den Stil bemüht ist, und zuweilen zu sehr nach veralteten Redensarten hascht. Aber er besitzt eine so tiefe Kenntniß der Zeiten und der Menschen, es ist eine solche Fülle der Beredsamkeit in den vorkommenden Reden, eine solche Klarheit in den Beschreibungen, ein so rascher Fortgang in seinen Erzählungen, daß die ganze Nation seine Werke liest, und wieder liest, und sie allenthalben abgedruckt werden. Botta lebt in Paris, aber er ist einer der eifrigsten Pfleger seiner Muttersprache. Ihm zunächst steht Luigi Bossi der zuerst das schwierige Werk einer allgemeinen Geschichte von Italien unternommen hat. Muratori hatte in seinen Annalen die Materialien dazu von den Zeiten des August an bis auf das Jahr 1750 gesammelt und geordnet. Micali hatte neuerdings schon die Geschichte der ersten Bewohner Italiens mit großer Ausführlichkeit behandelt. Algarotti hatte bereits vor Levesque und Niebuhr den richtigen Gesichtspunct für die älteste römische Geschichte angegeben; Verri, Novelli und Andere hatten bei der Abfassung der Geschichte einzelner Städte Italiens viel von dem Dunkel, in das sie gehüllt war, erhellt. Ungeachtet aller dieser Vorarbeiten aber wird jeder, der die wechselnden Schicksale, denen Italien unterworfen, die unermeßliche Zahl der einzelnen Staaten, in die es getheilt war, die fortwährenden offenen und geheimen Fehden, die sie unter sich führten – kurz, das fortwährende Unglück dieses schönen Landes kennt, leicht fühlen, welcher Last sich Bossi unterzog. Seine Geschichte besteht aus 19 starken Octav-Bänden; sie beginnt mit der Urgeschichte Italiens, und geht fort bis auf unsere Zeit. Bossi ist im Punct des Stils das gerade Gegentheil des Botta; er vernachläßigt nicht nur den Schmuck, sondern manchmal auch die Reinheit und Klarheit der Sprache. Er behandelt übrigens die Geschichte wie einer, der sie vollkommen beherrscht: die Begebenheiten sind alle bis auf die kleinsten Umstände dargestellt, und die Nation wird in allen ihren politischen und literarischen Fortschritten verfolgt. Doch muß man gestehen, daß Bossi die Kunst nicht verstanden hat, sein Buch angenehm zu machen, denn abgesehen von der in der That allzugroßen Vernachläßigung des Stils, fehlt auch dem Gedächtniß des Lesers die Hülfe einer gehörigen Chronologie und einer genauen Eintheilung der Zeiten und Begebenheiten. Wir müssen daher sagen, daß Italien durch Bossi’s Bemühungen zwar eine dem Inhalt nach umfassende Geschichte besitzt, [316] daß es aber noch auf den Historiker wartet, der alle diese Materialien mit lebendigem Geist und innerer Schönheit zu einem organischen Ganzen verbinden soll. Bossi schrieb später eine „Geschichte des alten und neuen Spaniens in 8 Bänden,“ über die dasselbe Urtheil, wie über das vorige Werk, zu fällen ist. –

Sardinien, Venedig, Genua, Pisa, Brescia, Trient, Pavia und viele andere Städte und Provinzen fanden in diesen letzten Jahren ihre besondern Geschichtschreiber: kurz ganz Italien ist voll von Gelehrten, die sich bemühen, ihre Landsleute mit der Geschichte ihres Vaterlandes bekannt zu machen.

Rampoldi hat in 12 starken Bänden „die Annalen der Muselmänner“ geschrieben. Das Werk ist in Text und Noten abgetheilt. Der Text ist nicht mehr als eine Chronik; die Noten sind voll von Gelehrsamkeit, die in der Hand eines beredteren und gewandteren Schriftstellers dem Buche eine größere Bedeutung zu geben vermocht hätte. Wir wissen nicht, ob Italien die Arbeit Rampoldi’s nach Verdienst schätzt, wir haben sogar manche Gründe, das Gegentheil zu glauben; doch wagen wir die Behauptung, daß diese Annalen ein mehr als gewöhnliches Verdienst haben, und daß vielleicht keine andere Nation eine so in’s einzelne gehende und aus den Quellen geschöpfte Bearbeitung dieses Gegenstandes hat (?) Der Verfasser hat lange an den Orten gelebt, die er beschreibt, und jede Seite seiner Noten widerlegt mit unwiderleglicher Wahrheit die absurden Ansichten, die eine Menge von Schriftstellern über die Gesetze und Gebräuche jener Länder verbreitet haben.

Unter allen geschichtlichen Werken aber, deren sich die neueste italienische Literatur zu rühmen hat, nimmt das Werk des Grafen Pompeo Litta: „Die berühmten Familien Italiens“ den ersten Platz ein. Die Herausgabe dieses Werkes geht langsam von Statten, weil es dem Herausgeber sehr große Kosten verursacht, und die Zahl der Theilnehmer verhältnißmäßig gering ist, so daß diese Zögerung keineswegs dem Verfasser, sondern vornehmlich jenem Stande zur Last fällt mit dessen Geschichte und dessen früherem Ruhme das Werk sich beschäftigt. Der Verfasser ist ein tiefer Kenner der italienischen Geschichte, und besitzt viel philosophischen Geist, und einen freien unparteiischen Sinn; sein Stil hat jene Originalität, die man in jedem frei gedachten Werke findet. – Jede Nation dürfte stolz darauf seyn, ein solches Werk zu besitzen; und gewiß werden die Ausländer dem Verfasser den Beifall zollen, den er bis jetzt in Italien noch nicht gefunden hat, wo manche Abkömmlinge jener Familien sich geweigert haben sollen, die Unternehmung durch Subscription zu unterstützen, weil der Verfasser unparteiisch genug war, im unbestochenen Geiste der richtenden Geschichte auch die Laster ihrer Vorfahren so wenig zu verschweigen als ihre Verdienste.

Gleich würdig eines ehrenvollen Rufs sind: „Die Feldzüge und Belagerungen der Italiener in Spanien,“ von Vacani. Sie sind das schönste Denkmal des neuern Kriegsruhms Italiens. Da ihm von den vielen Kriegen, zu denen es unter Napoleons Herrschaft genöthigt war, kein Gewinn übrig bleiben sollte, so war es in der That ein einer patriotischen Seele würdiges Unternehmen, wenigstens das Andenken des vergossenen Blutes zu verewigen, und der Nachwelt zu sagen, daß, wenn auch damals die Nation von denen mit Verachtung behandelt war, die sie hätten heben sollen, ihre Soldaten doch unter die tapfersten Europa’s gezählt wurden.

Endlich sah Italien in den letzten Jahren ein sehr umfassendes Werk entstehen, das wohl einzig in seiner Art ist, unter dem Titel: „Sitten und Gebräuche alter und neuer Zeit“ (il costume antico e moderno), von Giulio Ferrario, unter Mitwirkung vieler mailändischer Gelehrten, in italienischer und französischer Sprache herausgegeben. Doch hat die Ausführung den großen Versprechungen des Herausgebers nicht entsprochen, und der Theil, der die Kleidungen betrifft, scheint der einzige zu seyn, auf den man sich mit einiger Sicherheit verlassen kann. Namentlich sind in dem, was sich auf die Gesetzgebung bezieht, viele Mängel und Irrthümer, und man sieht der ganzen Arbeit an, daß dabei mehr Gewinnsucht als gründliches Studium die Feder führte.

[505]
[2]

Die Rechtskunde hat in Italien einen sichern und ehrenvollen Sitz auf mehreren Universitäten, hauptsächlich auf der zu Turin. Das römische Recht wird im Allgemeinen wenig studirt, und in einigen Provinzen blos als Luxusstudium betrachtet. Die Italiener besitzen keine eigentlich philosophische Geschichte der römischen Gesetzgebung, und auf einigen Universitäten wird das römische Recht gewöhnlich eben so exegetisch vorgetragen, wie man das Landrecht erklärt. In Turin und auch im Königreich Neapel hat sich das Studium der römischen Gesetze noch mehr als anderswo erhalten; nur werden sie daselbst zu sehr blos in ihrer praktischen Bedeutung betrachtet, indem die Kenntnisse der innern Geschichte Roms noch nicht so weit gediehen ist, um überall einzusehen, wie die gesetzlichen Bestimmungen Roms stets nur eine Folge und ein Ergebniß seiner politischen Verhältnisse waren. Ungeachtet aber hier noch viel zu thun ist, und ungeachtet Italien allerdings der Vorwurf trifft, daß es auf halbem Wege stehen blieb, so kann man ihm doch die Anerkennung nicht versagen, daß seine Gelehrten es waren, die zuerst einsahen, daß zum richtigen Verständniß des römischen Rechts ein tieferes Eingehen in die Regierungsform und die politischen Veränderungen im Herzen dieser Königin der Welt unerläßlich ist. Vico und Gravina haben sich vor allen Andern in dieser schwierigen Aufgabe versucht. Besondere, leicht zu errathende Umstände ließen dieses Studium in Italien nicht weiter gedeihen, doch fehlt es nicht an Männern, die auch in diesem Zweige der Wissenschaft aufs Rühmlichste vorwärts schreiten, und viele Schriften beurkunden, daß die philosophische Rechtskunde in dem Vaterlande der Filangieri und Beccaria keineswegs verschwunden ist. Unter diesen Schriften nennen wir vor allen die „Genesi del diritto penale“ des Gian Domenico Romagnosi. Vico, Mario Pagano, Filangieri, Beccaria, Cremani, Nani, und Andere mehr haben jedem, der diesen schwierigen und wichtigen Theil der Gesetzgebung bearbeiten will, die Bahn gebrochen. Das Werk Romagnosi’s ist jedoch nichts desto weniger als eine völlig neue Erscheinung zu betrachten, und hat manche bisher unbeleuchtete Punkte der peinlichen Gesetzgebung ins Licht gestellt. Wie das Strafrecht in der Gesellschaft entstanden, worin es sich begründe, wie weit es sich erstrecke, wie es ausgeübt werden müsse, um seinen Zweck zu erreichen, kurz alle jene schwierigen Fragen sind von ihm in ihrer Tiefe aufgefaßt und stets mit Geist behandelt. Man legt seinen Schriften sonst allgemein, selbst in Italien, Dunkelheit zur Last, die erwähnte aber scheint uns so deutlich und klar, daß sie von jedem aufmerksamen Leser verstanden werden muß. Nach ihm verdienen angeführt zu werden die Strafgerichtsordnung (Nomotesia penale) des neapolitaners Raffaelli; die Grundsätze des peinlichen Rechts (gli Elementi di diritto criminale) des Professors Carmignani von Pisa; die Abhandlungen (Discorsi) des vor zwei Jahren verstorbenen Barbacovi. Die Italiener beschränken sich jedoch nicht blos auf inländische Originalwerke, sondern sie studiren und übertragen auch Schriften der Ausländer in ihre Muttersprache. [3] Die praktische Rechtsgelehrsamkeit ist in Italien noch mehr kultivirt, da sie freier und sicherer ist als die philosophische. So wurde zum Beispiel der österreichische Zivilcodex mit einer Vergleichung der römischen Gesetze gedruckt, so eine Abhandlung über die Klagen, – die Servituten, – die Substitutionen und die Fideicommisse, – die Verträge zwischen Lebenden – den letzten Willen – kurz alle Theile des Codex haben einen oder mehrere Commentare. Unter dem Titel der österreichischen Rechtspraxis (Giurisprudenza pratica austriaca) sind die berühmtesten Rechtsfälle seit der Einführung des vorbenannten Codex, die Deduktionen der Rechtsgelehrten für und wider, und die Entscheidungen der Rechtsbehörden gesammelt. So hat sich denn ein corpo die giurisprudenza pratica gebildet, das für die Advokaten und Richter äußerst nützlich ist. Es wäre übrigens sehr zu wünschen, daß jene beiden Stände in dem Theile von Italien, der unter dem Haus Oesterreich steht, sich mit der deutschen Sprache vertraut machten, um so die bestechende Rechtsordnung in ihren Quellen studiren zu können. [506] Aus diesen Umgebungen der Philosophie treten wir nun in das Gebiet der Philosophie selbst ein. Wir begreifen unter diesem Namen die Logik, Ideologie, Metaphysik und die Ethik. Genovesi halten wir für den größten dermaligen Logiker in Italien, wenn man einen Schriftsteller groß nennen darf, der in irgend eine Materie Klarheit oder neue Begriffe bringt. Pater Soave erwarb sich durch seine Elementi di Logica, Metafisica, Etica das Verdienst, die ganze Philosophie in ein Fachwerk zusammenzustellen, allein er brachte die Wissenschaft um keinen Schritt weiter, ja man kann sagen, daß seine Schrift, indem sie das Gedächtniß ermüdet, den Geist leer und unthätig läßt. Um zu beurtheilen, wie viel dem Pater zu einer tüchtigen Handhabung seines Gegenstandes fehle, braucht man nur seine Geschichte der Philosophie zu lesen, die er seinem Werke vorangeschickt hat. Gioja hat in den letzten Jahren gli Elementi die Filosofia ad uso de’ giovanelli in zwei Bänden herausgegeben, worin er sich bestrebte, ganz praktisch zu seyn, und vor Allem jenes Dunkel der Sprache und des Räsonnement zu vermeiden, welches das Verständniß der Jugend hindern konnte. Diese Elementi halten wir für das beste, was Gioja geschrieben hat, wir wissen aber nicht, ob sie bei den Lehrern gerechte Anerkennung gefunden haben. Die Schrift soll darthun, wie oft die einfachsten und klarsten Dinge durch Pedanterie und gelehrten Trug dunkel und schwierig gemacht werden, und wie oft die Lehrer durch ein Schaugepränge eitler Spitzfindigkeiten die Fortschritte der Schüler wie der Wissenschaft hemmen. Nicht auf gleiche Weise können wir Gioja’s Ideologia rühmen, ein Werk, das wohl nicht mit Unrecht fast überall als oberflächlich und unzureichend bezeichnet wurde. Die Italiener sind im Allgemeinen keine Freunde von subtilen Abstraktionen und Spekulationen, worin sich die Deutschen und Engländer leicht mehr als nöthig ist, gefallen; doch geschah Einzelnes um das, was hierin von dem übrigen Europa vor allem von Deutschland erstrebt und erreicht wurde, Italien näher zu bringen. Eine Sammlung der Metaphysiker, die in Pavia erschien, eine italienische Uebersetzung aller alten und neuen Werke Kant’s und seiner Nachfolger hat die Kenntnisse wenigstens vorbereitet. Auch die Geschichte Buhle’s wurde in keiner andern Absicht übersetzt, als das Studium der Geschichte der Philosophie aufzuregen. Poli, Professor der Philosophie in Mailand, gibt gegenwärtig seine saggi filosofi heraus, worin er eine kurze Darstellung der verschiedenen philosphischen Schulen, vor allen der neuern beabsichtigt.

Von Originalwerken sind nur wenige hervorzuheben. Der schon oben genannte Romagnosi schrieb ein Naturrecht (Assunto di diritto naturale; Pezzi einige sehr beachtenswerthe Lezini di filosofia. Im vorigen Jahre trat ein Jüngling von 19 Jahren, Nessi von Como mit einem Werke „über das Princip aller Philosophie“ auf, das von ihm einen ebenso tiefen als scharfsinnigen Denker erwarten läßt.

Italien nahm bis jetzt wenig unmittelbaren Antheil an dem Entwicklungsgange der speculativen Philosophie des neuern Europas, und an dem Kampf der Systeme, die namentlich in Deutschland die Grundlage aller Wissenschaft zu legen sich bemühen. Sein ganzes geistiges Leben geht still und unbemerkt einer Umwandlung entgegen, aber dieß kann bei den übrigen Verhältnissen des Landes und Volkes weniger in den abstracten Formen der Speculation sich aussprechen, sondern zeigt sich mehr in der, wenn auch oft verirrten, doch tief in Gemüth und Bedürfniß der Nation liegenden Richtung des politischen Geists, der sich am ungetrübtesten in der verjüngt auftauchenden Poesie ausspricht, die, den matten Geist des Schäfergedichts, wie die todte Form der Classizität abstreifend, auf das eigene Vaterland und seine Geschichte zurückkehrt, und so in der Wiedererweckung der Nationalerinnerungen das schönste Ziel poetischer Begeisterung findet, und dem in allen übrigen Verhältnissen nur leise und behutsam sich aussprechenden Gefühlen der Gegenwart eine Sprache leiht. Es ehrt die Regierungen Oberitaliens, daß sie das Mißtrauen des politischen Lebens nicht auf die friedliche, arglose Entwickelung des poetisch-geistigen übertragen.

[729]
Dritter Brief.
Es gibt zwar in Italien der Männer viele, welche mit großem Erfolge die Kunst der Rhetorik gepflegt und Werke hervor gebracht haben, die nimmer in Vergessenheit kommen werden. Allein von der eigentlichen Beredsamkeit – wir reden von der geistlichen, der einzigen, die Italien verblieben ist, läßt sich nicht viel Gutes rühmen.

Die Predigten einiger beliebten Redner, welche im Druck erschienen, haben der Erwartung des Publikums nicht entsprochen, und den vielfachen Vorwurf bestätigt, daß die italienischen Kanzelredner schwülstig und witzelnd seyen und mehr nach äußerlicher Eleganz, als nach jener wahren und einzigen Beredsamkeit streben, die in muthiger und kräftiger Darstellung der Wahrheit besteht. Italien hat keinen Kanzelredner, den es einem Bossuet, Massillon an die Seite stellen könnte, ja nicht einmal Segneri findet heut zu Tage seines Gleichen; und auch dieser ist noch bei weitem kein vollkommenes Muster in diesem Fach.

Einen andern Zweig der Literatur hat man bis jetzt den Italienern ganz abgesprochen, – den Roman. Man möchte jedoch fragen, was der Filocopo, was viele der längern Novellen Boccaccio’s, Bandello’s und Anderer anders seyen, als Romane? Gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts schrieb Allessandro Verri seine Avventure di Saffo – gab der Abate Chiari – Schade, daß ihm Urtheil und Geschmack abgingen – Italien die Erzeugnisse seiner reichen Phantasie. Es hat sich aber in Italien eine dem Roman ungünstige Meinung gebildet, und obgleich ihn der treffliche Filangieri in seinem System der Erziehung empfiehlt, so sieht die Nation doch noch alle Romane ohne Unterschied, als der Jugend nachtheilig, und eines guten Schriftstellers unwürdig an. Wirklich hatte sich auch nach dem Abate Chiari, einem Schriftsteller, der in keiner Achtung steht, Niemand mit der Romanschriftstellerei befaßt, bis endlich in unsern Tagen David Bertolotti sein Talent auf diesem Felde versuchte. Bertolotti hat viel Fantasie, aber zu wenig Wissen und eine Schreibart, die mehr den Frauen als den Männern zusagt; er ist ein scharfer Beobachter, wird aber in seinen Darstellungen immer gleich pathetisch. Er begann mit einem kurzen Stücke (der Zipresseninsel, l’Isoletta dei cipressi), dem man nicht den Namen eines Romans geben kann, wenn man nicht auch die kleinen Novellen Boccaccio’s so nennen will; allein der Herausgeber der Gazzetta di Milano nahm keinen Anstand, ihn als den italienischen Walter Scott zu begrüßen; die Italiener lachten darüber und der Mailänder Journalist gab zu erkennen, daß er von den Romanen des Schotten nicht ein Jota verstand. Die Zipresseninsel gehört in die Klasse der sentimentalen Romane, welche ihren Schöpfern nie viel Ehre gemacht haben, und für die Jugend schädlich sind, indem sie die Einbildungskraft und die Leidenschaften erhitzen. Diesem Erstlinge ließ Bertolotti bald noch andere Romane folgen, unter denen er seiner Calata degli Ungheri den Titel eines historischen Romans gab. Das Buch ist in Kapitel eingetheilt, vor deren jedem eine poetische Aufschrift steht, und es ist somit der äußern Form nach eine Nachbildung Walter Scott’s; der Inhalt aber ist in seiner ganzen Anlage erotisch, und ein Gemälde von Charakteren (worin doch der historische Theil dieser Kompositionen bestehen soll) findet sich überall nicht. So mußte Italien um so mehr die Lächerlichkeit des Urtheils des Mailänder Journalisten einsehen. Kein Volk darf sich rühmen, einen Romandichter zu besitzen, der sich mit Walter Scott messen dürfte; aber Frankreich, England und Deutschland haben bessere als David Bertolotti. Der einzige Roman, den das gegenwärtige Jahrhundert bis in die neueste Zeit aufzuweisen hat, ist Jacopo Ortil von Toscolo. Dieser Roman ist in Briefen abgefaßt, und in mancher Hinsicht, besonders in seiner Tendenz, Göthe’s Werther ähnlich; aber das Genie Ugo Toscolo’s, die Glut seiner Leidenschaften, die Stärke seiner Beredsamkeit gaben dieser Nachahmung die Farbe völliger Originalität, und die Lettere di Jacopo Ortil, in alle Sprachen übersetzt, und innerhalb weniger Jahre gegen hundert Male in Italien neu aufgelegt, haben, von der ganzen Nation gelesen und dem Gedächtniß eingeprägt, dem damals noch jugendlichen Dichter den höchsten Ruhm gebracht, aber auch viele Herzen und Köpfe verdorben. Ugo Foscolo, der übrigens kein besseres Werk in Prosa, als seinen Ortil aufzuweisen hat, gestand, in Bezug auf die letztere Bemerkung, in seinen letzten Lebensjahren offen, daß er sich schäme, jenes Werk geschrieben zu haben. Ich halte diesen Roman für den einzigen in unsern Tagen; denn ich glaube nicht, daß sich Italien auf einige schlechte Nachahmer Toscolo’s, die Lettere d’Oriele, oder die Pianta dei sospiri [730] des Defendente Sacchi aus Pavia, dem nach meinem Erachten alle Erfordernisse eines Romandichters abgehen, viel zu Gute thun wird. Am Ende dieses Jahres (1827) erhielt Italien endlich zwei Romane, würdig des Jahrhunderts und der Nation, welche in der Geistesproduktion keiner Andern den Vorzug einräumt. Den Verfasser des einen, Sibilla Odaleta, können wir nicht angeben, weil derselbe mit wirklich unnöthiger Bescheidenheit verschwiegen bleiben wollte; der andere, I promessi sposi ist von Alessandro Manzoni. Die Sibilla Odaleta [s 1]ist eine Erzählung aus den in der italienischen Geschichte so bekannten Zeiten, da Karl VIII, König von Frankreich, in Italien einfiel, um das Königreich Neapel zu erobern, und ihm, nachdem er sein Unternehmen mit dem unglaublichsten Glücke ausgeführt, kein anderer Wunsch mehr blieb, als wieder wohlbehalten nach Frankreich zurück zu ziehen. Der Roman ist sichtbar Walter Scott nachgebildet, dessen verwandten Dichtungen er auch an lebendiger Schilderung der Zeiten, der Oertlichkeit und der Sitten nicht viel nachsteht. (??) Sein Fehler besteht hauptsächlich darin, daß er historische Personen einführt, denen zum Theil wahre und zum Theil ungeschichtliche Handlungen zugeschrieben werden, so daß die Geschichte mit dem Roman sich vermengt. Allein, dieß ist ein Fehler, der nicht so wohl den Verfasser, als vielmehr die Romanart trifft, und den sich Walter Scott selbst zu Schulden kommen läßt. Dagegen kann man dem Schriftsteller mit Recht den Vorwurf machen, daß es seinem Stil oft an Reinheit und Genauigkeit und beinahe immer an jener Lebendigkeit gebricht, welche bei Werken dieser Art erfordert wird.

Die Promessi sposi, oder die Verlobten sind aus der spanischen Herrschaft in Italien genommen, und schildern das Land, wie es, von dem zu weit entfernten Hofe der Willkür der Lehnsleute und der kleinen Herren preisgegeben, in den Händen von Ministern sich befindet, welche die Regierung ihres Herrn und Königs nicht durch Handhabung der Gerechtigkeit beliebt zu machen verstehen. Die Verwicklung des Stückes liegt darin, daß ein gewaltiger Lehnsmann die Hochzeit zweier Leute auf dem Lande zu verhindern sucht, weil er selbst die Braut zur Befriedigung seiner Begierden ausersehen hat; die Pest in jener Zeit (das Stück spielt in den Tagen des Kardinals Borromeo) und die Revolution in Mailand, eine Folge hauptsächlich der durch unvorsichtige Verordnungen der bestehenden Regierung herbeigeführten Theurung, sind die beiden großen Episoden des Romans. Wir nennen sie Episoden, weil wir glauben, daß den eigentliche Roman die Abentheuer der Verlobten ausmachen, von denen das Buch den Namen führt. Der Verfasser hat übrigens seinen beiden Nebenerzählungen eine solche Ausdehnung gegeben, daß sie die Hauptstelle im Werke einnehmen. Deßhalb ist das Interesse nicht immer gleich lebhaft angesprochen, zuweilen tritt der eigentliche Gegenstand der Theilnahme für die Schicksale der Verlobten zu sehr in Hintergrund, und nur jenes allgemeine Interesse bleibt, das in den Werken eines großer Schriftstellers niemals fehlt.

Manzoni’s Roman theilt mit der Sibilla Odaleta den Ruhm, der erste, wirkliche Roman in Italien zu seyn, da beide zu gleicher Zeit erschienen, jeder aber besonders darthut, daß die italienische Sprache für diesen Zweig der Literatur äußerst geeignet ist, was Einige ihr abstreiten wollten. Wahr ist’s, in Hinsicht des Vortrags halten Manche die Verlobten für zu breit, Andere fanden ihn zu kleinstädtisch (municipale), und wieder Andere zu wenig edel; darin aber kommen Alle überein, daß die Wörter und Wortfügungen durchaus rein und genau sind, der Periodenbau dem Genius der italienischen Sprache immer getreu bleibt, und überall die nöthige Deutlichkeit mit dem Nachdruck des Ausdrucks zu verbinden weiß. Erfreulich war uns zu vernehmen, daß dieser Roman kaum in dem Ausland angekommen, in Berlin sogleich einen deutschen Uebersetzer fand.

[1069]
Vierter Brief.

Die erste regelmäßige Tragödie Italien war die Sofonisba des Trissino. Wie er in seiner Italia Liberata Schritt für Schritt dem Homer gefolgt war, so trat er nun in dieser Tragödie ganz in die Fußstapfen des Sophokles und Euripides und unterschied sich von ihnen blos in Bezug auf die Wahl des Gegenstandes, wo wie auf die Farbe der Ansichten, die er mit dem Zustandes des Volkes, für welches er sein Werk bestimmt, in Einklang setzte. Maffei wich in seiner Merope zwar großen Theils von den äußern Formen der Griechen ab, ohne sich jedoch an sein Zeitalter und sein Volk näher anzuschließen. Alfieri dagegen bot später ein völlig neues und ebenso bewunderungswürdiges als originelles Schauspiel dar. Seine Dichtungen sollten dazu dienen, politische und sittliche Ideen zu verbreiten, die er für seine Zeit und sein Volk geeignet glaubte; da er sich aber an die griechischen Muster hielt und zugleich seine Stoffe beinahe insgemein aus dem frühesten Alterthum nahm, so konnten sie jene Ideen nicht ohne Zwang, und ohne die historische Wahrheit der Charactere zu verrücken, in sich aufnehmen. Auch band er sich (wenige Fälle ausgenommen) an die schwierige Regel der bekannten Einheiten des Orts, der Zeit und der Handlung, und schloß jede Person, die nicht für den Gegenstand seiner Tragödie durchaus nöthig war, desgleichen den Chor der Griechen und die sogenannten Confidents der Franzosen aus. Sein Dialog ist, selbst wenn er ihn für die höchste Klasse der Gesellschaft berechnet hatte, viel zu edel und sein Vers nicht selten mehr hart und rauh, als kräftig. So sieht man denn leicht ein, wie Alfieri sich in unendliche Schwierigkeiten verwickeln mußte, die seinen Geist theils unnöthig beschränkten, theils völlig hemmten. Daher erklärt er z. B. daß der Tod der Maria Stuart sich nicht für das Trauerspiel eigne; während ihn nach einer andern Ansicht Friedrich Schiller zum Gegenstand einer seiner trefflichsten Tragödien wählte. – Dessen ungeachtet sind Alfieri’s Tragödien voll der erhabensten Schönheiten. Ohne daß seine Personen ihrem historischen Charakter widersprechen, sind sie doch im vollen Sinne des Wortes beinah nirgend historisch; weil er glaubte, keine gemeinen und gewöhnlichen Personen in die Tragödie aufnehmen zu dürfen, hat er uns die Tugenden und die Laster, zu denen sie sich nach der Geschichte hinneigten, immer im Extreme gezeichnet. In seinem Philipp zum Beispiel giebt er ein treffendes Bild von einem Tyrannen; allein da dieses Bild der Züge eines individuellen Lebens ermangelt, geht ihm bei aller idealen Schönheit die Wahrheit der Wirklichkeit verloren, und alle seine Tyrannen sind ein und derselbe Philipp. Wir sind weit entfernt, unter diejenigen zu gehören, welche den hohen Geist Alfieri’s und den Werth seiner erhabenen Dichtungen nicht achteten oder nicht gebührend anerkenneten; und wir würden seine Vorzüge mit Vergnügen herausstellen, wenn es hier dessen bedürfte, für jetzt aber wollen wir nur auf seine Mängel hinweisen, damit unsre Leser einsehen, warum und in welcher Hinsicht Manzoni und mit ihm einige andere Dichter von seinem Systeme abgewichen sind. Die Verehrung dieses Dichters in Italien ist so groß, daß, obgleich viele Kritiker dargethan haben, daß er in einigen Punkten gar nicht verdient, nachgeahmt zu werden, gleich wohl beinah alle Tragiker seit seiner Zeit bis auf unsere Tage, sich die Pflicht auferlegten, ihm wenigstens die Fehler seines Stils und Versbaues nach zu machen. Monti indessen bildet eine Ausnahme, und wenn er auch seinen Cajo Gracco ganz nach den Grundsätzen Alfieris geschrieben hat, so ist dagegen sein Aristodemo eine völlig griechische Schöpfung, und seinen Galeotto Manfredi kann man als den Uebergang von den Tragödien Alfieris zu denen der Romantiker betrachten. Ueberall ist sein Stil leicht und beweglich, sein Vers gefällig und harmonisch. Diejenigen, welche sich nach Monti als Tragiker in Italien mit Ehren nennen dürfen, sind Foscolo, Pindemonte, della Valle, Niccolini von Florenz; aber Keiner übertraf Alfieri, oder kam ihm gleich, obwohl ihn alle mehr oder weniger zum Vorbild genommen hatten. Wir wissen nicht, wie weit dieß Manzoni gelungen wäre, wenn er sich in Alfieri’s Weise versucht hätte. Da er aber auftrat, nachdem bereits der „Romanticismus“ Eingang gefunden, folgte er mehr Göthe und Schiller, und gab in seinen beiden Stücken Carmagnola und Adelchi Italien die ersten wahrhaft romantischen Tragödien. Das erste dieser Stücke hat den Tod eines berühmten Heerführers im Dienste von Venedig zum Gegenstand, das zweite den Sturz des Longobardenreichs. In diesen Trauerspielen ist keine der classischen Einheiten beobachtet; das Streben des Dichters ging vielmehr vor Allem dahin, die Geschichte so treu als [1070] möglich wiederzugeben. In Frankreich wurden sie von Fauriel übersetzt und in Deutschland, wo ihnen gleichfalls die Ehre einer Uebersetzung zu Theil ward, von Göthe sehr gerühmt. In Italien selbst erlebten sie mehrere Auflagen und fanden viele Lobredner, wurden aber nie aufgeführt und es erhoben sich auch nicht wenige tadelnde Stimmen gegen sie. Manzoni gab seinem Trauerspiel als eine Art Recitativ zwischen den einzelnen Aufzügen ein lyrisches Element und nannte es den Chor. Hierin wich er von den deutschen Romantikern ab, und doch kann man nicht sagen, daß es der griechische Chor sey, den er ins Leben gerufen hätte. Diese lyrischen Stellen stehen wirklich zu vereinzelt da und sind für die Tragödie ohne Bedeutung: aber wir glauben dennoch nicht zu Viel zu sagen, wenn wir behaupten, daß gerade ihnen jene beiden Compositionen großen Theils ihr Glück zu verdanken haben. Manzoni ist in seiner Lyrik wahrhaft grandios, und wenn auch sein Stück Adelchi als Drama keine besonderen Schönheiten aufzuweisen hat, wer wünscht nicht das Gedicht zu besitzen, in welchem der Verfasser der Inni sacri Ermengardens Tod besungen hat? Diese Chöre und einige pathetische Scenen haben (wir sind es überzeugt) Manzonis Tragödien die Bewunderung erworben, die ihnen in Italien und auswärts zu Theil geworden ist; übrigens verdienen sie nur ein bedingtes Lob und lassen ihren Verfasser immerhin noch tief unter vielen deutschen und französischen Tragikern. Es ist keine Schande, von einem Schiller oder Göthe übertroffen zu werden; immer aber gehört Manzoni wenn nicht zu den größten, doch zu den großen Geistern.

Nach Manzoni haben noch Andere in der romantischen Tragödie sich versucht, unter ihnen der Cremonese Tebaldi Fores und Professor de Christoforis aus Mailand. Beide aber scheinen den Ruhm und das Gedeihen der Schule, der sie anhingen, eben nicht gefördert, sondern vielmehr ihre ganze Partei in Miskredit gebracht zu haben; sie blieben weit unter Manzoni. Christoforis wollte in seiner Tragödie (Sergianni Caracciolo) jene Mischung des Komischen und Tragischen einführen, wie man sie bei Shakspeare findet: es läßt sich aber leicht errathen, welchen Erfolg diese Neuerung in Italien gehabt hat. Unser Urtheil ist unbefangen und unparteiisch und wir hoffen, dieß unsern Lesern sowohl in diesem als in jedem andern Punkte darzuthun. Wir sind mit dem berühmten Manzoni einverstanden, wenn er behauptet, daß Italien nur dann, wenn es das Gesetz der sogenannten klassischen Einheiten aufgibt, die Zahl seiner guten Tragödien vermehren werde; allein wir sind auch der Meinung, daß bis jetzt weder er, noch seine Nachfolger ein Werk hervorgebracht haben, das den von ihnen befolgten Grundsätzen wahrhaft Ehre gemacht hätte. Ein Gleiches müssen wir auch von den Klassizisten behaupten; weil außer Monti, Foscole und della Valle (mehr bekannt unter dem Namen des Herzogs von Ventignano) die Andern Nichts, was Italiens würdig wäre, geleistet haben. Man darf übrigens hoffen, daß die italienische Tragödie einer großen Zukunft entgegensieht, da die Zahl der Erzeugnisse aus diesem Fach in den letzten Jahren bis ins Unglaubliche zugenommen hat und von einer Nation, wie die italienische, wenn sie sich mit Eifer eines Gegenstandes bemächtigt, nur günstige Resultate zu erwarten sind. Unter seine Romantiker zählt seit einigen Jahren Italien auch den Dichter Tommaso Grossi, den Verfasser der Lommbardi alla prima crociata: des größten Werkes, das die romantische Schule bis jetzt in Italien besitzt. Grossi trat zuerst mit einigen Poesien in der mailändischen Mundart auf, worin er seinem berühmten Freunde Carlo Porta nacheiferte. Nach dessen Tode ward Grossi diesem Dialekt untreu, und versuchte sich in der gmeinsamen Sprache Italiens. Er begann mit der Novelle l’Ildegonda und schritt sodann zu dem Plan eines langen Gedichtes in fünfzehn Gesängen, worin er den ersten Kreuzzug zu schildern versucht. L’Ildegonda ist voll des glühendsten Affektes, in einem verständlichen, leichten und gefällig nachlässigen Stile geschrieben.

[1075] Einige Gelehrte wollten die Geißel der Kritik über Großi’s Ildegonda schwingen, die unseres Bedünkens nicht über allen Tadel erhaben war; allein die ganze Nation zollte dem jugendlichen Dichter ihren Beifall, und hegte die schönsten Hoffnungen von ihm, die man allgemein in seinen Lombardi alla prima crociata verwirklicht zu sehen erwartete. Die Idee zu diesem Gedichte gaben Grossi vielleicht einige Artikel von Ermes Visconti in seinem Conciliatore, einem Journal, das einige Zeit in Mailand erschien und sich die Vertheidigung des Romanticismus zur Hauptaufgabe gemacht hatte. Visconti glaubte, Tasso hätte seinen Gegenstand nicht gehörig zu benutzen gewußt, und die Kreuzzüge dürften immer noch einem Romantiker den glücklichsten Stoff zu einer Bearbeitung darbieten. Ueberzeugt durch Visconti’s Autorität, oder, weil er selbst sich die Sache so dachte, wagte sich Grossi an diese schwierige Aufgabe und schrieb seine Lombardi alla prima crociata. Wir sind der Meinung, daß man bei Werken der schönen Künste, wofern nicht starke Gründe für das Gegentheil sprechen, die allgemeine Stimme der Nation als sehr gewichtig annehmen müsse und haben deshalb in diesen Artikeln nie unterlassen zu bemerken, wie sich die Nation über die Werke, die wir zu nennen Gelegenheit hatten, ausgesprochen habe. So dürfen wir nun auch hier nicht übergehen, daß die Lombardi insgemein von der ganzen Nation ungünstig beurtheilt wurden, so entschieden auch das Vorurtheil war, das man für den Dichter gehegt hatte. Es fand sich, daß Grossis Gedicht, da wo es der Geschichte treu bleibt, eine bloße Chronik in Versen, und im Uebrigen eine sentimentale Novelle ohne Verknüpfung mit dem eigentlichen Thema ist. Der Stil selbst war nicht sehr verschieden von dem in der Ildegonda. Nur stellten sich bei dieser größern Arbeit die Fehler mehr heraus, die aus einer gewissen Mißachtung aller Kunstregeln entsprangen, was denn sehr leicht in Nachlässigkeit überhaupt und in Nichtpoesie ausartet. Die Ausgabe der Lombardi, die der Verfasser in Mailand veranstaltete, wurde schnell beinah ganz verschlossen, weil der Ruf, dessen er sich erfreute, ihm gleich beim Erscheinen des Werks mehr denn 2000 Abnehmer verschaffte: später ward es nur noch einmal aufgelegt; und Italien spricht jetzt weder von dem Gedichte, noch von dem Dichter mehr. Einige hatten geweissagt, Grossi’s Gedicht würde das befreite Jerusalem in Schatten stellen; und wirklich könnte man glauben, daß Grossi selbst sich dergleichen Träumen hingab, wenn man sieht, daß er in mehreren Stellen geradezu die Lanze gegen Tasso eingelegt hat. Aber wie dem auch sey, der Ruhm des großen und unglücklichen Dichters ist aus diesem Streite nur noch herrlicher und glänzender hervorgegangen.

Soviel von den Werken romantischer Dichtkunst. Indessen versuchten sich einige andere Dichter in der Epopöe nach den antiken Gesetzen dieser Gattung. Professor [1076] Bagnoli in Pisa schrieb den Cadmo, Arici la Gerusalemme distrutta da Tito Vespasiano, Nini L’Italiade und endlich Bellini la Colombiade. Vielleicht hat man nicht Unrecht, wenn man behauptet, daß die antike Epopöe sich mit dem jetzigen Zustand der Gesellschaft nicht vertrage. Wenigstens hätte man, wenn man aus diesen mißlungenen Versuchen folgern dürfte, einen starken Beweis dafür. Um aber einen solchen Schluß zu rechtfertigen, müßte ein ausgezeichneter Geist sich an ein solches Unternehmen wagen; es wäre nöthig, daß z. B. Monti in die Trompete der Epopöe gestoßen und den Beifall seiner Nation nicht zu erhalten vermocht hätte. Wir schätzen übrigens Arici als einen feinen Verskünstler, können ihm aber keine Stelle unter den wahrhaft großen Dichtern einräumen; wir schätzen Nini wegen seiner Georgica dei fiori, glauben aber nicht, daß er zu einem höhern Fluge Athem genung habe; wir schätzen Bagnoli wegen seiner Gelehrsamkeit und Gewandtheit, womit er die Sprache bemeistert; wovon er auch in verschiedenen andern lieblichen Poesien und besonders in seinem schönen kleinen Gedichte L’Agricultura löbliche Proben abgelegt hat; aber dasselbe Lob als Epiker müssen wir ihm verweigern; Bellini können wir nicht einmal so Viel zugestehen. Er ist mit einer glühenden Phantasie begabt, aber es gebricht ihm an guten Studien, auch hat er kein sicheres Urtheil. Wenn aber Italien keine Epopöe hat, steht es deshalb den andern Nationen nach? Giebt es in unserer Zeit ein Land, das sich rühmen dürfte, ein Epos zu besitzen? Diese Betrachtung könnte uns leicht auf die Meinung führen, die ich so eben andeutete, daß die Epopöe sich nicht mit den Zeiten, worin wir leben, vertragen wolle; allein wir müssen uns für jetzt mit der Sammlung von Thatsachen begnügen und wollen diese Grenzen nicht überschreiten und nur noch schließlich bemerken, daß unter die größern poetischen Versuche der Art, die in unsern Tagen in Italien erschienen sind, auch der Bardo della selva nera von Monti zu setzen ist – ein Gedicht voll echtpoetischer Schönheiten, und dennoch in Anlage und Ausführung gleich unglücklich. Viele beifallswerthe Gründe könnte der Dichter dafür anführen, daß er sich aller antiken Formen entschlug, aber wenige dürften wir dafür finden, daß er eine dem Geschmack der italienischen Poesie so wenig zusagende Form gewählt hatte. Warum hat es Monti, der in seiner Baßvilliana ein Gedicht sui generis geschaffen, bei dieser zweiten Unternehmung nicht ebenso gemacht?

Wir haben früher bemerkt, daß wir Nini wegen seiner Georgica dei fiori den Titel eines nicht gewöhnlichen Dichters zugestehen. Dieses Gedicht soll uns zum Uebergang auf eine kurze Schilderung der neueren didaktischen Poesie Italiens dienen, unter welcher es nicht die oberste Stelle einnimmt. Bartolommeo Lorenzi war, wie wir glauben, der Erste, der in seiner Coltivazione dei Monti in unsern Tagen den Alamanni und Spolverini nachgeeifert hat. Diese kleine Dichtung ist voll lieblicher Bilder, ihr Stil leicht und rein, aber ihr fehlt jenes phantasiereiche episodische Element, das den an sich armen und unpoetischen didaktischen Stoff belebt und erweitert. Dem schon erwähnten Cesare Arici mit seinen il Corallo, gli Ulivi und la Pastorizia gebührt unstreitig unter den Lehr-Dichtern Italiens der erste Rang. In allen drei Dichtungen entwickelte er einen Reichthum der Gedanken und der Sprache, den Wenige vor ihm erreicht hatten; aber in dem letzten übertraf er sich selbst und verdiente, daß ihn die Nation unter ihre bessern Dichter setzt. Die Erfindung ist zwar auch in Pastorizia nicht seine stärkste Seite, allein auch hier enthüllt sich eine blühende Fantasie, und es fehlt nicht an glänzenden Partien. Ein Mitbürger Arici’s, Giuseppe Nimolini von Brescia, ist der Einzige, welcher sich mit ihm vergleichen ließe. Seine Coltivazione dei cedri ist ein Werk, das alles Lob verdient und athmet einen so reinpoetischen Duft, wie man ihn vielleicht in keiner Dichtung des vorigen Jahrhunderts findet. Auch im beschreibenden Gedicht, welches sich dem didaktischen sehr nähert, hat sich neben Pindemonte Arici berühmt gemacht. Aber Italien besitzt in dieser Gattung ein kleines Werk, dem vielleicht keine andere Nation ein gleiches an die Seite stellen kann, wir meinen l’Invito a Lesbia von Mascheroni, was Monti veranlaßte, die Mascheroniana zu schreiben. In diesem Gedicht, in welchem sich der berühmte Mathematiker zum ersten Male als nicht minder trefflichen Dichter kund giebt, ladet er eine Dame zu einem Besuch auf der Universität Pavia ein, wo er Professor war, und um ihr die Einladung recht dringend zu machen, so weiß er in die Beschreibung dessen, was sie in diesem Heiligthum der Wissenschaft Sehenswerthes finden sollte, einen poetischen Zauber hineinzulegen, der Alles übertrifft, was in dieser Gattung je geleistet worden war.

[1093]
Fünfter Brief.

Unter dem Namen dramatischer Poesie verstehen wir noch das Melodram (opere per musica) und die Komödie. Ersteres theilt sich in das ernste und in das komische, und gehört fast ausschließlich Italien an, weil kein anderes Volk eine zur Musik so geeignete Sprache besitzt. Der Schöpfer des ernsten Melodrams war Ottavio Rinuccini, der gegen das Ende des 16 Jahrhunderts lebte. Im folgenden Jahrhundert hielten Guidi, Testi, Chiabrera, Maggi und Lemene, alle Dichter von hohem Rufe, es nicht unter ihrer Würde, in dieser Dichtart zu schreiben; aber Apostolo Zeno (geboren 1668, gestorben 1750) trachtete nach dem Ruhm sie auf eine höhere Stufe der Vollendung gebracht zu haben, und Pietro Trapassi (gewöhnlich unter dem Namen Pietro Metastasio bekannt) hat sie wirklich vervollkommnet. Die Erfindung deskomischen Melodrams dagegen schreibt man gewöhnlich Orazio Vecchi zu, der im Jahr 1597 in Venedig seinen Antiparnaso herausgab, und Wiederhersteller desselben waren Girolamo Gigli, der schon erwähnte Apostolo Zeno, Carlo Goldoni, Ronieri de’Casalbigi, und vor Allen Giambattista Casti, welche alle im 18 Jahrhundert lebten; endlich auch Einige im gegenwärtigen Jahrhundert. Nach ihnen kamen beide Arten von Melodram in Verfall, theils wegen zu großer Ansprüche der Componisten und der Sänger, theils auch wegen der Nachlässigkeit des Publikums, das in den übergroßen Theatern von Mailand und Neapel Nichts denn Ohrenkitzel und überraschende Scenen sucht, ohne sich um Reden im Drama zu kümmern. Während das eigentlich komische Melodram bereits gänzlich vergessen ist, hat das ernste sich von seiner ursprünglichen Form so sehr entfernt, hat jenen Adel, zu welchem Metastasio es erhob, so sehr verwischt, daß man es beinahe nicht mehr erkennt. Metastasio, einer der ersten Dichter seiner Zeit, ein nicht unbedeutender Gelehrter, ein vollkommner Kenner der Sprache, in welcher er schrieb, war ein Melodramatiker. Gegenwärtig aber sind die Schriftsteller in diesem Fache Männer ohne Namen, welche zu einer Classe gehören, wo man um Verse zu machen keines dichterischen Berufs bedarf. Bagnoli und Doctor Giovanni Gherardini, ausgezeichnet durch ihre Gelehrsamkeit und ihren feinen Geschmack, hätten wohl etwas Schönes geleistet; sie haben aber Italien nur wenige Melodrame gegeben, und sich bald aus einem Felde zurückgezogen, auf welches sich die verächtlichsten Skribler eingedrängt hatten. Noch ist Angelo Anelli zu nennen, der sich mit Erfolg in beiden Arten von Melodram versuchte, aber außer diesen Dreien giebt es auch keinen Einzigen, der Italien jenen alten Ruhm behauptet hätte. Vielleicht erscheint unser Urtheil zu streng, aber wir glauben jeden Mann von gutem Geschmack für uns zu haben und sind auch der Meinung, daß Italien nicht so leicht auf ein Vorrecht verzichten dürfe, das seine schöne und edele Sprache ihm vor den andern Völkern eingeräumt hat.

Was die Komödie betrifft, (die wir in das Gebiet der poetischen Produktionen setzen, wenn sie gleich nicht mehr in Versen geschrieben wird) so glauben wir, daß ihrer Vervollkommnung in Italien ein sehr wesentliches Hinderniß im Wege steht. Die Komödie soll die Sitten der Nation schildern und durch Spott zu bessern suchen; wo findet aber der Dichter den Typus der Nationalsitten in Italien, das keine Hauptstadt hat, die für die übrige Nation den Ton angeben könnte? Vermochte doch selbst Goldoni, der erfahrne Menschenkenner, dieses bedeutende Hinderniß nicht ganz zu besiegen, wenn er in seinen Komödien fast ausschließlich nur das venzianische Gesellschaftsleben darstellt, so daß das übrige Italien einen großen Theil von den Schönheiten seiner Werke gar nicht verstehen kann. Ohne dem großen Talente des Advokaten Goldoni zu nahe zu treten, geben wir kurz unsre Bemerkungen. Nota von Turin und Giraud scheinen uns die besten Komiker unsrer Zeit zu seyn: aber man muß hinzufügen, daß im Ganzen das italienische Theater, einige ältere Nationalstücke ausgenommen, seit einiger Zeit fast nur mit Uebersetzungen französischer oder deutscher Lustspiele bedient wird. Der gaetanische Professor Barlieri gab zwar unter dem Titel Repertorio teatrale eine zahlreiche Sammlung von Komödien heraus, die gegenwärtig von den italienischen Schauspielern aufgeführt werden; allein in diesem Repertorium sind es auch die Uebersetzungen, welche bei Weitem die Mehrzahl bilden, und die noch überdieß vor den Originalweken den Vorzug verdienen. Wir dürfen nicht unbemerkt lassen, daß in den letzten Jahren einige Italiener die Komödie in Versen wieder ins Leben zu rufen versuchten; sie haben aber (wie es auch nicht anders seyn konnte) die Ansicht aller verständigen Kritiker gegen sich. –– ––

Es ist schon erwähnt worden, daß Monti, Pindemonte und Foskolo den Homer übersetzten. Michele Leoni, Mancini von Florenz und Professor Fiocchi aus Pavia gaben Italien gleichfalls eine Uebersetzung Homer’s, der Erste in ungereimten Versen, die beiden Andern in [1094] ottava rima. Leoni’s Uebersetzung scheint uns dem Genius Homers sich am Meisten zu nähern, und wäre nicht die von Monti da, so würde unstreitig sie den ersten Rang behaupten. Mancini hat den Vers nicht besonders in seiner Gewalt, so daß er oft einem Reime nachläuft und seinen Text dabei aus dem Gesichte verliert. Fiocchi, der wenig Reichthum und Auswahl im poetischen Ausdruck besitzt, liest sich dennoch besser als Mancini; er hat nicht allein die Iliade, sondern auch die Odysse und die Fortsetzung des Quintus Kalaber übertragen. Auch der vor einigen Jahren in Mailand verstorbene Luigi Rossi hatte in letzterer Zeit diesen Fortsetzer Homers übersetzt; allein seine Uebersetzung in ungereimten Versen zeigt, daß der Verfasser zwar ein weiser und gelehrter Mann, aber kein Dichter war. Wie Homer, so hatte auch Pindar in unsern Tagen in Italien seine Uebersetzer gefunden. Adimari hat eine schätzbare Uebersetzung geliefert. Mezzanotte übertrug ihn einmal in wörtlicher Prosa und dann in Versen, ungefähr wie Cesarotti Homer übertragen hatte. Allein die italienische Sprache paßt nicht, wie die lateinische, zu wörtlichen Uebersetzungen aus dem Griechischen, und so wurde die prosaische Ausgabe Mezzanotte’s in vielen Stellen dunkel und läßt von der großartigen Erhabenheit des Textes Viel verloren gehen. Seine poetische Uebersetzung entfernt sich dagegen zu sehr vom Texte und verwäscht in langen Umschreibungen Pindars Kraftgedanken. Mezzanotte kann nichts destoweniger zu dem allgemeinen Verständnisse dieses großen Lyrikers in Italien sehr Viel beitragen, da er seine Uebersetzung mit einer Fülle von gelehrten Noten versehen hat. Als Uebersetzer Pindars an sich betrachtet ist er jedoch bereits von dem Kanonikus Borghi in Florenz übertroffen worden. Statt der Noten schickte Borghi jeder Ode unter dem Titel Argomento eine lange theils ästhetische, theils exegetische Abhandlung voraus. Ein anderer Toskaner, Lucchesini, machte sich gleichfalls an dieses schwierige Unternehmen, und mag vielleicht an Wohlklang des Verses Borghi übertreffen. Auch von dem Abbate Antonio Bianchi in Brescia, der bereits mehrere Gesänge Pindars in italienische Oden übertragen hat, dürfte mit Nächstem auf diese Art der ganze Pindar erscheinen. Mag Bianchi in Hinsicht des poetischen Talents und der Meisterschaft über die glänzende Dichtersprache, die uns in jeder Stelle Pindars entgegentritt, mit Borghi sich nicht messen, so versprechen doch seine gründliche Kenntniß des Textes und sein unermüdlicher Fleiß Italien ein sehr tüchtiges Werk. Es wäre nur zu wünschen, daß er seiner Uebersetzung den Text vordrucken ließe und ihn mit Noten begleitete; denn als Philolog könnte er hierin noch mehr leisten als Mezzanotte. Schließlich erwähnen wir noch Giovanni Costa’s, der nach Sudorio’s Vorgang Pindar in lateinischen Versen übersetzte. Costa ist unstreitig getreuer und bewahrt den hohen Schwung der Pindarischen Dichtung besser. Zwischen Pindar und Horaz ist eine unendliche Verschiedenheit des Stils, und wenn der Uebersetzer Pindars, wie Sudorio gethan hat, zusehr den lateinischen Lyriker nachzuahmen sucht, so muß er nothwendig die Grundzüge des Griechen verwischen. Costa, der aus den Klassikern vom Zeitalter Augusts eine gute Latinität geschöpft hat, suchte ein treues Abbild der Pindarischen Erhabenheit wieder zugeben. Seine Uebersetzung ist von kurzen, brauchbaren Noten begleitet. Vorausgeschickt sind ihr einige Abhandlungen oder Argomenti, denen vielleicht die schon erwähnten Borghischen ihren Ursprung verdanken.

[1099] Auch die zarten Dichtungen Anakreons und Sapphos haben in der neuesten Zeit einige Uebersetzer gefunden; unter denen sich Marchetti und Paolo Costa, Professor in Bologna, auszeichnen. Doch wir gehen von den kleinen Dichtern auf die größern griechischen Klassiker über. Italien hatte sich vor Felice Bellotti vielleicht nicht einer einzigen glücklichen Uebersetzung eines griechischen Trauerspiels zu rühmen. Bellotti begann mit Sophokles und führte, noch als Jüngling, sein muthvolles Unternehmen zu einem rühmlichen Ende. Dem Sophokles folgte Aeschylus; und man versichert uns, daß in kürzester Frist auch einige Trauerspiele des Euripides von ihm erscheinen werden. Wer nur in Etwas die vielfachen und bedeutenden Schwierigkeiten kennt, auf die man bei Sophokles und Aeschylus stößt, der muß sich über die Ungezwungenheit und Klarheit wundern, die in der ganzen Uebersetzung Bellottis herrscht. Sein Vers und sein Stil scheinen uns zwischen dem Alfieri’s und dem Parini’s beinah die Mitte zu halten, und entsprechen der edeln und ernsten Einfachheit des Sophokles vollkommen. Wo sich der Text in den Chören zu Pindarischer Höhe steigert, da erhebt sich auch der Uebersetzer, so daß er unsre volle Bewunderung gewinnt; wo aber der Inhalt in der Ursprache etwas dunkel wird, weiß ihm Bellotti Klarheit und Glanz zu geben, ohne von seinem Gesetze einer fast zu gewissenhaften Treue abzuweichen. Indessen erschien eine zweite Uebersetzung des Sophokles von Angelelli in Bologna, gleichfalls von hohem Werth, doch dürfte sie der Bellottischen die Siegespalme nicht streitig machen. In Hinsicht der Treue und der Gewandtheit des Ausdrucks stehen sich beide gleich, aber sie sind sehr verschieden im Stil und im Vers. Angelelli liebt Petrarkische Redensarten und hat einen durchaus ruhig gehaltenen Ton; Bellotti dagegen nähert sich Dante’s Stil und dem epischen Charakter. Aber eben deswegen glauben Einige, daß Angelelli Bellotti übertroffen habe, indem sie behaupten, die Eigenthümlichkeit der Griechen sey überall Einfalt, fern von allem Pomp und Alfierischem Ungestüm. Wir sind aber der Meinung, daß Aeschylus und Sophokles nicht einfach genannt werden können, außer etwa im Vergleich mit Pindar, und glauben, daß Angelelli weit unter der Höhe stehe, auf welcher sich Sophokles hält. Wahr ist, daß Sophokles in seinem Trauerspiel den heroischen Vers vermied und damit zeigte, daß er sich nicht soweit erheben wollte; allein demungeachtet ist sein Vers so edel, daß Bellotti’s Weise mit dem Wesen desselben sich wohl verträgt. Der Tadel wäre gerecht, wenn Bellotti den Euripides in demselben Ton übersetzte, wie den Aeschylus und Sophokles. Wir wissen übrigens, daß in Italien Niemand die Verlegenheit in Abrede stellt, in welche Bellotti durch Angelelli’s Unternehmung versetzt wurde, wollen aber diesen Streit nur deshalb nicht unerwähnt lassen; weil er uns Gelegenheit giebt, einen Umstand zu berühren, der bei einer Beurtheilung der italienischen Literatur nicht mit Stillschweigen übergangen werden darf. Die Stadt Bologna, der man vor Zeiten den Ehrentitel „die Gelehrte“ zugestanden, weicht in literarischen Ansichten großen Theils von der ganzen übrigen Nation ab; und ob sie gleich zur Zeit nur noch äußerst Wenig ihrer antiken Weisheit bewahrt, macht sie unter allen Städten Italiens auf die höchste Stelle Anspruch. Professor Paolo Costa, ein lobenswerther Kommentator Dante’s, ist, wenn wir nicht irren, der erste Gelehrte daselbst, aber das übrige Italien rühmt sich noch ganz anderer Männer. Jemehr sie deshalb sehen, daß jener Ruhm ihnen entgeht, auf den sie so eifersüchtig sind, destomehr suchen sie das Wenige, was ihnen noch davon bleibt, zu preisen und zu verherrlichen; daher denn auch die großen Lobsprüche, die in Bologna Angelelli’s Uebersetzung zu Theil wurden, ohne daß Bellotti’s Name nur genannt worden wäre. Wir wollen gerade nicht behaupten, daß Angelellis Verdienst zu unbedeutend sey, als daß das Land, dem er angehört, darauf stolz seyn dürfte; nur können wir nicht glauben, daß ihn Jemand mit gutem Gewissen über Bellotti stellen könne.

Wie die Griechen, so sind auch die lateinischen Dichter in unsern Tagen auf’s Neue in Italien übersetzt worden. Der schon mehrmals erwähnte Arici übersetzte alle Werke Virgils, sogar mit Einschluß derjenigen, die dem großen Dichter gewiß nicht angehören, sondern nur seinen Namen tragen. Seine Uebersetzung der Aeneide kommt [1100] nicht in Vergleich mit der von Annibal Caro, ob sie gleich im Ganzen getreuer und ausgearbeiteter ist; in seinen Georgica und Eklogen aber hat er alle früheren Uebersetzer unstreitig übertroffen und Italien ein schätzbares Werk geliefert. Noch andere neuere Uebersetzer, welche hinter Arici zurückgeblieben, übergehen wir; da wir nur die letzten Resultate der italienischen Literatur geben wollen. Deshalb nennen wir auch von den vielen in diesen Jahren in Italien erschienenen Uebersetzungen des Horaz bloß die des Marchese Gargallo, der nach dem einstimmigen Urtheil nicht nur der Gelehrten, sondern der ganzen Nation alle seine Vorgänger bei Weitem übertroffen hat; und wir behaupten, daß die Uebersetzung des Marchese Gargallo eine der gelungensten ist, die man in der gesammten europäischen Literatur aufweisen kann, sowohl an sich, als wegen der Noten, wovon diese nützliche Schrift zum Behuf der studirenden Jugend begleitet ist. Auch Catull, Tibull und Properz wurden in unsern Tagen übersetzt, aber weder von einem Arici noch einem Gargallo; und die Pharsalia des Lukanus fand in dem Grafen Cassi einen nicht unwürdigen Uebersetzer.

In demselben Maße, in welchem der Romantizismus in Italien des Geschmacks der Nation sich bemächtigt, nehmen auch die guten Uebersetzungen der englischen und deutschen Dichter zu. Leoni hat Shakspeare, Papi Milton, und Pompeo Ferrari schon vor mehreren Jahren die Trauerspiele Friedrich Schillers in italienischer Prosa übertragen. Ein Toskaner, dessen Namen mir im Augenblick nicht beifällt, übersetzte die Sappho des Wieners Grillpartzer in Versen. Vor allen Uebersetzern aus dem Deutschen aber steht Carlo Andrea Maffei oben an. Schon als zarter Jüngling, als er noch in Pavia die Rechte studirte, übertrug er Geßner’s Idyllen in terza rima. Dieses Werkchen wurde im Verlauf weniger Jahre zu wiederholten Malen aufgelegt, und wird als eines der lieblichsten poetischen Producte unsrer Zeit betrachtet. Die Uebersetzung hat nur einen Fehler, dieser aber ist von der Art, daß sich mancher andere Uebersetzer dessen rühmen würde, – die Phantasie Maffei’s sträubt sich gegen die Schranken, in welche sie die Pflicht eines bloßen Uebersetzers einzwängte. Nach dieser ersten minder schwierigen Arbeit setzte sich Carlo Maffei eine größere Aufgabe, die Uebersetzung der Messiade: der Gegenstand der höchsten Erwartung von ganz Italien, die besonders durch einige Probstücke, die in öffentlichen Blättern erschienen, geweckt wurde. Indessen fährt er auch mit der schon früher begonnenen Uebersetzung einiger Trauerspiele Schillers fort. Er hat kürzlich die Braut von Messina vollendet und schon hören wir, daß er auch an Maria Stuart arbeitet. Der Braut von Messina ist eine Abhandlung Francesco Ambrosoli’s vorangeschickt, worin derselbe sich nicht bloß über die Werke Schillers, sondern über das ganze deutsche Theater in Vergleich mit dem italienischen, französischen und griechischen verbreitet. Und so weihen denn diese beiden Jünglinge, die weder für die Klassizisten, noch für die Romantiker Partei nehmen, ihre Studien einem viel nützlicheren Zwecke, als so viele Andere, die sich in Italien mit eiteln und nutzlosen Untersuchungen beschäftigen.

Wir schließen unsere Notiz über die poetischen Uebertragungen mit der Bemerkung, daß auch die biblischen Poesien in unsern Tagen in Talien übersetzt worden sind. Schon der berühmte Diodati hat in seiner ausgezeichneten Uebersetzung der Psalmen, die er in trefflichen Oden wieder gegeben hat, ein schönes Musterbild für diese Gattung hinterlassen; und in den letzten Jahren haben Leoni und noch mehr Professor Elario Cesarotti gezeigt, wie die italienische Sprache, wenn man sie nur recht versteht und in der Gewalt hat, die Schönheiten dieser alten religiösen Dichtungen mit dem besten Erfolge wiedergeben kann.

[1116]
Sechster Brief.

Wir haben in den bisherigen Briefen das ganze Feld der gegenwärtigen italienischen Literatur durchlaufen, und mit Uebergehung des minder Wichtigen den Lesern dieser Blätter möglich gemacht, über den Stand der literarischen Bildung Italiens in unsern Tagen einen genügenden Ueberblick zu bekommen. Italien ist, wie mehrere andere Staaten, in einer literarischen Wiedergeburt begriffen; und wenn es nicht durch zu große Verehrung der Alten, oder durch übertriebene Neuerungssucht auf Abwege geräth, darf man sich bald einen Grad der wissenschaftlichen Vervollkommnung versprechen, auf den es noch nie gestiegen war. Die beiden Schulen, die sich beim Beginn dieser Wiedergeburt getrennt hatten, nähern sich einander mit großen Schritten, und schon haben Einige erkannt und ausgesprochen, daß man auf beiden Seiten gute Belehrung und nachahmungswürdige Vorbilder finde. Einerseits verbreiten die Uebersetzungen der Griechen und Römer, welche in neuerer Zeit die antike Schule herausgegeben hat, reinen und ächten Geschmack, verbunden mit der Liebe und Kenntniß jener Musterbilder, denen sich Italien, ohne sich seiner Natur zu entäußern und seinen Nationalcharakter aufzugeben, nie ganz entfremden kann. Andrerseits zeigt die eigenthümliche Gestaltung der deutschen und der englischen Bildung und selbst die Art der Assimilirung unsrer eigenen bessern Dichter mit dem Alterthum, daß jedes Zeitalter sich seine eigene Literatur, die seinem religiösen Glauben, seinen Sitten, Neigungen und Gesetzen, überhaupt seinem ganzen physischen und moralischen Seyn zusagt, schaffen könne und solle. Italien darf sich nicht von der griechischen und römischen Kunst lossagen, aber die Lehren und Fingerzeige, die ihm von außen kommen, auch nicht von sich weisen. Die Anstrengungen, welche andere Völker gemacht haben, sich der Barbarei zu entziehen, muß Italien zur Zeit machen, sich der literarischen Superstition zu erwehren. Soll Italien zugeben, daß seine Dichter, in Mitte so vieler Reize der Schöpfung und unter dem Einfluß ihres heitern Himmels die trüben Gesänge des Nordens nachtönen, daß sie ihre Bilder in die düstern Farben einer unbegünstigten Natur kleiden, indeß sie Freude umlacht und ein ewiger Frühling umweht; daß sie sich in Lobpreisungen Griechenlands und Roms erschöpfen, indeß sie eine ruhmbekränzte Nationalgeschichte haben; daß sie in den feierlichsten Augenblicken des Lebens Venus, Amor und Jupiter anrufen, während seit Jahrhunderten diese Aftergottheiten dem Gott der Wahrheit gewichen sind, und die Finsterniß des Heidenthums durch das heilsame Licht des Evangeliums aufgehellt ist? Doch bedarf Italien unsres Rathes nicht mehr; er wird ihm täglich von seinen Gelehrten wiederholt und in allen literarischen Journalen gepredigt. Unter diesen nehmen die ersten Stellen ein die Biblioteca Italiana, welche in Mailand erscheint, und die Antologia von Florenz. Die Biblioteca Italiana, an welcher anfangs Monti, Giordani, Brocchi, Bossi und viele andere, in jedem Zweige der Literatur und Wissenschaft ausgezeichnete Gelehrten arbeiteten, hat stets ihren Vorrang unter den vielen Journalen Italiens behauptet. Einige betrachteten und betrachen sie noch jetzt als die abgesagte Feindin aller literarischen Neuerung, weil sie, als Ermes Visconti seine Ansichten über die romantische Poesie zu Tag förderte, die erste war, die sich wider ihn erhob. Durfte aber ein italienisches [1117] Blatt es einem Schriftsteller ungeahndet hingehen lassen, wenn er wagte, öffentlich auszusprechen, Tasso habe die Idee seines Gerusalemme schlecht ausgeführt, und wenn er dann Vorschläge machte, wie jener Stoff besser zu behandeln gewesen wäre? Die Biblioteca Italiana ist ein strenges Blatt, aber äußerst gerecht. Wir fanden z. B. mehrmals in einem Artikel die Beurtheilung einer klassischen und eienr romantischen Tragödie, und überzeugten uns, daß ihr Urtheil höchst unparteiisch war. Man lese die Recensionen über Manzoni und Grossi, die Artikel über Shakspeare, Göthe und Schiller, worin diesen Dichtern die schönste Anerkennung zu Theil wird, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß die Mitarbeiter des Blattes das Schöne, wo sie es finden, zu schätzen wissen und in den Wissenschaften keine nationellen Rivalitäten gelten lassen. Der Antologia di Firenze dagegen wird vorgeworfen, daß sie ganz auf der Seite der romantischen Schule stehe. Sie hat zu mehreren Malen prophezeit, daß in wenigen Jahren ganz Italien, ja alle Nationen dieser Schule huldigen würden; und dadurch wird die Anklage der Parteilichkeit, die man gegen sie erhebt, so ziemlich gerechtfertigt, wiewohl es nicht an Artikeln fehlt, welche für die klassische Schule gegen die romantische Partei nehmen. Am Fache der Moral und Politik dürfte übrigens die Antologia manchmal vor der Biblioteca im Vortheil seyn. Diese beiden Journale, an welchen die gründlichstgelehrten Kritiker und die geschmackvollsten Schriftsteller der Nation arbeiten, sind zwar die ersten, aber nicht die einzigen guten Blätter; das Giornale Arcadico di Roma, das Giornale di Napoli, das von Pisa und noch viele andere wissen den Ruhm ihres Landes zu behaupten, und arbeiten an der Wiedergeburt ihrer vaterländischen Literatur, die mit nach jener Höhe der Bildung strebt, auf welche Europa sich zu stellen berufen ist.

Wie die schöne Literatur, so werden gegenwärtig auch die ernsten Wissenschaften und die Künste in Italien mit vielem Eifer angebaut. Die Mathematik ist nach dem Verluste des Professors Brunacci nicht vernachlässigt worden. Selbst sein Nachfolger auf dem Katheder ist ein Mann von gleichem Talent und gleich gründlichem Wissen: Antonio Bordoni, welcher Werke liefert, die für sein Vaterland, ja selbst für das gesammte Europa von der höchsten Wichtigkeit sind. Auch Vincenzo Flauti, sein würdiger Schüler Fergola, der Professor Franchini von Lucca, der Marchese Rangoni, Carlo Brioschi, Gabrio Piola und der berühmte Carlini von Mailand erhalten sowohl die Wissenschaften überhaupt als namentlich die Astronomie in hoher Achtung. Im Gebiet der Physik ist außer vielen Uebersetzungen aus dem Französischen, auch durch Originalwerke Manches geleistet worden. Dasselbe gilt von der Chemie und von einigen andern Wissenschaften. Dieß auch von der Arzneikunde zu bemerken scheint uns fast überflüssig, da man in ganz Europa weiß, wie sehr diese heilsame Wissenschaft hier jederzeit im Flor stand und mit welchem Fleiße man sich ihr vorzugsweise widmet, seitdem ein Rafori, Borda, Tommasini, Bodei und einige Andere, die sogenannte Nuova dottrina medica italiana gepflegt haben. Auch die Landwirthschaft hat eifrige und sorgfältige Bearbeitung gefunden. Ohne die vielen zu Pavia, Verona und Padua über diese Wissenschaft erschienenen Schriften mit Namen zu erwähnen, bemerken wir bloß, daß bei Antonio Fortunato Stella in Mailand eine Biblioteca Agraria erscheint, welche über alle wichtigern theoretischen und practischen Schriften aus diesem Fache Nachricht giebt.

Die schönen Künste (die Baukunst, Bildhauerei, Malerei, Kupferstecherei) haben Italien verherrlicht. Zwar bedarf die Baukunst, die Wahrheit zu gestehen, großer Aufmunterungen, und umsonst würde man gegenwärtig in Italien großartige Römerwerke suchen; demungeachtet kann sich keine Nation in Europa über Italien erheben, und wenige Nationen haben so schöne architektonische Werke aufzuweisen, wie die Porta Ticinese, der Arco della Pace in Mailand, der Tempel von Passagno bei Bassano, von dem großen Canova gegründet, und andere mehr. Zur Erhaltung des unverdorbenen Geschmacks der guten antiken Baukunst erscheinen täglich Kupfersammlungen über die bessern auf der ganzen Halbinsel zerstreuten Denkmale, von einsichtsvollen Abhandlungen erfahrner Theoretiker begleitet. Die Brüder Mattinzzi von Udine lassen gegenwärtig eine wahrhaft prachtvolle Ausgabe Vitruvs nebst schönen Tafeln erscheinen.

Die Bildhauerei steht auf einer glänzenden Stufe der Kunst. Nach Canova erstanden Monti von Ravenna, Comolli, Gandolfi, Marchesi, alle Künstler von verdientem Rufe. In der Blüthe seines Alters hat letzterer schon eine solche Stufe der Vollendung erreicht, daß er in vollem Sinne des Worts ein Nachfolger Canova’s genannt werden kann, und die erste Stelle unter den Bildhauern nicht bloß Italiens, sondern des gesammten Europa’s (?) einnimmt. Unter den Schriften über diese Kunst verdient die treffliche Storia della scultura des Marchese Cicognara vor allen erwähnt zu werden. So hat auch die Malerei in Italien einen großen Reichthum an Kunstproducten und lehrreichen Schriften aufzuweisen. Wir brauchen nur einen Landi, Camuccini, Agricola, Serangeli, Viotti, Pelagi, Hayez, Demin zu nennen. – Gozzi, Bisi, Nava, Macchi und Migliara haben die Landschaftmalerei und die Perspective vervollkommnet. Sanguirico’s Theatergemälde in Mailand sind in ihrer Art mich solcher Meisterschaft ausgeführt, daß sie die allgemeine Bewunderung der Fremden erregen, welche diese reiche und prachtvolle Stadt besuchen. Italien verlor in den letzten Jahren Andrea Appiani, einen Maler, der in allen Zweigen seiner Kunst augezeichnet, in seinen Freskostücken aber unerreichbar ist. Was brauchen wir von der Kupferstecherei zu sagen, da Jedermann weiß, daß in die Schulen Morghen’s und Longhi’s die Jünglinge aller Nationen zusammenströmen, und da nicht bloß die Arbeiten dieser beiden, sondern auch die Gravaglia’s Anderloni’s, Tessi’s, Gandolfi’s um die höchsten Preise in ganz Europa [1118] aufgekauft werden? Longhi hat in Mailand eine Schule gegründet, die der Kunst, wozu er sich bekennt, große Ehre bringt.

Viele Umstände treffen in Italien zusammen, um hier, wie anderswo, die Künste der Rede zu hemmen; aber dieses Land hat solchen Reichthum für bildende Kunst, daß die Italiener, wenn sie nicht allen Eifer für das Studium verlieren, immer die ehrenvollste Stelle unter den Künstlern der Welt einnehmen können; und dieser Reichthum mehrt sich von Tag zu Tag durch die Nachgrabungen, welche auf allen Punkten ihres klassischen Bodens angestellt werden. So gräbt man (Pompeji und andere bereits bekannte Orte nicht zu erwähnen) in Brescia gegenwärtig einen alten Tempel von den schönsten architektonischen Verhältnissen auf, der die schätzbaresten Kunstgegenstände liefert. Es ist noch nicht lange her, daß man eine Bildsäule von Bronze auffand, welche die Fama vorstellt und mehr denn Menschengröße hat. Sie ist von ausnehmender Schönheit und übertrifft vielleicht alle, die wir aus dem Alterthum besitzen.[4]

Unter den schönen Künsten dürfen wir die Musik nicht unerwähnt lassen, und behaupten, daß sie in Italien ihre höchste Blüthe und Ausbildung erreicht hat. Rossini ist weltberühmt, und die volle Würdigung seiner Licht- und Schattenseiten muß einem andern Jahrhundert vorbehalten bleiben. Morlacchi, Mercadante, Pacini und Bellini sind alle noch lebende Künstler und verdienen alles Lob. Man darf sagen, daß in Italien die Musik beinah in jeder Familie zu Hause ist. Außerdem fehlt es auch nicht an guten neueren Werken über die wahren Grundsätze der Musik, unter welchen das Dizionario des Doctor Lichtenthal das vorzüglichste ist; es ist aber insgemein anzunehmen, daß die Journalisten, welche sich das Recht anmaßen, über die Producte unsrer Meister abzuurtheilen, in der Kunst, worüber sie räsonniren, selbst nicht genug bewandert sind. Die theoretischen Kenntnisse scheinen uns in Frankreich, Deutschland und England allgemeiner verbreitet zu seyn; allein es offenbart sich bei unsrer gesammten Jugend ein eifriges Kunststreben; und in unserem Jahrhunderte geht es nicht mehr an, daß die praktische Ausübung in irgend einem Zweige der Kunst von der theoretischen Kenntniß getrennt bleibe.



  1. Der zweite Brief wird in den nächsten Blättern folgen.
  2. Man vergleiche Num. 66, 67 und 79 dieses Blattes.
  3. So haben sie eine Storia delle prove giudiziarie di Geremia Bentham tradotte da Vincenzo Zambelli, und gli scritti del M. Pratobevera zu erwarten, deren Uebersetzung gegenwärtig im Werke ist.
  4. S. die Notiz über die neuen Aufgrabungen in Brescia, Tübinger Kunstblatt, 1827, Novb.

Anmerkungen Wikisource
  1. Carlo Varese, 1793–1866