Ueber oberschwäbische Orts- und Familiennamen

Textdaten
Autor: Michel Buck
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Titel: Ueber oberschwäbische Orts- und Familiennamen
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aus: Vortrag im Verein für Kunst und Alterthum in Ulm am 5. Juli 1872
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Auflage:
Entstehungsdatum: 1872
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Wagner’sche Buchdruckerei in Ulm
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Erscheinungsort: Ulm
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Niederschrift eines wissenschaftlichen Vortrages zur Herkunft von Orts- und Familiennamen in Oberschwaben
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[1]

Ueber oberschwäbische Orts- und Familiennamen.

Vorgetragen im Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben
in der Sitzung vom 5. Juli 1872
von Dr. Buck in Aulendorf.

Für dem Ortsnamenforscher gibt es im ganzen Reich nicht leicht eine anziehendere Gegend, als das Algäu oder Oberschwaben (im engeren Sinn). – J. 839 pagus Albegauge, Wartmann, St. Galler Urkb. I, 354. – J. 995 Albegou, Kausler, Württ. Urkb. I, Nr. 198. – J. 1370 Albgeu Mon. Boic. XXIII, 214. Doch sagen die Ephemerid. mon. St. Galli v. 1272 bereits Algovia und seit dem Anfang des 15. Jhdt. liest man überall Algöw, Algäu. Der Name Oberschwaben scheint mir erst in der zweiten Hälfte des 15. Jhdt. aufgekommen zu sein. Eine Reihe von Urkunden der oberschwäbischen Landvögte des 15. Jhdt. spricht immer nur von Schwaben schlechtweg; z. B. J. 1421: Ich Johans Truchsesz von Walpurg des Richs lantvogt in Swauben. Oder J. 1480: Ich Mang von habsperg hern Sigmunden Erzherzogs von Osterreich houptman zuo Swauben. Den Ausdruck in obern Swauben finde ich erstmals in einer Urk. des Aul. Arch. v. 1469, ausgestellt von der verainung vnd geselchaft Sant Jörgen schilts und im Aulendorfer Seelbuch von 1485. Bald nachher sagt z. B. eine Urk. v. 1505: Ich Jacob von Landow, ritter, landvogt in Obern vnd Nidern Swavben. Von da ab wird die Bezeichnung Oberschwaben in den Urkunden fortlaufend gefunden. Oberschwaben reicht bis an die Quellen der Iller und den Arlberg hinein. Zum Algäu kann man württembergischerseits nur denjenigen Theil Oberschwabens rechnen, der im Flußgebiet des Rheins liegt, und die Strecke, welche längs der obern Iller hinläuft. Was sonst im Flußgebiet der Donau und herunterwärts von der Endmoräne des alten, einst über den Bodensee herüberragenden Rheinthalgletschers liegt, nannte Sebastian Münster das untere Algöw, aber es ist kein Algäu mehr. Die eigentlichen Oberschwaben oder Algäuer sind Alemannen, die Umwohner der württ. Donau und ihres Flußgebietes aber Schwaben. Obgleich Walafried Strabo sagt: Igitur quia mixti Alamannis Suevi partem Germaniae ultra Danubium, partem Retiae inter Alpes et Histrum, partemque Galliae circa Ararim obsederunt, antiquorum vocabulorum veritate servata, ab incolis nomen patriae derivemus et Alamanniam vel Sueviam nominemus (Vita Sti. Galli bei Goldast I, 146. 147), hat sich doch bis auf diesen Tag ein merklicher Unterschied zwischen Alemannen und Schwaben erhalten.

So weit das Algäu reicht, geht auch die alemannische Mundart. Auf der Wasserscheide unweit Aulendorf berühren sich schwäbische und alemannische Zunge, dort gen Norden haben Sie die Aussprache: Hous, Wain, Gauns, Haas, bleiba, schreiba, gsain, na (b), ouß, hier im Süden: Hus, Wing, Gongs, Haß, bliba, schriba, gsing, âbi, us! Donauwärts finden Sie vorherrschend größere oder kleinere geschlossene Dörfer, seewärts fast lauter kleine zerstreute Höfe und Häuser, und das seit wir von Ortschaften in diesen Gegenden wissen. Der Algäuer hat den Heerd in der Wohnstube, der Schwabe in der Küche, der Algäuer ißt vorherrschend Mehl- und Milchspeisen, der Donauschwabe Fleisch. Der Algäuer hält stets dunkelfarbiges oder [2] schwarzes Vieh, der Donauschwabe, gleich seinen Vettern auf der Alb und im Unterland, rothes oder gelbes Vieh u. s. w.

Da mir urkundliches Material nur für den württembergischen Antheil an Oberschwaben zu Gebot steht, wird sich meine Rundschau vornehmlich nur mit Namen befassen, die auf württ. Gebiet zu finden sind.

Bei dem ersten Blick auf die Karte des algäuischen Oberlandes springt uns sofort eine ungemeine Fülle von Ortsnamen in die Augen. Da sind Gemeindebezirke, die wie Herlazhofen 36 Parzellen zählen, ja selbst 98 wie Bodnegg und 109 wie Pfärrich, alle mit besonderen Eigennamen versehen. Dann überrascht uns neben der Fülle eine befremdliche Buntheit der Namen, die bisweilen an slawische und romanische Ortsnamen anklingen, obgleich sie gut alemannisch sind. Ich erinnere an: Boflitz, Sederlitz, Wammeritz, Hergaz, Achams, Rauns u. s. w. Daneben findet man eine Reihe splitternackter Geschlechtsnamen als Ortsnamen verwendet, wie z. B. Allgaier, Poppenmaier, Spiegler u. s. w., oder solche Familiennamen im Genitiv und Dativ (Lokativ), wie Siggen, Heißen, Bauzen u. s. w. Dazu kommen noch welche in der Gestalt ganz gewöhnlicher, bäuerlicher Hausnamen, wie sie jedes Dorf in Menge bietet, wie z. B. die in den Staatshandbüchern aufgeführten Ortsparzellen: Schlappersjörg, Schuhjoggens, Schuhsimmis, Schuhjörg u. s. w. Eine ältere Klasse von Ortsnamen stellen den genitivischen Lokativ dar von alten Personennamen, wie: Harbrechts, Gopprechts, Ruprechts, Dietmanns, Eglofs u. s. w. Von den aus einem Grund- und Bestimmungswort bestehenden Ortsnamen herrschen die auf –wang, wangen, –au, –moos, –ried, –hofen und –weiler endigenden weitaus vor. Ich nenne: Aulwangen, Apfeldrang, Aiterwang, Balderschwang, Bernang, Bolsterlang (2 mal), Burkwang, Dirlewang, Ellwangen, Escherwang, Haldenwang, Hawangen, Hinterwang, Hinzwang, Hüttenwang, Ketterschwang, Lehrwangen, Lengenwang, Murrwangen, Niederwangen, Nesselwang, Ofterschwang, Otterswang, Pinzwang, Söllang, Tettnang u. s. w. Dann: Argenau, Grünau, Hirschau, Lingenau, Mellau, Martenau, Schnepfau, Schopperau im Wald. Ferner die vielen –moos, besonders um Wangen, als: Biggenmoos, Fildenmoos, Freurenmoos, Höllenmoos, Kerlenmoos, Kehlismoos, Ottomoos, Pfauenmoos, Rohrmoos, Röhrenmoos, Rolgenmoos, Tegernmoos, Wuchermoos u. s. w. Ferner Altusried, Dietmannsried, Eggmannsried, Frankenried, Friesenried, Natrumriet, Ollarzried, Reicholdsried, Russenried, Sachsenried, Winterried, Waffenried, Wallmusried, Wielandsried u. s. w. Dann in der alten freien Bürsch (J. 1388 die purs, J. 1391 die piers, J. 1370 in der gebursse u. s. w.) um Leutkirch: Almishofen, Betelhofen, Doberatshofen, Engerazhofen, Uttenhofen, Merazhofen, Leuzenhofen, Herlazhofen, Wolfertshofen, Sundhofen, Aderazhofen, Tautenhofen, Balderazhofen, Wielatshofen, Niederhofen, Isebrazhofen, Lanzenhofen, Ebrazhofen u. s. w. Endlich die auf –weiler, wie Dabetsweiler, Dametsweiler, Furatsweiler, Mehetsweiler, Torkenweiler, Wechsetsweiler u. s. w. – Die auf –reute finden sich meist auf dem Boden des ehemaligen Reichsforstes von Altdorf-Weingarten. In dem algäuischen Ortsnamenkaleidoskop vermißt man sehr das öftere Vorkommen der alten Grundwörter –dorf, –heim, –ingen. Sie sind je nur in einigen wenigen Beispielen vertreten. Von vordeutschen Orts- und Flurnamen sind blos noch sparsame Überbleibsel vorhanden. Von den Ortsnamen die wenigen der Peutingerschen Tafel und selbst diese stehen theilweise in Verdacht aus dem Germanischen ins Romanische umgeprägt worden zu sein.

Die Ortsnamen auf –heim tauchen bekanntlich schon im 1. u. 2. Jhdt. auf, die auf –ingen nur um weniges später, die auf –dorf erst im 7. Jhdt. Das läßt vermuthen, daß die größere Anzahl der alten Ortsnamen des Algäus ziemlich spät, vielleicht erst nach dem 7. Jahrhundert entstanden ist. Leider sind positive Beweise nicht zu geben. Doch möchte ich ein paar Data anführen, die in jene dunkle Vorzeit einigermaßen ein Streiflicht werfen. Im J. 773 hinterläßt ein gewisser Hatto den Ort Haddinwilare, Hatzenweiler (Neug. Nr. 54). Im J. 834 schenkt ein gewisser Engilpert alles was er in Engilpertisriuti besitzt. Neugart. Ferner schenkt im J. 838 ein Pato was er in Patinhova (Bettighofen) besitzt. Wartmann, St. Gall. U. I, 346. Im J. 839 ein Patacho alles was er zu Patahinwilare (Bettenweiler) besitzt. ib. I, 355. Aus diesen Beispielen erhellt, daß die Schenker den Bestimmungsnamen ihres Wohnortes tragen, mit anderen Worten, daß die Entstehung dieser Ortsnamen in das 8. und 9. Jhdt. fällt.

[3] Eine sehr bedeutende Zahl oberschwäbischer Ortsnamen besteht lediglich nur aus gemeinen Flurnamen, z. B. Ösch, Halden, Schmalzgrub etc., was für kein sehr hohes Alter derselben spricht.

Viele oberschwäbische Wohnorte, besonders Höfe, haben im Lauf der Zeit ihre Namen zumn öftern gewechselt. Dies scheint mir nach dem zu schließen, was ich in den Freisinger und St. Emmeramer Urkunden des 7., 8., 9. und 10. Jhdt. gefunden habe, uralter Brauch zu sein. Der neue Besitzer heftet dem neuerworbenen Besitz seinen neuen Namen auf. Auch jetzt ist die Neigung, die Namen der Höfe mit den Besitzern zu ändern, in Oberschwaben noch nicht ausgestorben. Daß Namensänderungen nur noch schwer durchzuführen sind, dafür haben die modernen festen Staatsverhältnisse Sorge getragen.

Kißlegg hieß z. B. noch im J. 1420 Zell. Seinen jetzigen Namen entlehnte es von einer benachbarten Ruine. Ratzenried hieß noch im 17. Jhdt. Wetzelried. Neuhaus O/A. Wangen hieß vor Zeiten Niuuesulzberg; Mooshausen (1329) Mosbrughusen; der Hof Rahlen vor dem J. 1525 Herbisreute; Thunau ist seit 1728 nach einer Gräfin von Thun zubenannt, früher hieß es Ettenried. Mechensee verlor im J. 1786 seinen alten Namen und wird nun Neu-Trauchburg genannt. Der Hof Hartmann hieß ehedem Romisbach, der Hof Mehlis Münchried, der Hof Lohren Sahlen; Buchhorn ward erst in unserem Jahrhundert zu Friedrichshafen. Der Weiler Geblisberg wird häufig auch Schweizerhöfe genannt. Ich finde im Aulendorfer Pfarrzehntbuch von 1650, daß ihn im J. 1606 ein Peter Schweizer besaß. Münchenreute heißt im Voksmund Mühlenreute, Hohreute Rothhalden, Laubeck heißt auch Arnholz. Der Hof Poppenmaier steht nur im Staatshandbuch, die Umwohner wissen nichts von ihm, sie nennen ihn Straßer, nach dem gegenwärtigen Besitzer. So ließ sich diese Liste in’s Beliebige verlängern.

Von den Namen, die einen befremdlichen Klang haben, stehen die auf –itz obenan[1] Ich nenne Boflitz, Burgelitz, Edelitz, Engelitz, Elitz, Göritz, Hugelitz, Kadlitz, Leritz, Sederlitz und Wammeritz. Im Weissenauer Schenkungskodex von 1209 heißt Sederlitz Sadirlinswilare. Ebenso in einer Urk. v. 1219 (Kausler, W. U. 3, 78). Im Chron. Isnens. bei Heß Monum. Guelf. S. 285 heißt der Ort Sardirliniswilare. Wir sehen hieraus, daß das Grundwort wilare inzwischen verloren gieng und der Genitiv des einstigen Besitzernamens geblieben ist. Sederliz ist Sedirlins. Das z ist nur das Werk der scharfen alemannischen Aussprache. Der Oberländer sagt auch nie Schmieds, sondern Schmitz. Die Landwaibelamtsrechnung der Landvogtei Oberschwaben von 1684 schreibt unsern Ortsnamen Schederlinß. Schederlin ist ein alter Waldseer und Ravensburger Familienname. Jetzt sitzen die Schäderlin als Schätterle zu Wernsreute bei Ravensburg. Sie sind die Erben des altalemannischen Personennamens Sadirlin. Er ist offenbar ein Diminutiv auf –lin zu Sadir, Sadar. Im Habsthaler Urbar v. 1420 ist auch dieser Name als Satthar zu finden. Die erste Wurzel Sat, findet sich in dem Namen Satan (z. B. in Satanasinga), in Satto z. B. Sattinhaldun, Sattinburin, ersteres einst bei Riedlingen, letzteres das heutige Sattenbeuren bei Schussenried. Sat ward zu schat, wie das alte sarf zum jetzigen scharf geworden ist.

Boflitz läßt sich an dem Beispiel des jetzigen Weilernamens Oflings erklären. Nur daß hier das anschlagende W nicht in B verwandelt wurde, sondern ganz wegfiel, es hieß nämlich im J. 1510 zum Wolflitz. Daneben findet sich dieser Name noch geschrieben: Wolflings, Wofflitz und Wufflitz. [4] Offenbar hieß Oflings in alter Zeit Wolflins und wie aus Sederlins Sederlitz ward, so aus Wolflins Wolflitz. W und B wechseln im schwäbischen Munde nicht ungern. So ist Holderbank aus Holderwanch entstanden, so hieß umgekehrt Agenwang ehedem Agabang. Vgl. Steichele, Bisth. Augsb. 2, 12. –of für olf ist ohnedem häufig.

Edlitz läßt sich aus Edilins (Edelis), Engelitz aus Engelins, Elitz aus Elins erklären. Der Name Eli, Ely kam z. B. in Lindau als Familienname vor, dann auch in der Schweiz (Heider, Ausführ. der Reichsstadt Lindau etc. – Geschichtsfreund der 5 Orte Band 20 a).

Burgelitz scheint mit dem Namen einer in seiner Nähe abgegangenen und im J. 1417 genannten Burg Burgoltz zusammenzuhängen. Letzeres ist eine genitivische Ellipse wie Leupolz, Landolz u. s. w. Burgelitz dürfte aus Burgolfs entstanden sein, wie Meglitz (Eglofs) aus Egelolfes, denn Eglofs heißt im Volksmund Meglitz, d. h. zu – m Eglitz. Vgl. Stälin, Gesch. v. Wirt. 2, 495.

Leritz stellt sich neben den Geschlechtsnamen Leri, wie Göritz zu Göri, das aus Gerhard entstanden ist. In der That hat es früher auch Gerhards geheißen. Vgl. auch die oberschw. Familiennamen Loritz, Lori, Lauri, Lör, Lohr.

Kadlitz scheint zu den oberschwäbischen Familiennamen Kadel zu gehören. Im J. 1281 wird zu Osterach eines Heinricus dictus Kadil gedacht. Kadel, Kadil dürfte sich aber zu Kadilin, Chatili aus Chato, Kado (Förstemann I, 305) verhalten, wie Rodil zu Rodilin aus Rodo.

Ich will die Besprechung dieser Sippe mit dem Ortsnamen Wangeritz schließen. Es ist Ihnen bekannt, wie leicht im Schwäbischen und Alemannischen m und w wechseln, denken Sie an wir und mir, an Wixtur und Mixtur u. dgl. So wechseln heute noch Wellbrechts und Mellbrechts, wie ein Weiler im O/A. Wangen heißt. Eigentlich hieß er ursprünglich zum Edelbrecht. Bei Neugart finde ich zum J. 760 einen Alemannennamen Mangar, woraus die genitivische Ellipse oder vielleicht besser gesagt, der Lokativ: Mangaris, Wangeritz mit Leichtigkeit gebildet wird.

Ich gehe nun zu dem Ortsnamen auf –ings über. Da haben wir Aberlingsberg, Bimmlings, Brändlings, Epplings, Häberlings, Kehlings, Menzlings, Oflings, Riedlings, Schaulings, Stübling. Man denkt hier zunächst an die Patronymica auf –ing, wie z. B. Bräuning, Haiing, Henking, Schilling, Ilsing u. s. w., die zu den bekannten Personennamen Braun, Hai, Hank, Schill, Ils u. s. w. gehören. Allein hier in Oberschwaben ist das nur Schein. Dieses –ling ist nichts anderes, als die Diminutivendung lîn. Der Algäuer sagt wing für Wein, ling für lein u. s. w., weßhalb man ihn mit der Rede neckt: „i bring ming mings küehling ring“, wörtlich: ich bring’ mein maises (unfruchbares) Kühlein herein. In den genannten Ortsnamen stecken die noch lebenden algäuer Geschlechtsnamen: Aberlin, Bimlin, Brändlin, Epplin u. s. w., die eben nur Aberle, Bimmele, Brändle u. s. w. geschrieben werden, weil jetzt der schwäbische Dialekt der landesherrliche ist. Vielleicht ist Münsterlingen bei Konstanz auf die gleiche Weise aus munsterlin entstanden.

Von den auf –olz endigenden Ortsnamen des Algäus gehören einige scheinbar zum Grundwort –holz, wie Aigholz, Eisenholz, Gerholz und Reichholz. Sie sind aber in Wirklichkeit nichts anderes, als die Genitive der Personennamen : Aigolt (einen Aigold findet man bei Meichelbeck), Eisenbolt, denn nach dem Chron. Isnens. heißt dieser Ort Isinboltis; Gerolt und Reicholt. Außer diesen nenne ich noch die Orte: Freibolz, Hornstolz, Landolz, Leupolz, Muderpolz, Tristolz, Truiolz und Ziegolz. Landolt und Leupolt sind bekannte Namen. Einen Freubold finde ich im 9. Jhdt. Kausler, W. U. 2, 377. – Hornstolz steht im Staatshandbuch, das Volk aber sagt Horschlets oder Hoschlets, das Waldseer Urbar von 1576 schreibt: Horschelts. Es ist offenbar der algäuische Familienname Horschelt, welchen der kürzlich verstorbene, berühmte Darsteller kaukasischer Bilder getragen hat. Einen Horscolf finden wir im Nibelgau schon im J. 812. Kausler, W. U. 1, 200.

Schwierig zu erklären ist Muderpolz. Man denk an Morbolt, Maurboldt, welche Förstemanns Namenbuch anführt. Sollte sichs etwa Murbolt, Maurbolt in Mauderbolt erweitert haben, wie das Adjektiv [5] churwälsch in kauderwelsch? Im Luzerner geschichtsfreund Band 17 S. 230 wird z. J. 1371 genannt ein juchart zer muterbrotzrüti. Offenbar ein ganz ähnlicher Name. Ebendort finde ich aus dem 12. Jhdt. ein moutirswanch. Bd. 17, 249; denn den Personennamen Mutterstach, denen aber Muotheri zu Grund liegen kann.

Tristolz, gesprochen Trischlets, im J. 1446 Thristoll, läßt auf einen Personennamen Tristolf, Trostolf, Trustolf oder Trusolf rathen, der aber nicht belegt werden kann. Übrigens erinnert es an eine Stelle der Öffnung von Wäggithal v. J. 1496: wer usserhalb irem tal gesessen sy, daz der kein recht soll haben vff iren allmeind, er habe den sin eigen Tristall. Geschichtsfr. 11, 215. – Auch Truiolz, gesprochen Truilets, J. 1575, kann ich nicht mit einem beglaubigten Personennamen belegen. Vielleicht daß es von Druhtolf herkommt, wie Ziegolz etwa vom Mannsnamen Zuwolt. W verdichtet sich ja gern in G. So hieß Daugendorf bei Riedlingen im 9 Jhdt. Touuendorf, so sagt man auch Gutach für Wutach u. s. w.

Menhölz heißt im J. 1275 Mimihilz. Das wäre der Genitiv zu dem bei Förstemann aufgeführten Frauennamen Mimihilt. Daß Ortsnamen auch von Frauennamen bestimmt werden können, erhellt aus dem Beispiel von Judentenberg, das zu Judintha gehört, von Hübschenberg, im J. 1143 Huobechunberc, zu Huobecha, von Stallinunriet bei Weingarten, das zu Stallina gehört und sich zu Stallo verhält, wie Sigina zu Sigo. Jesumskirch, das zwar noch in der Oberamtsbeschreibung von Saulgau steht, jetzt aber verschollen ist, hieß einst Jiuzzunkilche. Das erinnert an die Stelle: Juczun Clarmans tohter. Mon Zoll. I, 339 und an: Jiuzze vrô Jiuzzen tohter, Mone Ztschr. 19, 249. –

Die genitivischen Ellipsen sind im Algäu sehr alten Herkommens; z. B. Paldrammes, jetzt Balderazhofen, Perchkeres jetzt Bergs bei Leutkirch, beide schon im J. 894 genannt. Neugart Nr. 611. – J. 890. Hermentines irgendwo bei Manstein am Rhein. Wartmann St. Gll. Urk. 2, 282. Derselbe Name steckt in Heremintinchoua, Herimuntinchova. ib. 2, 82. – Das Chronicon Isnense bei Heß a. a. O. nennt die Orte: Engilheres, Engelisheris, Isinboltis, Diezelinis. das Chronicon Petershus. bei Ussermann prod. 1, 328 nennt: Ritilines, Riedlings. Der liber decimac. pro papa von 1275 (im Freiburg. Diöcesanarchiv I): Wainbrechtis, Wombrechts; Machalmes, Achams; Hellegers, Hellengerst; Rames, Rauns; Diepolz, Eggehartz, Isenhartz, Luipoltz; Rehtens, Rechtis; Tietmans, Dietmanns; Wolfrans, Wolfatz; Huwartz, Hauerz. Letzteres könnte aus Hugiwarts entstanden sein. Das benachbarte Treherz heißt noch im J. 1520 zum Dreher, es müßte also Drehers geschrieben werden.

Damit haben Sie die Erklärung der Namen: Diepolz, Hörbolz, Leupolz, Raupolz, Freundpolz etc., der Ortsnamen: Adelharz, Eberharz, Engelharz, Eisenharz, Geiselharz, Rosenharz u. s. w., wo natürlich weder an Pech und Harz, noch an Hard, den Wald, zu denken ist. Es sind eben nur die barbarischen Schreibungen für Adelharts, Eberharts, Dietbolts, Heribolts, Liutbolts etc.

Häufig läßt sich für diese Namen die ursprüngliche Form nicht mehr ermitteln. Wie noch jetzt, hat das Volk schon vor Jahrhunderten die unverstandenen Namen fort und fort umgedeutet, um ihnen einen Sinn abzugewinnen. Wir können z. B. wohl vermuthen, welche alten Personennamen den Orten: Guntarz, Rudwarts und Ressarts zu Grunde gelegen haben, aber andere wie Wolkarz sind schon schwerer zu entziffern. Nun wissen wir zu diesem zufällig aus einer Urkunde des württ. Urkb. III, 78, daß Wolketsweiler ehedem Wolfgereswiler hieß; daraus schließen wir auf einen Lokativ: Wolfgeres, Wolgeres, Wolkers, Wolkarz. Die verdumpfte Endung –az, sie in Gestraz, Hergatz, Herfatz, Lengatz, Laidratz, Mellatz, Nieraz, Sandraz, Wolfaz, Wigratz, Willatz, Wolfatz u. s. w. hat oft verschiedenen Ursprung. Von Wolfatz wissen wir, daß es noch im J. 1617 Wolfholz, von Willatz, daß es im J. 1406 Wilhalms hieß. Dem Personennamen Laidrat begegnen wir schon im J. 779 zu Bermatingen, St. Gall. Urkb. 1, 83, dem Niurat im St. Galler Zinsleuteverzeichniß bei Goldast, dem Namen Castrat (Gestrat) bei Neugart C. D. Alem. Man darf also bei allen diesen Namen weder an Atz noch an Fratz denken, so wenig als bei Herfatz an eine Heerfahrt. Herfatz deutet vielmehr auf den Namen Heribolt hin.

[6] Den genannten Ortsnamen ähnlich sind: Achams (Machalmes), Adelgunds, Dietmanns, Eglofs (Megelolues), Gopprechts, Gumprechts, Hartmanns, Harprechts, Halprechts, Humbrechts, Herbrands, Seibranz, Sigrams, Waltrams, Witzmanns, Wombrechts, Willofs (? Pillolfes oder Willehalmes), Wielands. Ermengerst ist offenbar auch nichts anderes denn Irmengeres, wie oben Hellegers für Hellengerst beglaubigt ist.

Ganz dieselbe Namensippe finden wir zwischen und neben den elliptischen Formen mit dem Grundwort –hofen, –weiler und –reute verknüpft. Um anzudeuten, wie jetzt gleich lautende Namenendungen doch ganz verschiedener Abkunft sein können, seien etliche urkundliche Namen dieser Klasse angeführt.

Albertshofen J. 1090 Hadeprehteshoven.
Balderazhofen J. 1275 Baldebrechteshofen.
Dengeltshofen J. 1096 Tenchilishofen.
Ebrazhofen J. 1275 Egebrechteshofen.
Engerazhofen J. 1275 Engelhalmhoven, noch früher Engelharteshoven.
Fidazhofen J. 1180 Vidanshoven. Ein Fido J. 769. St. Gall. Urk. 1, 54.
Gebrazhofen 11. Jhdt. Goteramshoven.
Goppertshofen J. 1128 Gotipretishoven.
Gumpoltshofen J. 809 Crimolteshova. Crimolt häufig in St. Galler Urkb.
Herlazhofen J. 1275 Herlanthoven.
Kimbratshofen J. 1275 Kunebrechtishoven. Kimbrecht ist heute noch Familienname.
Menelzhofen J. 1287 von einem dictus Mennel vergabt.
Merazhofen J. 1275 Merhartshoven.
Mutmanshofen J. 1275 Muotigeshoven.
Oppoldshofen J. 1055 Opoldeshovin.
Rippoldshofen J. 1088 Richpoldeshoven.
Rempertshofen J. 1155 Rambrechteshoven.
Allmishofen J. 870 Alwigeshoven.
Emmelhofen J. 1258 Emihinhoven.
Enkenhofen J. 843 Enenhouun.
Gottlishofen J. 1171 Gotlinishofen.

Daneben finden sich noch: Atlashofen, Bliderazhofen, Christazhofen, Doberazhofen, Ellerazhofen, Gottrazhofen, Hedrazhofen, Herbrazhofen, Isgazhofen, Langenhofen, Volkrazhofen, Winterazhofen, Wolferazhofen u. s. w. Diese Gruppe liegt, wie gesagt, in der freien Birsch und ist ethnologisch sehr wichtig.

Atzenweiler J. 1055 Atzelunwilare.
Baldersweiler J. 1178 Baldericheswilare.
Dietmannsweiler J. 1100 Dietmundeswilare.
Dentenweiler J. 850 Tetineswilare.
Eglisweiler J. 861 Eigiliswilare.
Esseratsweiler J. 1275 Essericheswiler.
Ruzenweiler J. 1178 Ruozenwilare.
Siebersweiler J. 1122 Siboldeswilare.
Sieberazweiler J. 1275 Sigebrechtswiler.
Torkenweiler J. 1160 Dorincwilare.
Trutzenweiler J. 875 Thraonteswilare.
Wiesertsweiler J. 1178 Wisericheswilare.
Wechsetsweiler J. 818 Werinpertivilare. J. 1394 Wechsetweiler.
[7]
Wielandsweiler J. 1122 Wilantswilere.
Eglisreute Engilpertisriuti.
Gunatsreute Gundoltsruti.
Wetzisreute J. 1268 Bezilisruti u. s. w.

Betrachten wir die in den eben genannten Orten steckenden Personennamen näher, so ergibt sich, daß die Namen auf –brecht, –bold, –old, –hard, –rad und –brand am häufigsten vorkommen. Sie finden in unseren oberschwäbischen Weilernamen; Hadubrecht, Gotebrecht, Isenbrecht, Molbrecht, Kumbrecht, Tagebrecht, Werinbrecht, Wainbrecht etc. Arnold, Brunold, Engilbold, Goßbold, Hapold, Isinbold, Krimold, Luitbold, Mingold, Otebold, Richbold etc. Adelhard, Eberhard, Eggehard, Eisenhard, Geiselhard, Rosehard, Sieghard etc. Alberad, Dankrad, Doberad, Heimerad, Siegrad; Hildebrand, Hadubrand, Isenbrand, Sigrand. Dazu kommen noch; Alewig, Herwig, Müotwig, Otwig; Goteram, Balderam, Oteram, Wolfram; Alterich, Balderich, Esserich, Wiserich; Belmund, Dalmund, Dietmund; Engilher, Isinher u. s. w. Es wird Ihnen wie mir aufgefallen sein, daß man unter den vielen Namen vier berühmten altergermanischen Namen zum öftern begegnet, den Namen Hildebrand und Hadubrand, besonders aber Wieland und den mit Isin anhebenden. Denken Sie an die Weiler: Wielands, Wielazhofen, Wielandsweiler, Wielazried, Wielanden; an Eisenbach, Eisenbrechtshofen, Eisenharz, Eisenfurt, Eisenhalden etc., auch an die alte Stadt Isny, Isine, Isinach (Chronic. Isnens.), an welcher der Bach Eisenach vorüberfließt. Ferner an Isigazhofen, Eisenbolz u. s. w., in denen die Namen: Iso, Isinbrecht, Isanhart, Isinbolt, Isinher, Isinbrand stecken. Ich erinnere dabei an die im Algäu weitverbreiteten Familien Wieland, Iselin, Eisele, Eisenbach, Eisenreich u. s. w. Nehmen wir Wattenweiler und Eglisweiler (Eigiliswiler) dazu, dann haben wir aus der alten Heldensage Wate, Eigil und Wieland, Vater und Söhne, sowie den Schiffer Iso, dem Wates Enkel Orendel auf der Fahrt durch das Meer begegnet. Auch die alte Stammsage der Welfen, eines algäuischen Geschlechtes, kennt einen Stammvater Isegrim. Dann denken Sie noch an die zwei in der Sagenchronik laufenden schwäbischen Herzoge Hildebrand, an die zahlreichen Weiler und Fluren, welche mit dem Namen Dieterich gebildet sind, dann haben Sie gewiß uralte Erinnerungen an die Zeit, wo das Algäu sich noch in alemannischem Trotz zu den alten Göttern hielt und die Schirmherrschaft Theodorichs des Großen noch im frischesten Andenken war. Vielleicht geben diese Namen gar noch Auskunft über das Herkommen der Algäuer.

Es wird Ihnen wohl selbst schon aufgefallen sein, daß heutzutage viele Familiennamen fortleben, die sich wie der Wurzelstock zu einer Reihe von schwäbischen Ortsnamen auf –ingen ausnehmen. Erinnern Sie sich an die Familiennamen: Betz, Bloch, Blätter, Ehe, Erm, Ert, Nell, Riedle, Spaich, Schelkle u. s. w., sowie an die entsprechenden Orte: Betzingen, Blochingen, Blättringen, Ehingen, Ermingen, Ertingen, Nellingen, Riedlingen, Spaichingen, Schelklingen etc. Oder an die Familiennamen: Trips, Trefz, Schretz, Zeeb, Zepf etc. in Tripstrill, Trefzbuch, Schretzheim, Zebingen, Zepfenhan u. s. w. Dieses Fortleben alter Personennamen in Familien- und Ortsnamen wird man wohl mehr oder weniger in ganz Oberdeutschland wahrnehmen können, sicherlich aber nirgends so wie im Algäu. Denn hier leben die Familiennamen dicht neben ihren entsprechenden Ortsnamen fort. Ich erinnere beispielhalber an die Orte: Appenberg, Praßberg (Brachsberg), Degenreute, Edenhaus, Erbisreute, Esenhausen, Funkenhausen, Flockenbach, Girenberg, Götzenberg, Glockenreute, Höllenmoos, Knollengraben, Kehlismoos, Kerlenmoos, Krattenberg, Lanzenreute, Lottenweiler, Liebenhofen, Matzenweiler, Mimmenweiler, Mehlishofen, Notzenhaus, Pfauzenwald, Stiefenhofen, Steibisberg, Schelleneigen, Schuppenberg, Wüstenberg, Zillisbach und die entsprechenden, in der Nähe der zugehörigen Orte wohnhaften Familien; App, Brack, Deg, Ed, Erb, Es, Funk, Flock, Gir, Götz, Glock, Hölle, Knoll, Kehle, Kehrle, Kratt, Lanz, Lott, Lieb, Matz, Mimm, Mehle, Notz, Pfauz, Stief, Steib, Schelle, Schupp, Wüst, Zilli. Es sind das Namen, welche in diesen Gegenden, zunächst freilich als Personennamen, schon im 8., 9. und 10. Jahrhundert nachgewiesen werden können, wie ein Blick in die Namenregister des württembergischen und St. Galler Urkundenbuchs darthut.

[8] Aber es gibt noch einen unmittelbareren Zusammenhang zwischen jetzt lebenden Familien und einer Reihe von oberschwäbischen Ortsnamen. Eine große, nach Hunderten zählende Menge von Höfen trägt geradezu den Familiennamen einstiger oder jetzt noch darauf lebender Besitzer. Man kann diese Gattung von Namen bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen. So verkaufen z. B. die Gebrüder Spacher im J. 1291 ihren Hof Spachen, jetzt Schachen. Eine Familie Spach gibt es gegenwärtig im Elsaß. Hier werden freilich am Ende die Brüder den Namen vom Hofe erhalten haben, ähnlich wie die noch lebende Familie Spinnenhirn den ihrigen von dem uralten Weiler Spinnenhirn bei Ravensburg. (Eine Flur Spinnenhirn findet sich wieder im Unterland auf der Markung Heumaden. Vgl. die Flurnamen: Bissenhirn, Steinhirn, Katzenhirn, Hirnberg, Hirn u. s. w.

Die Hofnamen, welche aus Familiennamen entstanden sind, stehen in der Regel im Genitiv oder im Dativ (Lokativ). Im letzteren Falle pflegt man heute noch zu sagen: zum N. N. z. B. zum Lohrer, zum Faßmacher, zum Multer etc. An vielen algäuischen Ortsnamen ist das m der Präposition hängen geblieben, so daß dort Ortsnamen mit einem m anfangen, das ihnen gar nicht gehört. Eglofs z. B. heißt im Volksmund Meglitz, weil der gemeine Mann ursprünglich zum Eglofs sagte. Merhardshofen ist entstanden aus zum Erhardshofen, Madelharz aus: zum Adelhard, Melbrechts, wie schon erwähnt, aus: Zum Edelbrecht, Melitz aus: zum Elitz u. s. w.

Hofnamen dieser Gattung im Genitiv sind z. B.: a) der s Deklination: Albers, Herrgotts, Karlis, Möhris zu den noch lebenden Familiennamen: Alber, Herrgott, Karle, Möhre. b) der n Deklination: Biegen, Blöden, Bremen, Fenken, Flammen, Hagen, Haslanden (bei Förstem. 1, 829 der Mannsname Hasland), Kohlhunden (aus dem Mannsnamen und jetzigen oberschw. Familiennamen: Kolhund, wohl aus altem Kailhunt gebildet, vgl. die beglaubigten Madalhunt, Wilhunt etc. Förstem. 1, 762), Klaren, Lohren, Muschen, Mollen, Röschen, Röhren, Rayhen, Reifen, Schnetzen, Schlichten, Sonntagen, Zürnen, zu den noch üppig grünenden oberschwäbischen Familien: Bieg, Blöd, Brem, Fenk, Flamm, Hag, Klar, Lohr, Musch, Moll, Rösch, Röhr, Rayh, Reif, Schnetz, Schlichte, Sonntag, Zürn.

Im Dativ stehen die Hofnamen: Bärtle, Bilger, Butscher, Barabaisch[2], Füßinger, Ganter, Göser, Hecht, Hirscher, Hörnle, Kimpfler, Kiechle, Krebser, Löhle, Rehm, Rueßmaier, Stibi, Schorniggel, Speuenmartin, Schrading, Spinnenhirn, Übelhör, Unwerth, Vogelsang, welche alle zu den entsprechenden noch in der Gegend lebenden Familiennamen gehören. – Fast zu allen im Staatshandbuch aufgeführten derartigen [9] Hofnamen kann ich die entsprechenden Familien nachweisen, entweder aus Urkunden oder als noch lebende. Namen wie Ganszürnen, Berghas, Rheinpadent sind eigentlich Hausnamen, es ist ursprünglich der Zürn, welcher Gänse mästet, der Has, welcher am Berge, der Padent (die Familie schreibt jetzt Badent), der am Rain wohnt, gemeint. Aus dem Familiennamen Mühlbach ist das monströse Mühlepassau entstanden. Noch im J. 1684 heißt es Mühlibachsau.

Für eine Reihe von Höfen konnte ich den namengebenden Besitzer ausfindig machen. Viele gehen aus den oben angegebenen Gründen nicht sehr weit zurück, andere sind uralt. Der Weiler Siggen heißt schon im J. 1178 Siccun. Sick ist einer der weitverbreitetsten Familiennamen im Algäu. Im J. 1510 sitzt Stefan Ruch auf dem Hof: zum untern Ruchen, jetzt königl. Domäne Unterrauhen, an der Hoftafel steht falsch: Unterauen. Um dieselbe Zeit saß ein Jäck Boos auf dem Hofe Boosen, ein Jakob Röhr auf dem Hofe Röhren, ein Jörg Lohr auf dem Hofe Lohren. Von dem Hauptmann der aufständischen Bauern, von Stefan Rahl hat der Hof Rahlen seinen Namen (J. 1525). – Im J. 1550 ist Michel Schnabel Besitzer von Schnabelau und seine Nachkommen waren es bis in die letztere Zeit. Im J. 1640 nennt das Aulendorfer Pfarrzehntbuch einen Martin Multer zum Multer. Im J. 1684 sitzt ein Michel Bauz auf dem Hofe zum Bauzen, ein Kaspar Heiß auf Heißen. In demselben Jahr saß Marti Spen zu Waldwerden neben dem Hof Spenen, Hans Pfaw zu Dietenweiler neben dem Hof Pfauen, Michel Bierenstiel zu Grund neben dem Hofe Bierenstiel, Jörg Spinnenhirn zu Hecht neben dem Weiler Spinnenhirn, Hans Jerg Lemp zu Kerlenmoos neben dem Hofe Lempen u. s. w. Vgl. Landwaibelamtsrechnung der Landvogtei Oberschwaben von 1684. Ein Compendium von Landvogteiverträgen aus dem 17. Jahrhundert (im Aulendorfer Archiv) gibt an, daß nach dem 30järigen Krieg die alten Erbmanns- und Erbweiberlehen der Bauern eigenmächtig in Fall- oder Schupflehen verwandelt worden seien, der Grund, warum Familien, welche Jahrhunderte lang auf ihren Höfen saßen, seit dieser Zeit von der Heimat vertrieben worden sind. Gleichwohl gibt es noch heutzutage einzelne Bauernfamilien, die mehrere Menschenalter auf ihren Höfen sitzen. So. z. B. die Bosch zu Ursendorf seit 266 Jahren, die Nusser zu Geigelbach seit 322 Jahren, meine eigene Familie auf ihrem Hofe zu Ertingen seit 334 Jahren, daselbst aber schon wohnhaft seit nahezu 600 Jahren, die Maucher zu Adelshofen auf ihrem Gut seit 403 Jahren u. s. w.

Doch ich will Sie für heute nicht mehr länger hinhalten, ich möchte zum Schluß nur noch sagen, wie viele oberschwäbische Familien den Ort ihrer Herkunft im Familiennamen führen und wie sie heute noch dicht neben der alten Heimath wohnen. Als Beispiel nenne ich die Orte Ailingen, Atzenhofen, Buchmühle, Bärenweiler, Berg, Benzenhausen, Brugg, Blumeck, Boos, Dennenmoos, Dirlewang, Eisenbach, Forstenhausen, Gattenmühle, Hagenau, Haslanden, Hübschenberg, Laubach, Lupberg, Lochmühle, Meschenmoos, Mohrhausen, Mühlebach, Rothenhäusle, Rinkenburg, Segelbach, Staudach, Striedach, Steinhausen, Stiefenhofen, Trautenmühle, Thal, Waggershausen, Weitenau, Windbühl, Wiggenhausen und dazu die in unserem Gau lebenden Familien: Ailinger, Atzenhofer, Buchmüller, Bärenweiler, Berger, Benzenhauser u. s. w.




Druck der Wagner’schen Buchdruckerei in Ulm.

  1. Diese genitivischen Ellipsen finden sich auch bei den Geschlechtsnamen wieder, wo man Sohn hinzudenken muß. Z. B. J. 1387 Claus Burkartz; Geschfrd. 20, 231. Claus Einritze; ib. Heinrich Gerinen. Jenni Gegoryen. Uli Annen. Zuweilen sind diese genitiv. Ellipsen der Familennamen aus Ortsnamen entstanden, die im Lokativ standen. Übergänge dieser Art bilden z. B. die Namen: Jenni am Engelhartz (1413): Geschichtsfr. 20 a, Jost im Geretz ib. 2, 104. Von solchen im Lokativ stehenden Personenortsnamen werden auch wieder Geschlechtsnamen gebildet z. B. 15. Jhdt. Eucharius Liebetzer; Geschichtsfrd. 24, 99. Selbst der alte Ulmer Butiezzus scheint mir nur ein latinisierter Butiezer zu sein, zu dem Dorf Butizen bei Schübelbach in der Schweiz, und zu dem dortherum im J. 1371 genannten Familiennamen Buti gehörig. Vgl. Geschichtsfreund 22, 266, wo von Jenni Buti, von butez kind und Butez hofstetten die Rede ist. – Catalog. Dioeces. Constant. de 1799. pag. 137. –
  2. J. 1740 Barweisch, J. 1741 Barbisch, etwa aus welschem barbaccia? Man darf nicht vergessen, daß Oberschwaben aus den Schrofen des Rhätikon und Bündnerlands nicht allein Gerölle und Findlinge erhalten hat, sondern auch eine lange Reihe von Familiennamen. Noch heute findet aus jenen Gegenden eine stille Zuwanderung statt. Laut unserer Amtsprotokolle wanderten zwischen 1655 und 90 eine Menge von Leuten aus dem Walserthal, Klosterthal, Montafun, aus Bünden und Tirol in die entvölkerten Herrschaften Aulendorf und Königsegg ein. Dasselbe fand natürlich auch in den anderen Ortschaften statt, während die Einheimischen durch Kriegselend und übermäßige Lasten vertrieben nach Ungarn auswanderten. Von welchen Namen, die aus Vorarlberg, Tirol und der Schweiz stammen, nenne ich hier nur einige Beispiele: Bludescher (Ort Bludesch, nach Steub Rhätische Ethnologie S. 92 s. v. a. paludaccies; Bardiller (Ort Pardill, etwa pratello, Steub S. 88); Fornell und Forell (Ort Vornella, Steub 88); Fätscher (Ort Fätsch, fascina, Steub 89); Gamma, Ganitzer (Ort Ganitza, Steub 86); Gantebein (Ort Gantabein, Steub 91); Geschier (Steub 92); Purtscher, Putscher, Butscher (Ort Purtscha, alpa de porce, Steub 94); Ganal (Steub 92); Kattuder (Steub 92); Ludescher (Ort Ludesch); Lorinser (Ort Lorüns); Malanz; Madlenz (Ort mottelines, Madlens); Gawaz (Ort Gawats, Steub 96); Mutscheller (Ort Mutschella, Steub 88); Kantlehner (Ort Cantalein, Steub 101); Kohlreiter (Ort Kolreid, Steub 112) u. s. w. An Barabeisch erinnert der Weiler Barabein bei Biberach, der vielleicht ursprünglich auch ein welscher Familienname ist. (Vgl. barbino der Geizkragen.) – Auch die Ulmer Molfenter sind mir verdächtig, als stamme ihr Name aus den Gebirgen. Im J. 1345 wird zu Gersau in der Schweiz ein heinrich molvand namhaft gemacht, Geschichtsfr. 19, 78 und im 15. Jhdt. finde ich in Ravensburg Molventer. Oder wäre der Name etwa aus Wolfnand entstanden, wie ein alter Sanct Galler Censual heißt? Und stünde Molfenter (Wolfenter) zu Molfent, Wolfent, wie der Familienname Heinricher zu Heinrich?