Ueber den Bau eiserner Häuser in Belgien

Textdaten
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Autor: Jean Baptiste Ambroise Marcellin Jobard
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Titel: Ueber den Bau eiserner Häuser in Belgien
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aus: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jg., Band 1, S. 124–127
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Erscheinungsdatum: 1841
Verlag: Herbig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Band 1: SUUB Bremen = Commons
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Ueber den Bau eiserner Häuser in Belgien.

An einem schönen Sommernachmittag des Jahres 1786, sah man die Seine-Brücken in Paris von Tausenden von Menschen angefüllt. Auf den Quais wogte es von sonntäglich geputzten Menschen, die alle nach einem kleinen zierlichen Schiffchen gafften, welches den Strom hinab seine Bewegung nahm. Auf dem Schiffe befanden sich keine Ruderer, wie dieß sonst die Sitte ist; nur ein einziger Mann stand darauf, dessen rothe Haare und lange Nase ihn auf den ersten Anblick als einen Sohn des meerumgürteten Englands erkennen ließen. Dieser einzelne Mann richtete seine Blicke stets auf einen kleinen Kamin, dem ein dicker Rauch entstieg, nach welchem er wie die alten Auguren den Lauf des Schiffes zu berechnen schien. Dieser Mann führte den Namen Robert Fulton. Es war das Erstemal, daß man ein Schiff ohne Ruder sah, und das Volk klatschte dem zauberhaften Führer seinen Beifall zu. Aber die vielen hochweisen und vielgelehrten Sachkenner, die zu diesem Schauspiel gleichfalls geladen waren, schüttelten bedächtig ihre wohlgepuderten Köpfe. Charlatanerie! flüsterten sie einader zu, nichts als Charlatanerie! Wer wird ein Schiff durch Dampf bewegen! — Und wirklich nach einem Augenblicke blieb das kleine Schiff stecken, und der arme Robert Fulton wurde zum Gespötte des Volkes.

Erst zehn Jahre später gelang es dem unerschütterlichen Mann das Vorurtheil, dem seine Idee allenthalben begegnete, zu überwinden und in Amerika den ersten größeren Versuch zu unternehmen, dem wir jetzt den zaubergleichen Flug unserer Schiffe verdanken

Und ist es etwa dem armen Fulton allein so ergangen? Und so viel tausend andere Erfinder und Wohlthäter der Menschheit sind sie nicht immer verspottet und verhöhnt worden, so lange die faktische Ausführung ihrer Ideen nicht vollständig ins Leben trat? Wir wollen die Moral dieser Beispiele für einen neuen Fall in Anspruch nehmen.

Es ist vor Kurzem die Rede von eisernen Häusern gewesen, deren Bau man in Belgien versuchen will. Sogleich fiel der ganze Troß Journale [125] darüber her, um die Sache lächerlich zu machen. Die Männer, in deren Köpfen jene Idee entsprungen, fingen an den Muth zu verlieren und an ihrer Sache zu zweifeln. Da plötzlich läßt die belgische Regierung zur Feier der Nationalfeste im September ein weites großartiges und dennoch elegantes Zelt aus Gußeisen in der Mitte des schönen Parks, welcher die Residenz ziert, errichten. Die Solidität und die Zierlichkeit dieses Zeltes (Kiosks) setzte Alles in Verwunderung. Die alte Idee wird wieder vom Neuen aufgenommen; und ernster als je an die Ausführung derselben gedacht. Hören wir wie ein geistvoller Industrickenner, Herr Jobard, dieser Sache das Wort führt:

„Unser belgisches Gußeisen steht zu einem solchen Preise, wie wir ihn nur wünschen können, um daraus bequeme und dauerhaftere Hänser zu verfertigen, als aus gebrannten Steinen; diese Häuser werden obendrein noch den Vortheil gewähren, daß sie im Winter wärmer und im Sommer kühler sind als die jetzigen Wohnungen.

Sie würden außerdem viele bedeutenden Vorzüge haben. Indem sie keiner Feuersbrunst ausgesetzt sind, ersparen sie uns die Kosten der Assecuranzen; da sie Blitz, Erdbeben und Überschwemmungen nicht zu fürchten haben, so gewähren sie dem Leben und dem Eigenthum der Bewohner völlige Sicherheit.

Da man sie auf der Stelle zusammenfügen kann, so hat man nicht, wie bei andern Häusern, den Zeitverlust warten zu müssen, bis das Baumaterial trocken ist.

Indem alle Lagen, woraus ein solches Hans besteht, fest zusammenhalten, so bedarf es keiner Grundlagen, und man hat nicht zu befürchten, daß das Gebäude sich senke oder einstürze. Dergleichen leicht fortzuschaffende Häuser überheben uns der unangenehmen Nothwendigkeit zwischen zwei lärmenden oder böswilligen Nachbaren zu wohnen. Wenn einem der Wohnplatz nichts mehr behagt, so läßt man sein Haus abschlagen und an einen andern Ort schaffen.

Der Rost ist nicht mehr zu fürchten, seitdem man das galvanische Bestreichen erfunden hat; die Häuser werden demnach ewig sein und nichts von ihrem Werthe verlieren. Sobald uns der Styl, worin das Haus gegossen ist, nicht mehr zusagt, so lassen wir das Metall umschmelzen, um es den wechselden Launen des Geschmacks und der Mode anzupassen. Man wird alsdann ohne Ziegeldecker, Bleigießer, Schieferdecker fertig werden können, und man wird ohne Zweifel auch zwei oder drei andere Plagen, die, nach einem bekannten Ausspruche ein Haus heimsuchen können:

Sunt tria damna domus; imber, mala femina, fumus.

Auf den mit Rasen belegten Terrassendächern wird man bequem die [126] Wäsche trockenen und bleichen können, und ohne daß man nöthig hätte, sie da droben vor Dieben bewachen zu lassen.

Wünscht Jemand auf der Stelle ein Haus zu haben? — Acht Tage nach der Bestellung, wird es aus einem Gusse fertig sein; acht Tage später ist es an Ort und Stelle aufgerichtet und in bewohnbaren Stand gebracht. In der That, ist es nicht ein wahres Feenalter, das uns bevorsteht?

Mit welcher Leichtigkeit wird man nicht ganze Städte, im untern Schiffsraum, in Gestalt von Ballast, nach den neuen Colonien bringen können!

In welcher Anzahl werden nicht die Bestellungen von allen Theilen der Welt nach Belgien einlaufen, sobald man nur das erste Eisenhaus erblickt hat, welches ohne Zweifel in der Leopoldstadt sich erheben wird!

Wie sollte man es nur für möglich halten, daß unsere großen Industrieherren, welche bei dieser Sache doppelt interessirt sein müssen, einen Monat, einen Tag, ja eine Stunde lang sich bedenken, werden für diesen edlen Zweck Hand ans Werk legen zu lassen.

Wir würden an ihrem Unternehmungsgeiste und an ihrem Glauben an eine bessere Zukunft irre werden, wenn sie sich nicht beeilten, die für Ausführung des so tief durchdachten Planes des Herrn Rigaud nothwendigen Geldfonds aufzubringen.

Es wäre wahrlich eine große Thorheit, bei einer Verbesserung müßig zu bleiben, wo alles auf eine erste Ausführung ankommt, man verlöre die Ehre und den Vorteil der Initiative. Denn es ist uns zu Ohren gekommen, daß man damit umgeht, in den königlichen Gießereien zu Lüttich, nach dem Plane des Direktors, ein eisernes Haus für die Büreaux und Archive dieser Anstalt zu verfertigen; jedoch hängt dies von einem Beschluß der Regierung ab, welche immer noch darauf warten läßt, als wäre sie geneigt, den Wettpreis Privatunternehmern zu überlassen.

Herr Rigaud hat den Plan zu einer dreistöckigen Wohnung gemacht, worin sich 16 bis 17 Zimmer befinden; das Eisenwerk daran würde ein Gewicht von 160,0000 Ctr. haben.

Mit einem einzigen Wagenzuge der Eisenbahn könnte das Gebäude von Brüssel nach Lüttich, Gent oder Antwerpen, für die Summe von 5 bis 600 Franken geschafft werden; zu Wasser würde der Transport viel wohlfeiler kommen. Auf die Art würde man einst manche freie, reiselustige Männer auf der Themse nach Neapel, Venedig oder Constantinopel sich einschiffen sehen, überall ihr Haus mit sich führend, wie sie jetzt ihren Wagen mitnehmen.

Um von der Heitzung solcher Wohnungen eine Vorstellung zu geben, und besonders die erstaunlichen Ersparnisse zu zeigen, welche Herr Rigaud dabei verspricht, wollen wir bloß bemerken, daß die Wände hohl sind, und daß die erwärmte Luft, die durch einen einzigen Heitzapparat in der Küche [127] hervorgebracht wird, in den leeren Räumen aller Mauern circulirt, und von einem Zimmer ins andere geleitet wird; ferner, daß man, vermittelst unten angebrachter Klappen, den Luftstrom beschleunigen oder verringern, alle Zimmer einzeln oder insgesammt nach Belieben erwärmen oder abkühlen kann; und alles dies hat man ohne weitere Mühe, ohne Rauch, Staub, ohne daß die Diener Holz oder Steinkohlen die Treppen hinauf schleppen, ohne daß man den Kram von Ofen, Zangen und Feuerungskasten auszustehen hat. Man bedenke sodann, welcher fortwährenden Reinlichkeit sich nicht bloß die Fenstervorhänge, sondern noch mehr die Möbeln, Teppiche, die Zimmerdecken, kurz alles und jedes Hausstück erfreuen werden — fügt man nun obendrein die Nobert'sche Beleuchtung hinzu, bei welcher der Oelbehälter fürs ganze Haus im Keller steht, so befindet man sich in einem wahren Paradiese der Ersparung, wobei man jedoch alles in reichlicher Fülle genießt.

Ehre sei dem Manne von Geschmack, Geist und Herz, welcher unser Vaterland mit dem ersten Eisenhause beschenken wird! Gewiß, die Nachwelt wird seinen Namen in das trefflich bearbeite Metall graben und feinem Gedächtnisse nie rostende Ehrensäulen errichten!

Sehet ihr nicht die mit einem Blumenbeete bedeckte Terrasse jenes zierlichen Hauses, an schönen Sommerabenden, die Verwandten und Freunde versammeln, um sich zu unterhalten, zu lachen, zu rauchen, und vor allem um die Wunderwerke der Industrie zu preisen, die uns Tag für Tag mit neuen Bequemlichkeiten, mit neuen Genüssen beschenkt.

Von da herab wird man das wilde Geschrei jener Elenden getrost anhören, welche, wegen des Streits den thörichte Eigenliebe anregt, aufs neue die Kosaken in unsere freundliche Behausungen führen möchten. Frieden, Frieden! und ehe noch zehn Jahre verfließen, wird Brüssel tausend eiserne Häuser haben, und dann wird man kommen und in einer alten Nummer dieser Zeitschrift den Artikel aufsuchen, der diese heilbedeutende Weissagung ausgesprochen hat.

Jobard.