Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae: Pyritz

Topographia Germaniae
Pyritz (heute: Pyrzyce)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1652, S. 85–87.
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Pyritz /

Ist eine gar alte Pommerische Stadt / im feisten köstlichen Weytzacker / sub latitud. 53. 11. et longitud. 39. 15. an den Gräntzen der Neuen Marck Brandenburg gelegen. M. Petrus Chelopaeus machet sich die Gedancken / daß dieser Nahme von πυρὸς, welches so viel als Weitzen heisset / herkomme / und saget dabeneben / daß die Pyritzischen gutthätige Leute seyen / und keinen Frembden ohne Essen und Trincken von sich lassen. Aber nun habens die gute Leute in dieser elenden Zeit selbst nicht / und müssen der Soldaten Gnade leben; erinnert Micraelius lib. 6. Pomer. p. 602. von seiner Zeit. Er Chelopaeus rühmet sie auch / wegen sonderer Liebe zur Music / weil sie fast keine Gastereyen / die doch bey ihnen in grosser Menge (vor diesem nemblich) gehalten werden / ohne einstimmende Music ablauffen lassen. Der von Eickstett saget / es wohne daselbst zimblich gut Volck / und theils gute Wollenweber. Nunmehr aber schiffen die Pommern ihre Wolle in frembde Länder / und kauffen dagegen das Tuch zum theuresten wider ein / mit was Profit / kan ein jeder leicht gedencken. Die Zunfft der Tuchmacher / die vorzeiten in allen Städten die grösseste fast gewesen / hat dermassen jetzund abgenommen / daß an vielen Orthen kein einiger Meister dieses Handwercks gefunden wird. In Stetin sind 2. gantze Gassen / die man von denen / so drinnen wohneten / die grosse und kleine Wollenweber / oder Tuchmacher Strasse genannt. Jetzund halt ich / sind kaum 2. mal 2. Tuchmacher in der gantzen grossen Stadt. Aber da mögen die Regenten zusehen; erinnert abermals besagter Micraelius p. 603. Wider auff Pyritz zu kommen / so hat dieselbe eine Pfarrkirche so groß in der Weite / als die Stetinische zu S. Jacob. Die Stadt-Schule ist in dem Closter der Grauen Mönche: und in der Vorstatt / die man sonst ins gemein die alte Stadt nennet / ist das Jungfrauen Closter von Barnimo I. gestifftet / da hernach das Fürstliche Burggericht / das die Alten haben ein Manngericht geheissen / (davon P. M. Wehnerus, in pract. 1. Observat. lit. M. p. 487. col. 1. voc. Mannrecht / zu lesen) hingeleget ist. Zur Praepositur dieses Orthes gehören 15. Pfarren / und die Stadt muß zur Folge / nach dem alten Anschlage 20. Pferde / und 80. Mann zu Fusse / ins Feld führen. Hält viel Marcktäge / als Montags nach Invocavit, Laetare, Palmarum, Bartholomaei, und Marien Geburt. Auß dieser Stadt sind die beyde vornehme Juristen / Joachimus, und Matthias Stephani, beyder Rechten Doctores, wie auch M. Casparus Brülovius, Professor zu Straßburg / und Erasmus Holtzschüder / Medicus, und Professor zu Greiffswald bürtig / und gedachter M. Petrus Chelopaeus, der ein Pommerische Chronic kürtzlich gefasset / Pfarrer gewesen. Es hat diese Stadt dieses merckliche Glück gehabt / daß sie die erste ist in Pommern gewesen / so sich beydes vom Heidenthumb zum Christlichen Glauben / und vom Bapstumb zum Evangelio gewendet hat; saget abermals offterwehnter Micraelius p. 604. und sollen / als S. Otto / der Bischoff von Bamberg / Anno 1124. hieher kommen / auf seine gethane Predig / die er auf einem breiten Platze für dem Schloß gehalten / sich bey 7. tausend Seelen haben tauffen lassen. Es verschweiget aber besagter Micraelius auch das Unglück nicht / so diese Stadt betroffen; als / daß Hertzog Bogislaus X. alhie vom Churfürst Alberto zu Brandeburg belägert worden / lib. 3. p. 456. Item / wie gantz kläglich / und zugleich [86] schröcklich / die Käyserischen / unter dem Feld-Wachtmeister Cratzen / unangesehen die Stadt ein stattliche Salvaquardi vom Feld-Marschall / deme von Schaumburg hatte / alhie Anno 1630. gehauset haben / lib. 5. p. 272. seq. Als gemeldter Cratz hernach von deß Königs auß Schweden Vorhaben auff Gartz / und Greiffenhagen / gehöret / hat er die Scheuren vor den Thoren / und dabenebenst die schöne Hospitalen / auch eine wolgebaute Kirche / und die alte Stadt / nebenst dem Fürstlichen Hause / und dem Closter / der Pfarrkirche / und der Mülen drinn / abbrennen lassen: und endlich / da er von Eroberung obgemeldter beyder Pässe Bericht eingenommen / auch die Stadt in Brand zu setzen befohlen: welches gleichwol vom Obrist Leutenant Funcken ist verbotten / und widerrathen worden. Als Anno 1633. die Schwedischen wieder hieher von Landsberg kamen / ist der meiste Hauff von dannen vor Forcht gewichen. Weil dann nun also viel Häuser / ohne Einwohner / ledig stunden / als hat der Soldat alles angegriffen / und mitgenommen / was er gefunden. Also ist nun wiederumb dahin gegangen / was die Leuthe in dritthalb Jahren wider gesamlet hatten. Weil sie aber noch eines grössern Unglücks von den Käyserlichen befahren musten / so haben sie / nach dem Exempel unterschiedlicher Orth in der Marck / ins Käyserische Läger geschicket / umb eine Salvaquardia anzuhalten / die sie auch erhalten; welches die Schwedische verdrossen / die den Rittmeister Glasowen / mit etlichen Compagnien Reutern / und Dragonern / dahin geschickt / daß er alles übrige Geschütz bey der Stadt / nebenst allen daselbst befindlichen Pferden / abholete. Anno 34. den 29. Martij / brande der vierdte Theil der Stadt / und über 90. Häuser / und Wohnstätte / ohne Scheuren / und Ställ / durch Verwahrlosung deß Schwedischen Rittmeisters Küchen-Jungen / ab; und ward gleichwol noch von den beeden Schwed. Obr. Baron / und Jacob Borgstorff / (die vorher / als sie nach Landsperg auffgebrochen / ihr Winterquartier da gehabt / und nach deme Landsperg wider in Schwedischen Händen war / hieher zuruck kamen;) Quartier / auff etliche Wochen / in der Stadt begehrt. Da aber die Burger ihren erlittenen Schaden vorschützeten / setzeten sie sich folgenden Tags / als den 1. Aprilis / auf den Mittag / mit den ihrigen zu Pferd / und etwa eine Stund nach ihrem Abzug / entstand / nicht ohne grossen Verdacht eines an unterschiedlichen Orthen gelegten Feuers / ein solche Feuerbrunst / die in einem Huy von allen Ecken angieng / und durch deß scharpffen Winden Krafft / wurden die übrige drey vierthel der Stadt mit der Flamm ergriffen / daß in einer vierthel Stunde das gantze arme Pyritz durch und durch im Feurstand. Die zwey Thor wurden auch von der Flamme ergriffen / daher in der Angst ein Loch mit der Axte in die Mauren gehauen worden / an einem andern Orth sind sie durch eine Wasserleite hinauß kommen / und niemand rettete etwas als sein Leben. Das obgedachte schöne Kirchengebäu / welches nur für 32. Jahren / nach dem vorigen Brande (in A. 1496. da fast die gantze Stadt / und hernach im Jahr Jahr 1543. das vierdte Theil der Stadt ausgebronnen / durchauß auffs neue gewölbet / und außgebauet war / wie auch das schöne Rathhauß / deßgleichen wenig in Pommern zu finden / und das im vorigen Brand Anno 1496. war stehen gebliben / im Feur / mit schröcklichem Brausen / und Krachen / verderbet / auch noch darzu etliche / die auß dem Feuer ihr Leben errettet / für den Thor / von den aufwartenden Dragonern an dem Plunder / was sie auffm Leibe / und bey sich hatten / geplündert wurden. Dieser Brand / dadurch die gantze Stadt / ausser der Schulen / so an der Mauren / gar in die Asche geleget worden / war zuvor / umb Johannis / am Sonnabend / in der Zeit / da man Beicht höret / im Rauch angezeiget / der unter den Frauengestülen auffgieng / und sich in die gantze Kirche vertheilete. Auch hat ein Melancholischer Studiosus, der seyner Schwachheit halber eingesperret war / diesen Brand mit deutlichen Worten zuvor angekündiget. Aber wer pflegt solchen Worten zu glauben? Nichts desto weniger / da die Burger / auff fleissige Anmahnung ihrer Priester / sich wider in die verstörete Stadt gefunden / haben stracks nach dem Brand etliche alte Soldaten Reste müssen auffgebracht werden / und hat die Last nicht auffgehöret / biß endlich folgendenen Jahres / [87] da die Burger etliche Scheuren / und Häuser / wieder gerichtet / und sich damit in Schulden biß an die Ohren gestecket / die Käyserliche über Franckfurt auffs neue wieder herein drungen / Gartz eroberten / und den folgenden Jammer fast ärger / als den ersten macheten. Und ward in diesem 35. Jahr Don Felix / ein Spanier / gegen dem Winter / mit einem gantzen Regiment / in diß arme verbrandte Pyritz gelegt. Anno 36. lag der Obrist-Wachtmeister Milatz vom jungen Borgstorfischen Regiment da / den die Schwedischen da überfielen / ihn fiengen / und fast abermals die gantze Stadt außplünderten; in deme sie das / was dem Feinde zuständig / und ihnen sonst beliebend war / hinauß führeten. Als Anno 37. der Feld-Marschall Bannier nach Pommern flohe / und wegen der anziehenden Käyserischen / viel vornehme vom Adel mit Weib und Kind / auch übrigem Vieh / und Geräthlein / ihr Zuflucht nach Pyritz / und Stargard nahmen; da seynd sie / neben den Burgern / alhie von unterschiedlich Käyserischen Partheyen sehr übel gehalten worden; gleichwol entkamen / durch Hülff eines Teutschen ReuterLeutenants / über 2000. Seelen / und darunter viel schwangere Frauen / die keine Stund mehr zur Geburt Zeit wusten / auch viel kleine Kinderlein / nach dem Plönenbruch / so ein Gestäude / von dannen naher Damm / und Stetin; hatten nicht ein Mund voll Brodts bey sich / waren noch darzu gegen die Nacht in dem nächsten Walde mit einem starcken Regen / und grossem Sturm überfallen / und da eine Haußmutter einer jungen Tochter im Gestäude genaß / und kein Messer / oder Schere mehr übrig war / die Frucht zu lösen / hätten sie beyde den Geist auffgeben müssen / wenn nicht die Wehemutter mit der Ecke eines Lübischen Schillings / den sie noch bißher verborgen gehabt / solch werck verrichtet hätte. Wie dieses alles in obangezogenem 5. Buch / p. 275. 305. seq. 319. seqq. 331. seq. 342. 361. seq. weitläuffiger / auch von den unerhörten Wunderzeichen / in und umb Pyritz / deß 1636. Jahrs / p. 337. seqq. zu lesen / dann es alhie nur Außzugs-weise / und kürtzlichen erzehlet worden ist. An. 1639. nahm sich der Gubernator zu Cüstrin vor / Pyritz zu überfallen / wurde aber von den Schwedischen darüber geschlagen: gleichwol auch diese nachmals im Majo wiederumb darauß getrieben wurden. A. 1642. den 24. Junij / ist alhie Nachts eine Todtenbaar im Mond erschienen / welche etliche Stunde gestanden / und von vielen Leuthen gesehen worden.