Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Haderholz und Falkenberg

Wasser in Bergen Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Walenkunden
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154.
Haderholz und Falkenberg.

Wenn man vom Sperrhügel abwärts einer Quellrinne folgt, deren Wässerlein „die dürre Floh“ heißt, und längs der kalten Wasserswand niedersteigt, so kommt man auf die alte Straße, die von Schmalkalden nach Tambach und Georgenthal über den „Rosengarten,“ weil daselbst keine Rosen wachsen, führt – und erreicht ansehnliche Dörfer. Wer in Bezug auf Göthe’s schönes Lied:

Es war einmal ein König,
Der hatt’ einen großen Floh –

scherzend fragen wollte, welcher Monarch oder welches Land in Deutschland den größten Floh besitze, dem müßte die Antwort werden: Kurhessen, denn das in diesem Thalkessel liegende Dorf Floh umfaßt eine beträchtliche Häuserzahl. In dessen naher Nachbarschaft liegt das Dorf Seligenthal, an seinem Bächlein die Selige, volksmündlich Silge, welcher Name an die mythischen Bergfeinen Tirols, „die Seligen“ erinnert, bei denen an den christlichkirchlichen Begriff des Wortes „selig“ nicht zu denken ist. Auch bei Salzungen ein Bach gleiches [7] Namens. Eine Strecke davon erheben sich zu beiden Seiten des Haderholzwassers zwei felsgekrönte Bergköpfe; auf beiden sollen Burgen gestanden haben, darinnen Ritter wohnten, die einander gegenseitig bitter haßten und befehdeten. Des einen Burg war die Falkenburg, der Name der zweiten ging verloren. Heftig stritten und haderten beide Ritter um eine der Falkenburg gegenüber liegende Waldstrecke, welche davon noch bis heute den Namen des Haderholzes trägt. Während nun die beiden Ritter einander grimmig haßten, liebten beider Kinder, der Sohn des einen, die Tochter des andern, einander inniglich, und kamen, da ihre Liebe nicht kundbar werden durfte, heimlich an einem traulichen Quellbrunnen zusammen, erbauten dort ein Hüttchen, in welchem Raum war für ihre Liebe und verlebten darin minneselige Stunden, was leider nicht ohne sichtbare Folgen blieb, worauf der Vater der Maid sie mißhandelte und verstieß. Sie floh nach ihrem Hüttchen, gebar dort und starb sammt ihrem Kinde, hülflos und unselig. Wie ihr Geliebter kam, und sie also tod fand, stürzte er sich in sein Schwert. Nun lassen sich bisweilen die Geister der Liebenden in dem stillen unheimlichen Thalgrund sehen, besonders der der Maid, der im klaren Bache Kinderwäsche reinigt, und auf der Waldwiese unterm Haderholze trocknet. Diese Sage kennt in Schnellbach, Floh und Seligenthal jedes Kind, und auf den Lippen der Dörferinnen lebt sie sogar im Liede fort.