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Namens. Eine Strecke davon erheben sich zu beiden Seiten des Haderholzwassers zwei felsgekrönte Bergköpfe; auf beiden sollen Burgen gestanden haben, darinnen Ritter wohnten, die einander gegenseitig bitter haßten und befehdeten. Des einen Burg war die Falkenburg, der Name der zweiten ging verloren. Heftig stritten und haderten beide Ritter um eine der Falkenburg gegenüber liegende Waldstrecke, welche davon noch bis heute den Namen des Haderholzes trägt. Während nun die beiden Ritter einander grimmig haßten, liebten beider Kinder, der Sohn des einen, die Tochter des andern, einander inniglich, und kamen, da ihre Liebe nicht kundbar werden durfte, heimlich an einem traulichen Quellbrunnen zusammen, erbauten dort ein Hüttchen, in welchem Raum war für ihre Liebe und verlebten darin minneselige Stunden, was leider nicht ohne sichtbare Folgen blieb, worauf der Vater der Maid sie mißhandelte und verstieß. Sie floh nach ihrem Hüttchen, gebar dort und starb sammt ihrem Kinde, hülflos und unselig. Wie ihr Geliebter kam, und sie also tod fand, stürzte er sich in sein Schwert. Nun lassen sich bisweilen die Geister der Liebenden in dem stillen unheimlichen Thalgrund sehen, besonders der der Maid, der im klaren Bache Kinderwäsche reinigt, und auf der Waldwiese unterm Haderholze trocknet. Diese Sage kennt in Schnellbach, Floh und Seligenthal jedes Kind, und auf den Lippen der Dörferinnen lebt sie sogar im Liede fort.

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)