Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Das versunkene Dorf im Ebertsgrunde
← Walenkunden | Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band von Ludwig Bechstein |
Burg Hallenberg über Steinbach → |
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext. |
Das versunkene Dorf im Ebertsgrunde.
Wenn man von Schmalkalden durch die malerische Felsenpforte gleich hinter Asbach, wo die Sage einen Brunnen kennt, der bisweilen etwas trübe fließt, und an welchem sich eine gespenstige Wäscherin blicken läßt – auf der Straße nach Steinbach und Hallenbach fährt oder wandert, kommt man durch einen hügeligen Wiesengrund, über den sich die Straße mählich erhebt und den die Sage kennzeichnete. In diesem Grunde lag vor Zeiten eine Ortschaft, Ebersdorf oder Ebertsdorf geheißen, und war dieselbe sehr reich, hatte vielen Bergbau auf Gold, Silber und Kupfer. Aber der Erzreichthum machte die Bewohner erzschlecht. Sie logen und trogen, prangten und prunkten, sprachen guter Sitte Hohn und gingen nicht mehr in die Kirche, ja sie beleidigten und erzürnten den Himmel mehr, als es zu sagen ist. Da geschahe es an einem Sonntage, daß eine fromme Magd aus Springstille, die in Ebersdorf beim reichsten Bauer diente, von ihrer Herrschaft Urlaub nach Hause begehrte, um daheim [10] mit den lieben Ihrigen das heilige Abendmahl zu genießen. Mit Schelt- und Hohnworten über ihr gottseliges Vorhaben wurde ihr die Erlaubniß gegeben, so daß sie weinend und von Herzen betrübt ihres Weges ging. An diesem Tage ging etwas in tiefster Stille vor zu Ebersdorf. Es war so still, so gewitterschwül, aber es kam kein Gewitter. Es waren keine Wolken am Himmel, aber die Sonne schien nicht mehr. Niemand wußte, wohin die Sonne war. Und den Leuten wurde so seltsam, sie wußten nicht wie – und verwunderten sich nur, als auf einmal in aller Stille die unteren Fensterbrüstungen mit dem Erdboden in einer Linie sich befanden, und daß es nach und nach dunkler wurde, und immer dunkler, und endlich ganz Nacht, aber in aller Stille. Nur die Hähne krähten noch. Wie die Magd nun von Springstille zurück kam, fand sie kein Ebersdorf mehr; nur einen großen Hügel erblickte sie, darauf ein goldenes Grabkreuz stand – als sie näher kam, fand sie, daß es das Kreuz auf dem Thurmknopf war – so tief war alles schon gesunken. In der Tiefe kräheten noch immer die Hähne. Nun sprang die entsetzte Magd wieder nach Springstille zurück, und sagte ihren Angehörigen, was sie gesehen, aber niemand wollte ihr glauben. Einige gingen am andern Morgen mit ihr – da war auch das Kirchthurmkreuz vollends hinabgesunken, und es krähete kein Hahn mehr, weder im Dorfe, noch nach dem Dorfe. Da nahmen die Springstiller die Ebersdorfer Felder in Besitz, und besitzen sie theilweise noch heute. In des Thalgrundes Mitte erblickt man immer noch den Hügel, der die Kirche deckt, wie ein großes Grab.