Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Von Elisabeths Tod und Heiligsprechung
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Von Elisabeths Tod und Heiligsprechung.
Schon als Landgräfin hatte Elisabeth den strengen Prediger und Ketzerrichter Konrad von Marburg zu ihrem Beichtiger erwählt, weil ihr Gemahl denselben mit einem großen Vertrauen beehrte, und ihm die Besetzung aller geistlichen Stellen, wie die Vergebung kirchlicher Lehen übertragen. Sie gelobte ihm feierlich im Sanct Katharinenkloster zu Eisenach Gehorsam an, demüthigte sich vor ihm, geiselte sich auf sein Verlangen, und übte alle die guten Werke, welche der Glaube zur Erlangung der Seligkeit vorzeichnete, oft mit grausamer Strenge gegen sich selbst, [183] mit harter Entsagung, mit asketischem Heldenmuthe. Sie trat mit den ihr stets treu gebliebenen vormaligen Hofjungfrauen Jutta und Eisentrud als Tertianerin in den Orden des heiligen Franziskus, und trug fortan das Gewand der grauen Schwestern, sie entsagte öffentlich in der Minoritenkirche zu Eisenach der Welt und all ihrer Freundschaft. Sie bezog in der Nähe von Marburg eine armselige Bauernhütte, bis ein kleines Häuschen von Holz und Lehm in Marburg für sie erbaut war. Nun gründete sie von ihrer Mitgift ein Armenhaus und Krankenhospital, besuchte und pflegte die Kranken, und übte alle Werke der Barmherzigkeit, indem sie Kranke pflegte, Nothleidende unterstützte, Gefangene tröstete, Gestorbene bestattete. Unablässig spann sie Wolle für die Armen und vertheilte Almosen, begnügte sich dabei selbst mit Armenkost, und ging in Kleidern einher, die kaum besser waren, als die der Aermsten, und oft geflickt und bestickt mit allerlei Lappen.
Indem Elisabeth sich mühte durch Entbehrungen, Demüthigungen und Kasteiungen sich immer würdiger des Himmels und der künftigen Seligkeit zu machen, ertrug sie mit himmlischer Geduld alle Qualen und Peinigungen, welche Konrad von Marburg ihr auferlegte, ja selbst die persönlichen, körperlichen Mißhandlungen, die er sich in seinem geistlichen Hochmuthe gegen sie erlaubte. Er durfte sich erfrechen, sie zu schlagen. Sie ertrug es, aus freiem Willen, um Gottes Willen, widerstand allen Aufforderungen, ihre asketische Lebensweise zu ändern, in ihre Heimath nach Ungarn zurückzukehren, ein anderes Leben zu führen. Sie hatte das Elend liebgewonnen, und fand ihre Wonne in Schmerzen.
[184] Mehr und mehr wuchs unter der Bevölkerung die Anerkennung des frommen Wandels und die Verehrung der landgräflichen Wittwe. Aber die freiwillig auferlegten Entbehrungen und Schmerzen, alles ertragene Mühsal, und eine heiße Sehnsucht nach dem Himmel rieben frühzeitig die Körperkräfte der Dulderin auf, und schon am 19. November des Jahres 1231 entschlief sie, nur erst 24 Jahre alt, und ihr Hinscheiden wurde beklagt von allem Volke. Bald genug verbreitete sich die Kunde von allerlei Wundern, die während der Leichenbestattung Elisabeths und an ihrem Grabe geschahen. Konrad von Marburg sammelte diese Kunden und sendete sie an den Papst, Gregor IX., zu welchem auch der Schwager Elisabeths, der Deutschordensritter Konrad von Thüringen reiste. In Perugia, wo Gregor IX. eine Zeit lang verweilte, erfolgte am Pfingsttage des Jahres 1234 unter großen Feierlichkeiten Elisabeths Heiligsprechung im Kloster des Predigerordens. Der Schwager Elisabeths, Landgraf Konrad, war bei dieser festlichen Handlung Augenzeuge und vertheilte reiche Spenden an die Gotteshäuser und an Arme, bewirthete die ganze Geistlichkeit, und saß bei einem Mahle des Papstes diesem zur Seite. Die Bulle der Heiligsprechung Elisabeths wurde unterm 1. Juni 1235 ausgefertigt und mußte von allen Kirchen in Deutschland verlesen werden. Erzbischof Siegfried von Mainz bestimmte den 1. Mai des Jahres 1236 als den Tag der feierlichen Erhebung der Gebeine der heiligen Elisabeth, die unter dem Zustrome zahlloser Fremden erfolgte, bei der der Kaiser selbst gegenwärtig war, ferner die Erzbischöfe von Mainz und Köln, die Bischöfe von Bamberg, Speier, Worms, Halberstadt, Hildesheim, Paderborn, Naumburg, Merseburg [185] und Bremen, nicht minder Elisabeths beide Schwäger, ihre Kinder, ihre Schwiegermutter.
Am Morgen des Erhebungstages der heiligen Gebeine begaben sich die Fürsten, den Kaiser an ihrer Spitze, letzterer im grauen Büßergewande, und gänzlich ohne Schmuck, nur die goldene Krone auf dem Haupte tragend, in die Kirche; die Fürsten und die hohe Geistlichkeit erschienen im höchsten Glanze des Schmuckes und der Tracht. Und nun wurden Elisabeths Gebeine erhoben, wobei Kaiser Friedrich selbst mit Hand anlegte; dann bedeckte der Kaiser das Haupt der Heiligen mit einer goldenen Krone, und sprach: Da ich sie auf Erden nicht krönen sollte als eine Kaiserin, so will ich sie doch ehren mit dieser Krone als eine ewige Königin in Gottes Reiche. Rührend war es anzusehen, wie Elisabeths Kinder an der Truhe knieeten, welche die Gebeine ihrer heilig gesprochenen Mutter in sich schloß. Zahlreiche Opfer wurden an diesem Tage dargebracht zur Erbauung der prachtvollen Kirche in Marburg, welche künftig das Mausoleum Elisabeths einschließen sollte, und zu welcher bereits der Grundstein gelegt war. Bald auch wuchs der Ruf der Wunder, welche nach dem Glauben jener Zeit die Heilige fortwährend übte, und es ist wol unbestritten das schönste und würdigste Wunder Elisabeths, daß noch bis heute, nach sechshundert und zweiundzwanzig Jahren, und in den Ländern Thüringen und Hessen, deren religiöses Bekenntniß an Fürbitte der Heiligen, wie an Wunder nicht zu glauben lehrt, das Andenken an diese Heilige ein rein und treu bewahrtes ist, und Elisabeth, die gottergebene, vielleicht überfromme, fürstliche Dulderin, in der vollen Glorie der Heiligkeit im Herzen des Volkes lebt, und nie vergessen werden wird.