Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Die Cameels-Kammer und der Cameelsbrunnen

Die Jungfrau mit dem Zopf Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Die verschwundene Burg
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27.
Die Cameels-Kammer und der Cameelsbrunnen.

Wenn man von Themar aus dem Weißbach entlang nach dem Dorfe Lengfeld zu schreitet, kommt man an eine Vertiefung, in welcher ein Brunnen quillt.

In einem heißen Sommer gingen einmal zwei Männer aus Themar mitander durch die Feldflur, und einer von ihnen fühlte brennenden Durst. Der Mann war dem umsinken nahe, und sprach zu seinem Nachbar: „ich will umkehren und wieder heimwärts gehen, daß ich erst meinen Durst lösche.“ Und er wandte um, sank aber bald an einem Rain hin, denn er war matt und müde; horch! da plätschert etwas in der Nähe, wie wenn Wasser auf die Erde niedergegossen würde – er rafft sich auf, und als er kaum noch 20 Schritte gethan, so sieht er zu seinem großen Wunder ein Cameel, welches sich nieder bückt und aus einer hervorsprudelnden Quelle säuft. Vorher war an diesem Ort keine Quelle gewesen. Freudig eilt er hinzu und löscht seinen brennenden Durst mit dem klaren süßen Wasser; dann verkündigte er das Wunder seinen Nachbarn und Freunden, die sich neugierig aufmachten, das Cameel und die neuentdeckte Quelle zu besehen. Frisch und klar wallte das Wasser noch aus der Erde hervor, aber das Cameel war fort, und ließ sich [43] später nur noch einigemale an eben diesem Ort sehen, wo es dann nie wieder bemerkt wurde. Ihm zum Andenken ließen die Themaraner sein Bildniß in Stein hauen, und über die, nachmals sorgfältig gefaßte Quelle aufstellen, die den Namen „Cameelsbrunnen“ bekam, und heute noch frisch und rein fortsprudelt.

Der Ort, wo Cameel und Quelle zuerst gesehen wurden, wird auch „die Cameelskammer“ geheißen; auf beiden Seiten drängt der Wald heran, und der Boden, der sich hier in eine Vertiefung senkt, sieht fast einer Wohnung, oder einer Kammer ähnlich.

Dieses Cameel soll zu denen gehört haben, welche die Orientalin mit aus ihrer Heimath brachte, und von jener Zeit an soll sich noch manchesmal im Hennebergischen hie und da ein Cameel erblicken lassen. Nahe der Cameelskammer sind auf dem Felde noch zwei Vertiefungen, von denen die eine die Goldgrube, die andere die Kohlengrube heißt. Es läßt sich aber weder in der einen noch in der andern das erblicken, wonach sie heißen. Würde man dem Fingerzeige der alten Sage zu folgen verstehen, und in der Kohlengrube Kohlen finden, so wäre die Goldgrube gleichzeitig mit erschlossen.