Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Des eisernen Landgrafen Seele
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Des eisernen Landgrafen Seele.
Ludwig der eiserne hinterließ einen Sohn, das war Ludwig IV. des Namens und als Landgraf der dritte, [148] den nannte man den milden, weil er wieder sanfter herrschte wie sein Vater, der die Edlen geplagt und geschreckt hatte bis nach seinem Tode, da sie ihn von Freiburg an der Unstrut bis nach Reinhartsbrunn im Sarge auf ihren Schultern tragen mußten. Nun hätte Landgraf Ludwig III. gern gewußt, wie es um seines Vaters Seele beschaffen sei, denn obschon er dem Volke geholfen und es vom Drucke der Beamten und edeln Vasallen entlastet hatte, ärntete er doch den gewöhnlichen Volksdank, der Undank heißt, und sein Andenken war ungesegnet. Nun war am Landgrafenhofe ein Ritter, welcher einen Bruder hatte, der hatte in Paris studirt und die Schwarzkunst erlernt, dann war er in Eisenach Cleriker geworden. Da der Ritter des Landgrafen Wunsch vernahm, ging er seinen Bruder an, zu erforschen, wie es um die Seele Landgraf Ludwigs des eisernen stehe? Der Zauberschüler beschwur hierauf den Teufel, und befragte diesen, und alsbald war der Teufel willig, wenn er mit ihm fahren wolle, so solle er des Landgrafen Seele selbst sehen. Das war dem Nekromanten lieb, und nachdem er sich hatte beschwören lassen bei dem allerhöchsten Gott und bei seinem schrecklichen Gerichte, daß solche Fahrt ihm nicht geistlich noch leiblich schaden solle, so führte ihn der Teufel zu der Hellstätte, die gar nicht weit war, und der Zauberschüler sahe allda einen großen unaussprechlichen Jammer. Andere Teufel gesellten sich zu dem einen, und warfen von einer Grube einen glühenden Deckel, und der Teufel steckte eine Posaune in die Grube, und blies, da bebten von dem entsetzlichen Schall Himmel und Erde. Dann schlug die helle Flamme aus der Grube mit zahllosen Funken und gräulichem Gestank, und in ihr zitterte des Landgrafen Seele wie ein bleicher Schemen [149] herauf, und sprach zum Nekromanten: Siehe hier bin ich, ich armer unseliger Landgraf, vormals Dein Herr! – Dem Zauberschüler verging vor Schreck und Beben eine ganze Weile die Sprache. Dann sagte er der Seele des Landgrafen seines lebenden Sohnes Wunsch an, und jener antwortete, der Sohn solle doch das Gut, was er als eiserner Landgraf der Kirche oder vielmehr den Pfaffen entzogen, alles zurückgeben, denn der Landgraf hatte verstanden, von den Landen der Stifter Mainz, Fulda und Hersfeld viel an Thüringen zu bringen, sodann hoffe er Erlösung zu finden; geschähe dieses nicht, so werde die arme Seele Pein leiden müssen bis zum jüngsten Tage. Der Zauberschüler, da er selbst ein Pfaffe war, war klug genug, einzusehen, daß der neue Landgraf solche Rede für eine Lügenmär, von Pfaffen ausgesonnen, und alles für Gaukeltrug und Blendwerk halten werde, und bat um ein Wahrzeichen oder ein Geheimwort, daran sein Gebieter erkennen könne, daß er gewiß und wahrhaftig den Willen des Pein leidenden Herrn verkünde. Darauf sagte ihm die Seele Dinge, die niemand wissen konnte als der Sohn und gab ihm gründliche Wahrzeichen an, dann sank er wieder hinab in die Hellgrube, und jener ward zurückgeführt, und sagte treulich an, was er gesehen. Nun hätte wohl Ludwig der Milde gern seines Vaters Seele aus der Pein erlöset, aber die, so jene Stiftsgüter inne hatten, wollten sie doch lieber fernerhin behalten, und gaben Ludwig dem Milden den Rath, er solle fein auch behalten, was ihm zugestorben sei, und nur fleißig Almosen geben und Messen lesen lassen, so werde seines Vaters arme Seele sonder Zweifel noch eher ihre Erlösung finden. Jener Zauberschüler aber hatte für sein Leben genug gesehen, [150] er entsagte fortan allem Zauber und wurde ein Mönch im Kloster Volkerode bei Mühlhausen. –
Diese Sage deutet auffallend nach einem Fegefeuersitze hin, aber leider nennen bei ihr die alten Quellen keine Oertlichkeit desselben. Man könnte den Hörseelenberg mit Fug als letztere annehmen, wenn nicht die Sage sich in späterer Zeit auf der Wartburg wiederholte, und zwar nach dem Tode Landgraf Friedrich des freudigen, mit dessen Sohne Friedrich dem ernsthaften, wobei der Fegefeuerort mit Bestimmtheit genau bezeichnet und genannt wird. (S. S. 108.) Es ist auf diese mythischen Züge ganz besonders Acht zu haben, die ganz sicher nach der urältesten heidnischen Frühzeit, vielleicht auch nach unbegriffenen und längst verschollenen Naturphänomenen hinweissen.