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herauf, und sprach zum Nekromanten: Siehe hier bin ich, ich armer unseliger Landgraf, vormals Dein Herr! – Dem Zauberschüler verging vor Schreck und Beben eine ganze Weile die Sprache. Dann sagte er der Seele des Landgrafen seines lebenden Sohnes Wunsch an, und jener antwortete, der Sohn solle doch das Gut, was er als eiserner Landgraf der Kirche oder vielmehr den Pfaffen entzogen, alles zurückgeben, denn der Landgraf hatte verstanden, von den Landen der Stifter Mainz, Fulda und Hersfeld viel an Thüringen zu bringen, sodann hoffe er Erlösung zu finden; geschähe dieses nicht, so werde die arme Seele Pein leiden müssen bis zum jüngsten Tage. Der Zauberschüler, da er selbst ein Pfaffe war, war klug genug, einzusehen, daß der neue Landgraf solche Rede für eine Lügenmär, von Pfaffen ausgesonnen, und alles für Gaukeltrug und Blendwerk halten werde, und bat um ein Wahrzeichen oder ein Geheimwort, daran sein Gebieter erkennen könne, daß er gewiß und wahrhaftig den Willen des Pein leidenden Herrn verkünde. Darauf sagte ihm die Seele Dinge, die niemand wissen konnte als der Sohn und gab ihm gründliche Wahrzeichen an, dann sank er wieder hinab in die Hellgrube, und jener ward zurückgeführt, und sagte treulich an, was er gesehen. Nun hätte wohl Ludwig der Milde gern seines Vaters Seele aus der Pein erlöset, aber die, so jene Stiftsgüter inne hatten, wollten sie doch lieber fernerhin behalten, und gaben Ludwig dem Milden den Rath, er solle fein auch behalten, was ihm zugestorben sei, und nur fleißig Almosen geben und Messen lesen lassen, so werde seines Vaters arme Seele sonder Zweifel noch eher ihre Erlösung finden. Jener Zauberschüler aber hatte für sein Leben genug gesehen,

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/157&oldid=- (Version vom 1.8.2018)