Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Der Elbel
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Der Elbel.
In der Gegend um Mihla, das zwischen Kreuzburg und Treffurt an der Werra liegt, so wie im Hainich, einem langgestreckten Bergwalde zwischen Eisenach und Mühlhausen, zwischen dem Hörsel-, Werra- und Unstrutthale haust und zieht der Elbel als wilder Jäger mit seinem Schwarme. Zwei Felsenthrone heißen nach ihm der Elbelstein und die Elbelkanzel. Ein Herr von Herstall, (einem Gedchlechte angehörig, das in Mihla begütert und seßhaft ist, und seinen Ursprung von Pipin von Heristal ableitet), der zur Zeit des dreißigjährigen Krieges lebte, und ein sehr frommer Herr war, hatte einen Leibjäger, der hieß Hölzerkopf. Eines Tages ging der Jäger Hölzerkopf birschen, da sah er eine wunderschöne Jungfrau mit flatterndem Haar in hastiger Flucht an sich vorübereilen, und hinter ihr her kam der Elbel daher gesaust mit seinem tollen wüthigen Heeresspuk, und der Elbel jagte die Jungfrau, wie nach den Sagen im bayrischem Hochgebirge der Wode die Hulda, und nach denen in Tirol die Riesen die Salig-Fräulein. Dem Hölzerkopf gefiel die schöne Jungfrau, und hätte sie am liebsten selbst gejagt, wäre am liebsten selbst der Elbel gewesen, und wünschte sich zu ihm. Aber die Jungfrau entging dem Elbel, denn sie erreichte ein Kreuz, erfaßte dieß, und so hatte er keine Macht mehr über sie, drob freute sich der Hölzerkopf und schoß sein Gewehr in die Luft ab. Gleichwohl, obschon er nach keinem Wilde gezielt hatte, brach ein angeschossener Rehbock aus dem Dickigt und brach verendend vor dem Hölzerkopf zusammen. Und nun traf jeden Tag jeder Schuß auf jagdbares [115] Wild, den der Hölzerkopf that, weil sein mächtiger Wunsch ihn zu dem mächtigen Geiste oder Gotte hingezogen, der nach alter Mythe als Wuotan selbst Wunsch heißt und in Person die Wunscherfüllung ist. – Als bald darauf der Jäger Hölzerkopf seine neuerlangte Kunst, Wild aus der Ferne zu treffen, ohne darnach zu zielen, ja ohne es nur zu sehen, wie das beim Freikugelschießen so üblich ist, im Beisein seines frommen Herrn übte, erschrak dieser gar sehr, schalt den Jäger und hieß ihn zum Elbel gehen, denn in seinem Dienst wolle er solch unheimlichen Knecht, der mit Höllenkünsten umgehe, nicht dulden. Darauf ist auf der Stelle der Hölzerkopf trotziglich von dannen in das Waldesdickigt hinein geschritten, und niemand hat ihn wieder gesehen, außer wenn einer den Elbel mit seinem Heere ziehen sah, denn dahin war und blieb nun jener Jäger auf immerdar verwünscht. Und sind der Elbelstein und die Elbelskanzel die Orte, wo der Hölzerkopf bisweilen auf dem Anstand erblickt wird, und wo er am liebsten mit dem Elbel spukend zieht, bald waldüber nach dem Harzwald, bald hinüber zum nähern Thüringerwalde, bald zum Hochthrone der Frau Hulda, dem Meißner im nachbarlichen Hessenlande, bald in die nächste Nähe zum Hörseelenberge, dem weit verrufenen Hauptsitze des wüthenden Heeres.
Wer geneigt ist zum Nachsinnen über den Elbel, und dessen mythische Beziehung zur allgemeinen Wüthenden-Heeressage, dem sei mitgetheilt, daß manche in dieser Gegend diesen wilden Jagdgeist auch Ebel nennen, daß Ebel hier so viel als Abel ist, und daß in Dänemark und in Schleswig-Holstein der wilde Nachtjäger Abel heißt, der ein grausamer König und Brudermörder war, und verdammt wurde, mit einer Schaar kleiner Hunde, denen feurige [116] Zungen aus dem Hals hängen, ewig zu jagen. (D. S. B. 177.) Unmittelbar aber vom Hainich nach dem Harze geht der schnurgerade Weg über Mühlhausen und das Jagdschloß Ebeleben, in dessen Nähe wiederum vor Zeiten die alte Hulda, die Beschützerin des Flachsbaues und der Spinnrocken Kultorte gehabt haben mag, wie zum mindesten die Ortsnamen Rockstedt und Rockensussra vermuthen lassen. Ebeleben liegt in einer Ebene, und im Namen des durch dieselbe schleichenden Flüßchens Helbe birgt sich wiederum der mythische Name Ebel. Solche Ort-Namenforschung kann auf manche Spur lenken, nur muß sie vorsichtig und behutsam und nicht blindgläubig verfolgt werden, damit nicht das, dem im Irrgarten der Namenforschung herumtaumelnden Mythographen fleißig vortanzende Irrlicht der Hypergelahrtheit in den Sumpf führe, darin die urgermanischen Haarzöpfe der Lächerlichkeit wie dicke Riethgrasbüschel wuchernd aufschießen.