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72.
Der Elbel.

In der Gegend um Mihla, das zwischen Kreuzburg und Treffurt an der Werra liegt, so wie im Hainich, einem langgestreckten Bergwalde zwischen Eisenach und Mühlhausen, zwischen dem Hörsel-, Werra- und Unstrutthale haust und zieht der Elbel als wilder Jäger mit seinem Schwarme. Zwei Felsenthrone heißen nach ihm der Elbelstein und die Elbelkanzel. Ein Herr von Herstall, (einem Gedchlechte angehörig, das in Mihla begütert und seßhaft ist, und seinen Ursprung von Pipin von Heristal ableitet), der zur Zeit des dreißigjährigen Krieges lebte, und ein sehr frommer Herr war, hatte einen Leibjäger, der hieß Hölzerkopf. Eines Tages ging der Jäger Hölzerkopf birschen, da sah er eine wunderschöne Jungfrau mit flatterndem Haar in hastiger Flucht an sich vorübereilen, und hinter ihr her kam der Elbel daher gesaust mit seinem tollen wüthigen Heeresspuk, und der Elbel jagte die Jungfrau, wie nach den Sagen im bayrischem Hochgebirge der Wode die Hulda, und nach denen in Tirol die Riesen die Salig-Fräulein. Dem Hölzerkopf gefiel die schöne Jungfrau, und hätte sie am liebsten selbst gejagt, wäre am liebsten selbst der Elbel gewesen, und wünschte sich zu ihm. Aber die Jungfrau entging dem Elbel, denn sie erreichte ein Kreuz, erfaßte dieß, und so hatte er keine Macht mehr über sie, drob freute sich der Hölzerkopf und schoß sein Gewehr in die Luft ab. Gleichwohl, obschon er nach keinem Wilde gezielt hatte, brach ein angeschossener Rehbock aus dem Dickigt und brach verendend vor dem Hölzerkopf zusammen. Und nun traf jeden Tag jeder Schuß auf jagdbares

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/122&oldid=- (Version vom 1.8.2018)