Teilnehmer gesucht!
[213] Teilnehmer gesucht! – Täglich kann man in den Zeitungen Anzeigen mit ähnlicher Überschrift finden, bei denen es sich zumeist nur um geschäftliche oder künstlerische Unternehmungen handelt. Nachstehend seien nun zwei weniger harmlose Teilnehmergesuche wiedergegeben, die so recht zeigen, zu welchen Mitteln die „Herren der Schöpfung“ greifen, um ihre erschlafften, übersättigten Nerven aufzupeitschen.
Als bereits in den Nordstaaten Amerikas eine allgemeine Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei eingesetzt hatte und daher die Fluchtversuche der armen Negersklaven nach dem Norden immer zahlreicher wurden, erschien in der „New Orleans Post“, der weitverbreitetsten Zeitung der Südstaaten, folgendes Inserat: „Teilnehmer gesucht zur Jagd auf schwarzes, zweibeiniges Wild!! – In die unzugänglichen Sümpfe bei Greenville sind in letzter Zeit nach oberflächlicher Schätzung gegen hundert Sklaven geflüchtet. Ausgesetzte Belohnungen für Wiederergreifung mehrere tausend Dollar!! Organisiere Jagdausflug nach dorthin. Kosten: Person 500 Dollar. Dampfer ‚Helena‘ ab New Orleans 12. Juni 8 Uhr, Ankunft Greenville 14. Juni 6 Uhr morgens. In Greenville stehen Reitpferde und Führer bereit. Schußwaffen sind mitzunehmen. Dauer zwei Wochen. – Anmeldungen bei James Fearfield, New Orleans, Londonstr. 26.“
Diese Expedition hat nicht weniger als hundertzweiunddreißig Teilnehmer gefunden. Trotzdem war der Erfolg gering. Nur fünf Neger fielen nach tagelanger Jagd den Menschenjägern in die Hände, und zwar sämtlich so schwer verwundet, daß sie bereits während des Transportes nach Greenville starben. –
Noch trauriger berührt jene Anzeige, die während des vorletzten [214] Burenkrieges in Londoner Blättern erschien: „Organisation einer Expedition nach der Front. Herren von Stellung, die reiten und schießen, können sich anschließen. Karten 300 Pfund Sterling.“
Die Expedition gestaltete sich zu einem glänzenden Geschäft. Ein Extradampfer brachte siebenundneunzig Teilnehmer, die sämtlich den Millionärkreisen Englands angehörten, nach Südafrika. Die Reise auf den Kriegschauplatz erfolgte ebenso durch Extrazug. Zum Scheine der Gerechtigkeit hatte das Korps sich den Namen „Die Freiwilligen von London“ beigelegt und einen pensionierten Major als Führer engagiert. Daß die reichen Herren aufs vorzüglichste verproviantiert und bewaffnet waren, braucht bei den durch sie vertretenen Millionenvermögen kaum erwähnt zu werden. Diese „schneidige“ Truppe nahm dann auch – natürlich aus sicherer Entfernung – an mehreren Gefechten teil, wobei die „schießfertigen“ Herren Gelegenheit fanden, eine Unzahl Patronen auf den Gegner zu verknallen, ohne ihre eigene wertvolle Haut dabei allzusehr bloßzustellen.
Die Heldentaten dieser Elitetruppe wären nun vielleicht nie genügend „gewürdigt“ worden, wenn nicht einer der Teilnehmer das Unglück gehabt hätte, durch eine verirrte Kugel in einem Vorpostengeplänkel den Tod zu finden – nebenbei der einzige Verlust, den das famose Korps überhaupt zu verzeichnen hatte. Dieses Opfer gab nun den Anlaß zu einem langwierigen Prozeß, in dessen Verlauf die englischen Zeitungen eine Menge sensationeller Enthüllungen über die „Expedition nach der Front“ brachten. Hektor Manning, so hieß der Gefallene, war nämlich bei einer Lebensversicherungsgesellschaft hoch versichert gewesen, und diese weigerte sich nun, den Erben die Versicherungssumme auszuzahlen, indem sie einwendete, der Versicherte habe sein Leben unnötig aufs Spiel gesetzt, und sie sei daher zur Auszahlung der Versicherungssumme nicht verpflichtet. Die Erben erhoben Klage mit der Begründung, Manning sei sowohl durch einen kugelsicheren Brustpanzer als auch durch ein in seinem Tornister angebrachtes Stahlschutzschild gegen Geschosse gedeckt gewesen, [215] und es läge nur ein unglücklicher Zufall vor, für den die Versicherung einzutreten hätte.
Auf diese Weise kam es heraus, wie vorsichtig die tapferen „Freiwilligen von London“ ihre kostbaren Personen vor jeder Gefahr geschützt hatten. Spott- und hohngewürzte Artikel erschienen in allen Zeitungen. Die Erben Hektor Mannings wurden mit ihren Ansprüchen in sämtlichen Instanzen abgewiesen, denn das Gericht entschied, der Versicherte habe seinen Tod selbst verschuldet.