TBHB 1946-04-15
Einführung
BearbeitenDer Artikel TBHB 1946-04-15 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 15. April 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
Bearbeiten[1] Eine verhältnismäßig gute Nacht, wenngleich mir das Einschlafen gestern abend schwer fiel. Ich habe aber keine Schmerzen mehr u. kann mich legen, wie ich will. Heute ist zum ersten Male schöner, heller warmer Sonnenschein, ich hoffe, daß das zur Gesundung erheblich beitragen wird.
Ich habe jetzt den ersten Band der Dogmatik von Schmaus ganz durchgearbeitet u. habe den zweiten Band begonnen. Aus dieser Dogmatik habe ich eine Menge von Bestätigungen der Richtigkeit dessen geschöpft, was ich als Maler tue. Es wird sich empfehlen, diese Dogmatik später unter diesem Gesichtspunkt noch einmal durchzuarbeiten u. alles herauszuziehen, was meine künstlerische Arbeit betrifft.
In der Zeitung „Neue Zeit“ der Christl. Demokrat. Union, ansonsten ein dürftiges Blättchen, finde ich unter dem 3. April einen vorzüglichen Artikel eines Herrn Gert H. Theunissen, der zur Eröffnung einer religiösen Kunstausstellung geschrieben ist, oder vielmehr ist es eine Rede, die Th. bei dieser Gelegenheit gehalten hat. Er stellt zunächst einmal das Wichtigste fest, was weithin überhaupt nicht bekannt ist, daß nämlich das Religiöse überhaupt der allein tragende u. nährende Grund u. die treibende Ursache der Kunst ist. Es gibt außerhalb des Religiösen überhaupt garkeinen anderen Grund u. keine andere Ursache der Kunst. – Jede große Kunst steckt nun aber voller Aergernisse. Das größte Aergernis, das der Kunst allgemein vorgeworfen wird, – u. grade heute mehr denn je, ist dieses, daß die echte Kunst sich weigert, nur dazu da zu sein, um Wände zu dekorieren. Daß die meisten Maler unserer Zeit sich dennoch zu dieser untergeordneten Arbeit degradieren zu lassen, liegt daran, daß die Kunst unserer Zeit sich von ihrem Ursprung gelöst hat u. nun mit gebrochenem Steuer über das Meer der modernen Betriebsamkeit u. Geschäftemacherei irrt. Man erwartet von dieser Kunst, daß sie dazu da sei, leere Wände zu dekorieren, Langeweile mit Lektüre auszufüllen oder schlechte Laune mit Musik zu vertreiben, u. es gibt genug Künstler, die sich zu solcher Prostitution anbieten. Gewiß muß dergleichen ja auch sein, denn es ist nun einmal Bedürfnis unseres modernen Lebens, aber all das hat mit Kunst nichts zu tun, es ist Kunstgewerbe zum Zwecke der Entspannung u. Unterhaltung, – ein Kunstgewerbe, das sehr hoch entwickelt sein kann, aber es hat mit Kunst nichts zu tun. Daß es trotzdem Kunst genannt wird, ist ein Mißbrauch dieses Wortes, ist geistige Falschmünzerei, welche aus der Mißachtung von Grenze u. Maß entsteht, die unserer Zeit eigen ist. Das Kriterium aller wahren Kunst ist, daß sie religiösen Ursprunges ist. Daß grade solche Kunst viel Aergernis bieten kann, liegt einfach daran, daß diese Kunst ihre Anregungen aus der Schöpfung empfängt, u. diese wiederum vom Bösen heimgesucht wird, von Krankheit u. Tod. Dicht neben dem Göttlichen liegt das Dämonische. Von daher gerät das Aergernis in die Kunst z.B. eines Picasso. – Mit all diesem, mit der Finsternis der Verzweiflung, mit dem Spott des Verlorenen, mit Unheil, [2] Angst, Verrat u. Mord muß sich grade die Kunst auseinandersetzen. Sie muß das Böse überwinden. Sie muß sich entscheiden, ob sie Belustigung, Blasphemie u. schwarze Magie sein will oder ob sie all dieses überwinden will. Entscheidet sie sich für ihren wahren Grund, für das Religiöse, so wird in ihr grade heute mehr denn je die Ueberwindung des Dämonischen sichtbar werden. In einer solchen Kunst ist die Spur des Dämonischen noch nicht verwischt, es ist noch nicht alles Häßliche hinausgeräumt u. das wird auch niemals der Fall sein. Wer eitel Ruhe, Glück u. Seligkeit in der Kunst zu finden hofft, wird immer enttäuscht sein. Dergleichen gab es bei den Nazarenern u. den Präraffaeliten u. wir wissen ja, wie innerlich unehrlich diese Bilder waren. Wahre Kunst ist verwandelte Welt u. solange wir in dieser Welt sind, werden wir die Spuren der Sünde, der Dämonie, des Bösen nicht verwischen können, es sei denn, daß wir uns blauen Dunst vormachen. Es soll das auch garnicht anders sein. Die Kunst soll uns grade die Ueberwindung des Dämonischen zeigen u. die große Verwandlung zu Gott hin, so wie in einem wirklich edlen Menschenantlitz ja auch die Spuren des großen Kampfes gegen das Böse bleiben. –