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Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1946-04
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Entstehungsdatum: 1946
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Originaltitel: April 1946
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom April 1946
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Einführung

Der Artikel TBHB 1946-04 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom April 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 18 Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Dienstag, 2. April 1946.     

[1]      Irgendwo bin ich in diesen Tagen der Krankheit mit dem Datum durcheinander gekommen. Sicher ist heute aber Dienstag der 2. April.

     Ich habe heute wieder stärker Durchfall u. bin davon angegriffen, aber sonst geht es schon ganz gut. So konnte ich heute Morgen sogar im Hauptbuch den Kassenabschluß für März machen nach den Unterlagen, die Paul führt. Aber was er da macht, ist meist so töricht, daß ich davon doppelte Arbeit habe. Nun wird ja Fritz bald hier sein u. dann hat diese Plage ein Ende.

     Gestern bekamen wir wieder einen Brf. v. Fritz aus Bombach, vom 9. März., wo er Frau Monheim besucht hatte. Er schreibt sehr anschaulich, wie nett Frau M. ihn aufgenommen hat u. wie sie von mir gesprochen hat.

     Seit heute ist endlich unsere Trude wieder da. Sie hatte eine Stirnhöhlen-Entzündung, wohl nicht sehr gefährlich, aber die Fischländerinnen gehen eben sehr zart mit sich selbst um, auch Trude macht darin keine Ausnahme.

[1]
Mittwoch, 3. April 1946.     

[1]      Heute sind drei Wochen vergangen seit dem Beginn meiner Erkrankung. Es geht wohl langsam besser, aber dieser unangenehme Durchfall hält hartnäckig an u. bringt mich körperlich sehr herunter. [2] ich diese Antwort schon skizzenhaft vorbereitet hatte. Der Brief hat mich trotzdem sehr angestrengt. – Abends kam dann ein Brief von Fritz + Ruth gemeinsam, der erste aus Regensburg. Fritz ist von vielen Seiten gewarnt worden, in die russische Zone zu gehen u. er ist deshalb ängstlich; aber dazu liegt jetzt kein Grund mehr vor. Wir sind ja schon längst kein militärisches Sperrgebiet mehr u. es sind seit längerer Zeit sehr viele entlassene, junge Soldaten hier, denen nichts geschieht. Die Schwierigkeit liegt nur im Wechsel von der amerikan., bzw. englischen Zone in die russische, ist er erst einmal drin, hat er nichts zu befürchten. Fritz will nun erst mal bis Ostern in Regensburg bleiben u. ich gönne ihm ein Osterfest dort von Herzen. Er fragt uns um Rat, wie er dann reisen soll; aber diesen Rat können wir ihm schwer geben. Martha wird heute zu Deutschmann gehen, der kürzlich Frau Wiethüchter mit Kindern nach Eisenach begleitet hat, von wo aus sie weiter nach Frankfurt a. M. zu ihrem Mann gefahren ist, ferner zu Herrn Strohschnitter, der kürzlich ebenfalls aus französ. Gefangenschaft hierher gekommen ist, – er war mit Fritz am gleichen Tage in Tuttlingen, ohne daß beide sich kannten; u. endlich zu Frau Boroffka, deren Sohn ebenso wie Ando Seeberg in Göttingen studiert u. den besten Weg hierher kennt. Wenn Martha das alles erkundet haben wird, werde in Fritz genaue Vorschläge machen.

     Gesundheitlich scheint es mir heute besser zu gehen. Der Durchfall hat nachgelassen u. ich habe heute zum ersten Male mit Appetit gefrühstückt.

Freitag, 5. April 1946.     

     Heute ist der erste Tag, an dem ich mich wieder frisch u. gesund fühle. Ich stand früh auf, wusch mich zum ersten Male wieder in der Toilette u. zog mich an, sodaß ich fertig war, als Martha kam. Zum ersten Male frühstückte ich außer Bett am offenen Fenster, durch das die volle, warme Sonne scheint.

     Gestern Abend schlief ich mit dem schönen Gedanken ein, daß diese Krankheit ein reines Gnadengeschenk Gottes gewesen ist. Ich habe in dieser ganzen Zeit täglich, so weit ich konnte, in der Dogmatik von Schmaus gelesen u. das Einfühlen in das Geheimnis des Dreifaltigen Gottes hat sich sehr vertieft. Es ist wieder reine, klare Luft zwischen mir u. Gott, alle Trägheit des Herzens u. alle Finsternis sind geschwunden.

     Gestern Nachmittag schrieb ich an Fritz u. legte ihm dar, wie er herkommen könnte. Es wird aber wohl Mai werden, bis er kommt.

Sonnabend, 6. April 1946.     

     Gesundheitlich wie gestern früh. Ich war gestern den ganzen Tag auf u. las viel in der Dogmatik von Schmaus. Abends nach dem Abendessen regte Martha an, daß ich vielleicht auch schon oben im Wohnzimmer sitzen könnte. Sie hatte alles dazu vorbereitet, um es mir behaglich zu machen, auf die Staffelei hatte sie das Bild aus 1945, die Kiefern am Strand, aufgestellt. Das Bild wirkte furchtbar dunkel auf mich, ich sah alles, was schlecht daran ist u. war sehr empfindlich. Ich saß dann dort in meinem Sessel, aber alles war [3] mir fremd, als ob ich zu Besuch wäre. Nach einer Stunde ging ich wieder herunter, weil ich es nicht mehr aushalten konnte, es war mir, als würde an meinen Nerven gezerrt. –

     Aus der Zeitung sehe ich, daß die Spannung zwischen Rußland u. den Westmächten weiter zugenommen hat, sodaß schon von der Möglichkeit eines Austritts Rußlands aus der „Uno“ gesprochen wird. Es handelt sich um die Persische Angelegenheit, die vor dem Sicherheitsrat verhandelt wird. Rußland hat seine Vertreter als Protest zurückgezogen u. nimmt an den Verhandlungen nicht teil.

Sonntag, 7. April 1946. Passions-Sonntag.     

     Gestern war Frau v. Achenbach bei Martha in der Absicht, mich zu überreden, daß ich hier im Ort eine Ortsgruppe des Kulturbundes gründen möchte. Es soll sich darum handeln, daß Ahrenshoop als Erholungsort für bildende Künstler ausersehen sein soll u. dazu sei notwendig, daß hier eine Ortsgruppe des Kulturbundes besteht. Frau v. A. hat gesagt, daß ihr Mann heute hierher käme u. mit mir die Angelegenheit besprechen wolle. Martha hat aber sehr abgewinkt mit dem Hinweis auf meine Erkrankung. Außerdem hat sie bezweifelt, daß Herr v. A. zu mir kommen würde, doch soll Frau v. A. dem heftig widersprochen haben. Tatsächlich soll ja heute im Kurhause auch eine Werbe-Veranstaltung des Kulturbundes stattfinden. Herr v. A. ist aber heute Vormittag zweimal mit seiner Frau an meinem Hause vorbeigekommen, ohne hereingekommen zu sein. Ich hätte ihn auch unter keinen Umständen empfangen. Ich weiß nicht, was dieser Mensch will. Er boykottiert mich in beleidigender Weise, – u. nun soll ich ihm helfen. Ich denke garnicht daran. –

     Gesundheitlich mache ich weiter langsame Fortschritte, – aber sehr langsam.

     Erst gestern bekam ich den Tagesspiegel mit dem Ergebnis der Abstimmung über die Vereinigung von KPD u. SPD. Die Sabotage dieser Abstimmung, die versucht worden war, hat offenbar die Unterstützung durch die Russen gefunden, denn im russischen Sektor Berlins konnte die Abstimmung nicht stattfinden, angeblich, weil sie zu spät in der russ. Kommandantur angemeldet worden war. So wurde nur im englischen, amerikanischen u. französischen Sektor abgestimmt, wo sich 82% der Stimmberechtigten gegen die Vereinigung ausgesprochen haben. Dieses Ergebnis wird zwar sicher noch verfälscht werden u. die Vereinigung wird trotzdem stattfinden; aber das Abstimmungsergebnis bleibt doch eine Tatsache, die durch nichts abgeleugnet werden kann. –

     Unsere russ. Besatzung im Hause Monheim ist gestern abgezogen u. man will wissen, daß keine neue Besatzung herkommt. Aber das ist schon oft gesagt worden.

     Ueber die sog. Werbe-Veranstaltung des Kulturbundes im Kurhause ist übrigens nirgends etwas zu erfahren, auch am Schwarzen Brett ist nichts angeschlagen. Die ganze Geschichte scheint eine Schaumschlägerei zu sein.

     Es ist nun ein neuer Lehrer im Orte eingetroffen, ein Herr Fischer, wie man sagt, aus Ostpreußen, ein Mann [4] von etwa 42 Jahren. Damit ist nun der gute Deutschmann vorerst einmal erledigt. Morgen früh fängt nun endlich der Schulunterricht wieder an.

Montag, 8. April 1946.     

     Nach u. Nach werde ich mir klar über meinen körperlichen Zustand. Heute Nacht fühlte ich besonders deutlich, wie irgendetwas am unteren Rande der Rippen auf der rechten Körperseite nicht in Ordnung ist. Es ist genau dieselbe Stelle, von der damals im Herbst die heftigen Schmerzen ausgingen u. weshalb. Dr. Lasch den Blinddarm herausnahm. Dieser Blinddarm mag damals gereizt gewesen sein infolge dieser Schmerzen, die ja so heftig waren, daß ich mich übergeben mußte, aber er war nicht die Ursache dieser Schmerzen. Ich habe das ja damals gleich gespürt u. war skeptisch. Ein leises Gefühl des Unbehagens an jener Stelle hat mich seit damals ja auch nie verlassen. Heute Nacht fühlte ich das sehr deutlich. Ich habe an dieser Stelle ein leises Schmerzgefühl, das sich im Liegen besonders bemerkbar macht gegen Druck u. auch beim Tiefatmen. Es mag die Niere sein, ich weiß es nicht. Sicher ist jedenfalls, daß meine damalige angebliche Blinddarm-Entzündung genau dieselbe Ursache der Erkrankung war, wie jetzt, d.h. sie war überhaupt nicht die Ursache, sondern Folge. – Es muß also irgendetwas unternommen werden, wenn ich wieder gesund werden soll, – ich muß mit Dr. Meyer darüber sprechen. –

     An sich fühle ich mich sonst ganz wohl, besonders gestern hatte ich einen guten Tag. Nachmittags war ich längere Zeit oben im Wohnzimmer, ohne daß es mich besonders angestrengt hätte. – Ich sah wieder das Bild „Bäume am Strande“ u. war diesmal davon ganz befriedigt. Martha stellte mir dann das Christkönigs-Bild auf. Auch mit ihm war ich einigermaßen zufrieden, wenngleich ich mich damit abfinden muß, daß eben alle Bilder immer weit hinter dem zurückbleiben, was ich eigentlich hatte malen wollen. –

     Herr v. Achenbach ist gestern nicht gekommen. Ich habe auch sonst nicht gehört, was aus dieser Kulturbund-Angelegenheit geworden ist. Es ist wohl alles nur Geschwätz u. Wichtigtuerei.

Dienstag, 9. April 1946.     

     Gestern kam ein besorgtes Telegramm von Fritz, mit der Frage nach meiner Gesundheit. Es war inzwischen die erste Nachricht über meine Erkrankung in Regensburg eingetroffen. Gleichzeitig sandte er drei Hefte einer Zeitschrift „Heute“, die vom amerikan. Informationsbüro herausgegeben wird. Die Zeitschrift ist sehr gut u. vorbildlich aufgemacht. Manche Leute nennen diese Neuerscheinungen, deren es mehrere gibt, etwas herabsetzend „Propaganda“, aber eben diese Propaganda bedeutet doch nichts anderes als ein Werben um das Deutsche Volk, – u. das ist doch überaus hoffnungsvoll.

     In dem einen Heft sind Bilder des Malers Pablo Picasso abgebildet, dazu ein kurzer, sehr guter Artikel eines Engländers. Es handelt sich um die Bilder [5] einer Ausstellung, die kürzlich in England veranstaltet worden ist u. dort ungeheure Erregung verursacht hat. Es sind Bilder, die Picasso während des Krieges gemalt hat. Der Umschlag der Zeitschrift bringt ein Foto des Künstlers.

     Dieses Foto zeigt einen dämonisch wirkenden Kopf, u. das ist wohl das Ausschlaggebende. Diese Bilder sind alle dämonisch. Picasso ist wahrscheinlich der weitaus bedeutendste Maler unserer Zeit, aber seine Bilder sind auch für mich grauenerregend. Sie sind Prophetien dessen was kommen wird, u. das ist eben grauenerregend. Sie sind der genaue Gegensatz dessen, was ich male. Ich abstrahiere die Form im Sinne des Verklärtwerdens. Grade gestern las ich in der Dogmatik von Schmaus folgende Sätze:

     „Jedes Ding –, u. zwar sowohl das Einzelding wie das Welt= u. Menschheits=Ganze –, empfängt zunächst von Gott ein keimhaftes Sosein, die Anlage zum vollendeten Sosein. Für jedes Geschöpf besteht sein letztes Gutsein darin, daß es die von Gott gemeinte, vollendete Gestalt seines Soseins erreicht. Da jedes Ding um so mehr gut ist, je seinserfüllter es ist, bedeutet die Verwirklichung des anlagegemäß gegebenen Soseins zu seiner vollendeten Gestalt Wertverwirklichung. Dem Menschen ist die Aufgabe gestellt, sich auf diese Weise selbst zu „verwirklichen“ u. zugleich die Weltdinge zu verwirklichen (Kulturaufgabe). (Schmaus, Dogmatik, I Bd. S. 261)

     Damit ist trefflich die Aufgabe der Kunst ausgedrückt, wie ich sie verstehe. Wenn ich abstrahiere, so tue ich es, um den Dingen ein Sein zu geben, das diese nur anlagegemäß u. keimhaft besitzen. Ich will ihnen die eigentlich von Gott gemeinte, vollendete Gestalt geben, also eine Gestalt der Verklärung. Picasso hingegen gibt den Dingen diese Gestalt nicht, sondern jene, welche Satan den Dingen geben will. Es vollzieht sich da etwas Aehnliches wie im Alten Testament, wenn die Juden von Gott abfielen u. sich den grauenvollen Mysterien des Baal u. der Astarte zuwandten u. ihre Kinder durch's Feuer jagten. Ja, es vollzieht sich etwas ähnliches wie im Nationalsozialismus, der die Menschen zum Grauen der Konzentrationslager u. des totalen Krieges verführte u. von dem sich der Bolschewismus in nichts unterscheidet. – Das ist es, was diese Bilder Picassos so unheimlich, grauenvoll u. dämonisch macht, weil sie Prophetien einer künftigen Zeit sind, in der das Böse Uebermacht gewinnen wird u. weshalb man sich dagegen mit allen Kräften wehren muß, auch wenn diese Bilder, rein künstlerisch betrachtet, Kunstwerke von überragender Kraft sind. Sie sind Ausgeburten des leibhaftigen Antichrist. Es ist dabei interessant, daß gelegentlich der Ausstellung dieser Bilder in London der erste Protest von einer Dame ausging, welche eine Tochter des englischen Praeraffaeliten Hulman Hunt's war, also von ausgesprochen christlicher Seite. Diese Dame nannte die Bilder Picassos: „Widerlicher, als Kunst verkleideter Unrat.“ [6] Gestern bekam ich auch endlich Antwort von Dr. Tetzlaff aus Badenweiler. Er klagt, daß von Seiten des kathol. Klerus nicht genug getan wird. Er sendet mir eine Abschrift eines Briefes an den Sekretär des hochw. H. Erzbischofs Gröber von Freiburg mit, den er im November geschrieben hat, um das Gewissen aufzurütteln u. auf den er nie eine Antwort erhalten hat. Diese Herren in den Ordinariaten sind eben viel zu sehr bedacht auf ihre bequeme Stellung, als daß sie sich in Unternehmungen einlassen, die ihnen vielleicht Lasten u. Unannehmlichkeiten bereiten könnten. Sie lassen sich lieber freiwillig in die Sakristei einschließen u. sagen, daß Politik Sache der weltlichen Behörden sei. Von dieser Seite ist kaum etwas zu erwarten. Eine wirklich große Erneuerungsbewegung ist nur von Seiten der Laien zu erwarten, wenn Gott ihnen den Führer erwecken will. Es gibt in Europa noch starke Elemente der Einigung, wenigstens sehe ich drei Gruppen: die Welt der Gelehrten, die Welt der Künstler u. die kathol. Laienwelt. Diese sind bereit, den Nationalismus zurück zuweisen im Sinne einer Menschheitsgemeinschaft u. wenn Gott ihnen einen Führer erwecken wollte, dann müßte es gelingen, den nationalen u. rassischen Haß zu besiegen. Die „Uno“ –, das ist jetzt schon klar –, kann es nicht, im Gegenteil, sie stellt den Gegensatz zwischen Rußland u. den Westmächten nur um so stärker heraus. Die Bilder Picassos zeigen diese Entwicklung, sie sind wahrhaft Prophetien. Wenn Goethe sagt: „Seligem Herzen, frommen Händen ballt sich die bewegte Welle herrlich zu kristallener Kugel“, so sieht man an diesen Bildern, daß zwar auch hier die „bewegte Welle“ des Weltenablaufes sich zusammenballt, aber nicht zu einer kristallenen Kugel, sondern zu einem finsteren Gebilde voller Zacken u. krampfhafter Widersprüche. Hier ist eben kein seliges Herz u. keine frommen Hände am Werke, sondern ein unter dem Grauen u. der Angst leidendes Herz, dem der Glaube verloren gegangen ist. Diesen Händen ballt sich die Welle des Geschehens zu einer satanischen Mißgestalt.

Mittwoch, 10. April 1946.     

     Heute sind es vier Wochen, daß ich krank bin. Gestern Nachmittag war Dr. Meyer da u. untersuchte mich, d.h. er hörte u. tastete mich ab. Ich stellte ihm das ganze Krankheitsbild seit dem Herbst vor u. er gab zu, daß auch er damals nicht an eine Blinddarm-Entzündung geglaubt hätte, denn dann wäre ja garkein Grund gewesen, daß ich auch nach der Operation immer noch Fieber hatte. Es ist ihm klar, daß diese damalige angebliche Blinddarm-Entzündung genau dieselbe Krankheit war, die ich jetzt habe. Aber nach seiner Ansicht läßt sich nicht viel machen. Irgend ein Operativer Eingriff kommt nicht in Frage, denn dazu bin ich zu abgemagert u. unterernährt. Auch Spritzen will er vermeiden. Ich sollte irgend einen Heilbrunnen trinken, meint er, aber dergleichen ist jetzt nicht zu bekommen. Selbst eine Fahrt nach Rostock in die Klinik zur Untersuchung kommt nicht in Frage, weil ich zu schwach bin. [7] In der letzten Nacht fingen nun wieder die Schmerzen an, die ausstrahlten bis in die rechte Schulter u. bis zum Knie. Das Atmen fiel mir schwer u. war sehr schmerzhaft, außerdem immerwährender Urindrang. Ich maß die Temperatur u. hatte wieder 38° Fieber. So lag ich die ganze Nacht recht qualvoll, ohne zu schlafen u. blieb heute früh liegen. Es ergab sich aber, daß ich im Sitzen weit weniger Schmerzen hatte u. auch das Fieber war wieder verschwunden mit 36,9. So stand ich nach dem Frühstuck doch wieder auf, es ist im Stuhl besser als im Bett, zumal die Sonne durchs Fenster scheint, wenngleich es draußen auch rauh u. kalt ist. Schmerzen habe ich zwar immer noch, aber sie sind erträglicher, als in der Nacht.

Donnerstag, 11. April 1946.     

     Nachdem ich gestern abend eine Phanodorm-Tablette genommen hatte, habe ich die ganze Nacht hindurch sehr gut geschlafen. Heute sind die Schmerzen wesentlich geringer. Seit vier Wochen hatte ich heute zum ersten Male guten Stuhl. Das sind die Freuden des Alters, daß man Nachts gut schläft u. einen guten Stuhlgang hat. Vielleicht wird es nun endlich wieder besser werden.

     Am Vormittag war der junge Maler Müller-Rabe da. Ich habe mich nicht sprechen lassen, aber Martha hat ihm meine Bilder gezeigt, die nach Marthas Beschreibung einen starken Eindruck auf ihn gemacht haben. Nach seiner Meinung, die wohl richtig sein dürfte, ist es noch zu früh, meine Bilder öffentlich zu zeigen, da allgemein, eine heftige Abneigung gegen jede moderne Kunst besteht. Es ist das ein typisches Anzeichen für die ganze deutsche Mentalität. Das Banausentum war nie so mächtig in Deutschland, wie jetzt. Essen u. Trinken sind die einzigen Interessen, die die Deutschen jetzt haben, – sie nennen das „Aufbau“. Wer sich diesem „Aufbau“ entgegenstellt, oder nur nicht mitmacht, ist ein Verräter am Volk. – Essen u. Trinken u. eine warme Stube sind freilich unschätzbare Güter in dieser Zeit des Hungerns u. Frierens, das muß ich selber zugeben. Ich hätte keine Aussicht, je wieder zu Kräften zu kommen, wenn nicht Menschen da wären wie Spangenberg, der mich mit Eiern versorgt, Heyde, der Kartoffeln u. Butter heranschleppt, die Familie Oehmke, die Milch bringt u. unsere Trude Dade, die mir ihre Frühstücksstullen bringt, welche Mutter Dade ihr mitgibt u. die oft mit Schinken belegt sind. Auch sorgt sie dafür, daß im Essen Speck ist u. daß es von Zeit zu Zeit Fisch gibt.

Freitag, 12. April 1946.     

     Brief von Fritz vom 30. März aus Regensburg. Er hat große Unruhe, hierher zu kommen u. wartet bloß die dort begonnene zahnärztliche Behandlung ab, nach deren Beendigung er sofort kommen will, selbst wenn er dann auf das Osterfest in Regensburg verzichten muß. Die Reise hierher wird ohnedies schwierig genug werden.

     Ich selbst habe heute wieder einmal Durchfall, trotzdem habe ich den Eindruck von Besserung. Von Else bekam ich zwei Päckchen Dextropur, das mir hoffentlich helfen wird, den Körper wieder aufzubauen.

     Am Nachmittag kam noch ein drittes Päckchen von Else mit Stärkungsmitteln u. Tabletten, über deren Verwendung ich Dr. Meyer erst befragen muß.

     Auch vom Pater aus Ribnitz kam Nachricht, daß er am Mittwoch nach Ostern bei uns die hl. Messe lesen will.

[8]
Sonnabend, 13. April 1946.     

     Heute fühle ich ich eine gewisse Besserung. Zwar hatte ich in der Nacht wieder besonders unter Urindrang zu leiden, sodaß ich nicht gut schlief, aber heute früh reizte mich ein Strauß Osterglocken, den Frl. v. Tigerström gestern aus Wustrow mitgebracht hatte, sehr zum Zeichnen. Ich habe den ganzen Vormittag gezeichnet. Anfang gings etwas schwer, doch ist ein sehr hübsches Bild zustande gekommen, das schon gleich von Anfang an so stark verarbeitet ist, daß es gleich nach dieser Studie gemalt werden könnte.

Margot Seeberg hat Martha ein dickes Buch: „Dr. A. Strümpell, Phathologie + Therapie“ gebracht, in dem die Nierenerkrankungen genau beschrieben sind. Es ist das sehr lesenswert.

Palmsonntag, 14. April 1946.     

     Die Besserung hielt gestern den ganzen Tag über an. Abends bekamen wir einen Brief von Fritz u. Ruth vom 21. u. 23 März. Fritz ist sehr unruhig, da ihm erklärlicherweise die bevorstehende Reise hierher sehr gefahrvoll u. ungewiß erscheint, er aber doch voll Verlangen ist, möglichst rasch herzukommen. Als er den Brief schrieb, hatte er noch keine Kenntnis von meiner Erkrankung. Es hört dort in der amerikan. Zone natürlich die übelsten Gerüchte über die Gefahren, die ihn in der russ. Zone erwarten u. die wie immer sehr übertrieben sind. Hier bei uns sind die Russen nun wirklich fort, auch Zingst u. Prerow sollen geräumt sein, nur am Leuchtturm Darsser Ort liegt noch eine Wachabteilung.

     Auch von Dr. Krappmann aus Kiel, sowie von Else erhielten wir gestern einen Ostergruß.

     Die Lektüre des medizin. Buches habe ich wieder aufgegeben. Es ist wohl wissenswert, aber nicht erfreulich, daß diese meine Erkrankung normalerweise nicht heilbar ist u. schon infolge der Aufzehrung der Kräfte schließlich zum Tode führt. So sehe ich, daß der Herr mir den großen Wunsch wohl erfüllen will, daß ich nämlich nicht eines plötzlichen u. unvorhergesehenen Todes sterben möchte, sondern in bewußter Vorbereitung auf diesen wichtigsten Augenblick des Lebens. Wenn ich nun trotzdem auch heute eine Besserung meines Zustandes feststellen kann, so kommt mir das nach der Lektüre des medizin. Buches wie ein Wunder vor. Ich halte es für möglich, daß sich der Eiterherd auflöst, teils durch den Harn, in dem ich ja häufig Blutgerinnsel festgestellt habe, vor allem aber durch den Darm. Der wiederholte, heftige Durchfall könnte darauf hindeuten, obgleich ich nicht recht sehe, wie der Eiter in den Darm gelangen soll. Jedenfalls erkenne ich nun den Sinn der mir von Dr. Lasch so auffällig feierlich gegebenen Versicherung, daß es sich bei der Erkrankung nicht um Krebs handele. Ich hatte daran garnicht gedacht u. Dr. L. hat mich erst auf diesen Gedanken gebracht, der, wie ich aus dem medizin. Buch sehe, auch durchaus nicht abwegig ist. Mag dem nun sein, wie es will, ich bin mit allem zufrieden, wie Gott es will, sein Wille geschehe u. Er sei gelobt u. gepriesen in Ewigkeit. Amen.

     Nach einem angenehmen Frühstück las ich mit Martha die Liturgie des heutigen Palmsonntag u. die Leidensgeschichte. Vor acht Jahren war ich grade wegen der Mittelohr-Entzündung operiert worden u. empfing am Palmsonntag die letzte Oelung. Dennoch lebe ich heute noch. –

[9]
Montag, 15. April 1946.     

     Eine verhältnismäßig gute Nacht, wenngleich mir das Einschlafen gestern abend schwer fiel. Ich habe aber keine Schmerzen mehr u. kann mich legen, wie ich will. Heute ist zum ersten Male schöner, heller warmer Sonnenschein, ich hoffe, daß das zur Gesundung erheblich beitragen wird.

     Ich habe jetzt den ersten Band der Dogmatik von Schmaus ganz durchgearbeitet u. habe den zweiten Band begonnen. Aus dieser Dogmatik habe ich eine Menge von Bestätigungen der Richtigkeit dessen geschöpft, was ich als Maler tue. Es wird sich empfehlen, diese Dogmatik später unter diesem Gesichtspunkt noch einmal durchzuarbeiten u. alles herauszuziehen, was meine künstlerische Arbeit betrifft.

     In der Zeitung „Neue Zeit“ der Christl. Demokrat. Union, ansonsten ein dürftiges Blättchen, finde ich unter dem 3. April einen vorzüglichen Artikel eines Herrn Gert H. Theunissen, der zur Eröffnung einer religiösen Kunstausstellung geschrieben ist, oder vielmehr ist es eine Rede, die Th. bei dieser Gelegenheit gehalten hat. Er stellt zunächst einmal das Wichtigste fest, was weithin überhaupt nicht bekannt ist, daß nämlich das Religiöse überhaupt der allein tragende u. nährende Grund u. die treibende Ursache der Kunst ist. Es gibt außerhalb des Religiösen überhaupt garkeinen anderen Grund u. keine andere Ursache der Kunst. – Jede große Kunst steckt nun aber voller Aergernisse. Das größte Aergernis, das der Kunst allgemein vorgeworfen wird, – u. grade heute mehr denn je, ist dieses, daß die echte Kunst sich weigert, nur dazu da zu sein, um Wände zu dekorieren. Daß die meisten Maler unserer Zeit sich dennoch zu dieser untergeordneten Arbeit degradieren zu lassen, liegt daran, daß die Kunst unserer Zeit sich von ihrem Ursprung gelöst hat u. nun mit gebrochenem Steuer über das Meer der modernen Betriebsamkeit u. Geschäftemacherei irrt. Man erwartet von dieser Kunst, daß sie dazu da sei, leere Wände zu dekorieren, Langeweile mit Lektüre auszufüllen oder schlechte Laune mit Musik zu vertreiben, u. es gibt genug Künstler, die sich zu solcher Prostitution anbieten. Gewiß muß dergleichen ja auch sein, denn es ist nun einmal Bedürfnis unseres modernen Lebens, aber all das hat mit Kunst nichts zu tun, es ist Kunstgewerbe zum Zwecke der Entspannung u. Unterhaltung, – ein Kunstgewerbe, das sehr hoch entwickelt sein kann, aber es hat mit Kunst nichts zu tun. Daß es trotzdem Kunst genannt wird, ist ein Mißbrauch dieses Wortes, ist geistige Falschmünzerei, welche aus der Mißachtung von Grenze u. Maß entsteht, die unserer Zeit eigen ist. Das Kriterium aller wahren Kunst ist, daß sie religiösen Ursprunges ist. Daß grade solche Kunst viel Aergernis bieten kann, liegt einfach daran, daß diese Kunst ihre Anregungen aus der Schöpfung empfängt, u. diese wiederum vom Bösen heimgesucht wird, von Krankheit u. Tod. Dicht neben dem Göttlichen liegt das Dämonische. Von daher gerät das Aergernis in die Kunst z.B. eines Picasso. – Mit all diesem, mit der Finsternis der Verzweiflung, mit dem Spott des Verlorenen, mit Unheil, [10] Angst, Verrat u. Mord muß sich grade die Kunst auseinandersetzen. Sie muß das Böse überwinden. Sie muß sich entscheiden, ob sie Belustigung, Blasphemie u. schwarze Magie sein will oder ob sie all dieses überwinden will. Entscheidet sie sich für ihren wahren Grund, für das Religiöse, so wird in ihr grade heute mehr denn je die Ueberwindung des Dämonischen sichtbar werden. In einer solchen Kunst ist die Spur des Dämonischen noch nicht verwischt, es ist noch nicht alles Häßliche hinausgeräumt u. das wird auch niemals der Fall sein. Wer eitel Ruhe, Glück u. Seligkeit in der Kunst zu finden hofft, wird immer enttäuscht sein. Dergleichen gab es bei den Nazarenern u. den Präraffaeliten u. wir wissen ja, wie innerlich unehrlich diese Bilder waren. Wahre Kunst ist verwandelte Welt u. solange wir in dieser Welt sind, werden wir die Spuren der Sünde, der Dämonie, des Bösen nicht verwischen können, es sei denn, daß wir uns blauen Dunst vormachen. Es soll das auch garnicht anders sein. Die Kunst soll uns grade die Ueberwindung des Dämonischen zeigen u. die große Verwandlung zu Gott hin, so wie in einem wirklich edlen Menschenantlitz ja auch die Spuren des großen Kampfes gegen das Böse bleiben. –

Mittwoch, 17. April 1946.     

     Besserung macht weiter Fortschritte. Gestern war Dr. Meyer da, er meinte, daß es sich doch vielleicht um Nierensteine handeln könne.

     Gestern kamen mehrere Päckchen von Fritz, teils mit Lebensmitteln, so z.B. Speck. Vor allem aber war das von Dr. Meyer verschriebene „Euvernil“ dabei, drei Röhren mit je 20 Tabletten. Hier ist dieses Medikament nicht mehr zu bekommen, auch Kausels haben es nicht mehr in ihrer Apotheke. Ich hoffe, daß mir dieses Mittel helfen wird. Dr. M. empfiehlt, daß ich zunächst 30 Tabletten, jeden Tag 3 mal je 3 Tabletten, nehmen soll, u. dann nach einer Pause von 14 Tagen dasselbe nocheinmal.

     Heute bekamen wir zwei Briefe von Fritz vom 2. u. 5. Apr. Er hatte zu dieser Zeit nun schon die Nachricht über meine Erkrankung erhalten u. ist rührend besorgt. Er muß nun aber erst die begonnene Zahnbehandlung beenden, sonst würde er sofort kommen, doch ist das ja nun zum Glück nicht nötig.

Gründonnerstag, 18. April 1946.     

     Gestern Nachmittag am Schreibtisch gesessen u. die Osterandacht vorbereitet, da alle Katholiken mich drängen, zu Ostern eine Andacht mit ihnen zu halten. Ich kann mich dem nicht entziehen u. will es auch nicht, wenn mein Zustand es irgend zuläßt, ja, ich muß sagen, daß ich mich darauf freue, Gott für meine Genesung zu danken.

Karfreitag 19. April 1946     

     Gestern bekamen wir abermals mehrere Päckchen von Fritz, darunter auch ein Buch: „Michael Pfliegler: Vor der Entscheidung“, geschrieben 1936. Sehr interessant. Vor allem enthält es eine kurze Darstellung der Philosophie von Heidegger, auf die M. Schmaus in seiner Dogmatik besonders oft hinweist u. über die ich bisher nicht Bescheid wußte.

     Heute morgen lasen wir gemeinsam die Karfreitags= [11] Liturgie. – Gesundheitlich geht es mir befriedigend, obgleich ich heute etwas mehr die Niere spüre u. Nachts nicht ganz einwandfrei geschlafen habe. Dagegen habe ich seit meiner Erkrankung heute zum ersten Male normalen, gesunden Stuhl.

     Nachmittags mit Martha den Kreuzweg gebetet. Martha ging dann zu Frau Longard.

Karsamstag, 20. April 1946.     

     Es ist wunderbares Osterwetter, die warme Sonne, in der ich täglich hinter dem Fenster sitze, – denn draußen war es all diese Tage hindurch noch recht kalt trotz Sonnenscheins –, hilft mir mächtig zur Gesundheit. Heute aber ist es auch draußen warm. – Am Fenster beobachte ich, wie viele Leute doch mit Kuchen zum Bäcker Hagedorn gehen, – die Leute haben doch alle viel mehr, als unser einer. Frau Handschak, die während meiner Krankheit so treulich im Hause geholfen hat, stellte dasselbe fest. Sie sagt, sie habe gemeint, daß wir mehr hätten, als andere, aber sie habe gesehen, daß wir viel weniger hätten.

     Unsere Trude ist heute zuhause geblieben, weil dort heute Hochzeit ist. Ihre Schwester Lieschen heiratet heute den Steuermann oder jungen Kapitän, mit dem sie sich schon vor dem Kriege verlobt hatte. Diese Verlobung ist dann wieder auseinander gegangen, da der junge Mann im Kriege Leutnant der Marine geworden war u. Lieschen nun plötzlich unter seinem sozialen Stande war. Jetzt hat sich das Blatt gewendet, – er ist nichts u. hat nichts zu tun, er hilft jetzt dem alten Dade beim Fischen u. fällt den Alten zur Last. Nun wird geheiratet. Es ist natürlich eine ganz große Hochzeit, die Wände des kleinen Katens werden wackeln. Gewiß wird Trude dafür sorgen, daß auch wir etwas vom Hochzeitskuchen abbekommen.

     Gesundheitlich fühle ich mich heute vollständig wohl. Es ist nun auch schon die sechste Woche, seit ich mich hinlegte. Ich habe auch körperlich zugenommen, was ich nur Spangenberg, Trude u. Oehmkes zu danken habe.

     Bernhard Saatmann, der mir vorgestern Haar u. Bart schnitt, brachte mir eine Flasche Traubensaft, den seine Frau eingekocht hat. Auch von Frau Rewoldt bekamen wir heute eine Flasche Milch. – Den ersten Abschnitt der Euvernil-Kur habe ich nun beendet, in 14 Tagen soll ich die Kur wiederholen. Es scheint, daß dieses Mittel mir sehr geholfen hat.

Ostersonntag, 21. April 1946.     

     Ein wunderschöner Ostertag mit warmer Frühlingssonne, wenigstens am Vormittag. Am Nachmittag bezog es sich leider wieder u. es wurde kühl. Zum Frühstück kam Trude u. brachte eine große Schale voll von herrlichstem Hochzeitskuchen, wie man ihn in Friedenszeiten kaum bekommt, u. so viel, daß wir für morgen noch genug haben. Nachher war unsere Osterandacht. Es war wieder so voll wie im vorigen Jahre. Ich war sehr ergriffen, als ich diese Fülle der erwartungsvollen Menschen sah, sodaß ich zu Anfang des Staffelgebet kaum sprechen konnte. Meine Ansprache war gut durchgedacht u. sehr wirkungsvoll. Wir sangen viel auch zum Schluß das Ite missa est mit den beiden Alleluja, – es war sehr schön. [12] Nach der Andacht öffneten Martha u. ich die eingegangene Post, eine Unmenge von Päckchen von Fritz u. Ruth, die wie durch ein Wunder grade heute eintrafen, darunter auch einige Cigarillos, die mich besonders erfreuten. Wir hatten dann ein ausgezeichnetes u. reichliches Mittagessen. Zum Nachmittags-Kaffee aßen wir viel von dem Dade'schen Kuchen, sodass wir Abends noch satt waren u. uns das Abendessen schenkten. So war es ein schöner, stiller, von innerer Freude u. Dankbarkeit erfüllter Ostertag, der auch den Leib nicht zu kurz kommen ließ.

     Unter der Post war auch ein Brief unseres ehemaligen Frl. Reidemeister, jetzt verheiratet mit dem Bildhauer Theunert. Es scheint, daß diese Ehe nicht mehr gut geht, jedenfalls fragt sie an, ob sie für den Sommer hierher kommen könnte. Ich würde das in mehrfacher Hinsicht begrüßen.

     Ich empfand heute sehr, daß ich durch die Güte Gottes vorerst dem Leben noch geschenkt bin u. bin voll Dankbarkeit.

     Dank sei Gott, – Alleluja, – Alleluja!

Ostermontag, 22. April 1946.     

     Heute morgen wieder kalt u. unfreundlich, am Nachmittag aber wieder Sonne. Vormittags sehr ausführlich an Pfr. Dr. Clemens Tetzlaff in Badenweiler geschrieben. Nachmittags waren Paul u. Grete zum Kaffee da. Langweilig wie immer.

     Gestern war ich zum ersten Male seit meiner Krankheit wieder richtig angezogen, auch heute habe ich den Sonntagsanzug an. In diesem Anzug sieht man erst so recht, wie mager ich geworden bin, der Hemdkragen ist viel zu weit u. der Rock schlottert mir um den Leib; dabei habe ich in letzter Zeit schon recht sehr zugenommen.

     Uebermorgen wird der Pater aus Ribnitz wieder bei uns sein u. die hl. Messe lesen. Brigitte Nickstadt, die über Ostern hergekommen ist, erzählt, sie habe in Rostock Pater Drost gesprochen, der die Absicht haben soll, im Mai hierher zu kommen, um uns drei Tage lang religiöse Vorträge zu halten als Ersatz für Exerzitien. Es wäre sehr schön!

Dienstag, 23. April 1946.     

     Telegramm von Fritz, aufgegeben bereits am 14.4. in Königslutter. Danach ist Fritz schon am Palmsonntag von Regensburg abgefahren, um Ostern bei uns sein zu können. Er ist über Frankfurt M. gefahren u. war nun in Königslutter bei Klaus. Er ist nicht weiter gekommen, weil irgendwo ein Durchgangslager (wahrscheinlich bei Göttingen) für acht Tage gesperrt war. Wie er nun weiterkommen wird, telegraphiert er nicht, aber wir können ihn nun täglich erwarten.

Mittwoch, 24. April 1946.     

     Gestern Abend traf der Pater Beckmann aus Ribnitz ein. Er trank noch mit uns eine Tasse Tee u. ging dann zu Frau Longard, wo er übernachten sollte. Es ergab sich, daß Frau Dr. Völkel, die mit ihrem Mann sehr plötzlich Wustrow verlassen hat, um nach Bremen zurückzukehren, [13] im letzten Moment doch noch Verwirrung angerichtet hatte, indem sie dem Pater geschrieben hat, sie hätte für ihn Nachtquartier in Wustrow besorgt. Es stellte sich heraus, daß dieses Nachtquartier im Hause des Pastors Wunderlich gedacht war. Frau W. hat den Pater auch tatsächlich sehr freundlich aufgefordert, dort zu bleiben, der Mann aber nicht, wobei es dahingestellt bleiben mag, ob das bloß Ungeschicklichkeit war oder Absicht, jedenfalls zog es der Pater vor, hierher zu kommen. Die Situation in diesem Pastorenhause ist insofern etwas schwierig, als die Frau eine sehr starke Neigung zum Katholizismus hat, während der Mann davon ebenso frei ist. Er könnte eigentlich viel besser Lehrer oder dergleichen sein. Es ist gefährlich, die hier vorliegende Möglichkeit einer Spannung irgendwie zu fördern u. deshalb ist größte Zurückhaltung geboten. – Auch im Krankenhause in Wustrow hat sich diese Frau Völkel in ihrem törichten Eifer offensichtlich sehr ungeschickt u. taktlos benommen, sodaß Pater B. den Eindruck hat, als wäre dort eine gewisse Stimmung gegen ihn. Ich bin sehr froh, daß wir diese Frau Völkel wieder los sind.

     Heute um 9 Uhr die hl. Messe. Es war sehr voll, sehr schön aber für mich anstrengend. Es war gut, daß der Pater gleich nach der Messe wieder zu Frau Longard zum Frühstück ging, denn für mich wäre es leicht zu viel geworden, ihn hier zu haben. Es wurde eine Kollekte für den Wiederaufbau der Kirche in Rostock veranstaltet, die recht viel einbrachte.

     Gestern an Faensens geschrieben. Nach einer Postkarte, die ich erhielt, geht mein Patenkind Marialein am Weißen Sonntag zur Erstkommunion.

     Wir warten nun den ganzen Tag auf Fritz. –

     Es geht ein Gerücht von Frau Partikel aus, daß der Rostocker Kulturbund eine Ausstellung in Berlin plant. Ich bekam heute die übliche monatliche Bescheinigung von dort über die Gruppe der mir zustehenden Lebensmittel=Karte u. stellte zu meiner Freude fest, daß man mich als „besonders namhaften Künstler“ in die höhere Gruppe eingewiesen hat, sodaß ich nun die Karte für Schwerarbeiter erhalte. Es ist das besonders nett, weil ich selbst nichts dazu getan habe, es zeigt, daß man mich in Rostock jetzt schätzt.

     Wir erhielten heute auch noch einen Brief von Fritz aus Regensburg vom 12. April als Antwort auf unser letztes Telegramm, daß ich auf dem Wege der Besserung sei.

Donnerstag, 25. April 1946.     

     Heute habe ich wieder angefangen, zu arbeiten. Ich habe den letzten, vor meiner Erkrankung gemachten Entwurf des Muttergottes=Bildes, wofür ich eine Leinewand schon vorbereitet hatte, auf diese übertragen. Da das Format nicht genau dem Entwurf entspricht, konnte ich mich nur allgemein an den Entwurf halten u. mußte ihn neu zeichnen, doch glaube ich, ihn gut auf das neue Format übertragen zu haben. Morgen werde ich das Bild in Farben anlegen.

     Mittags schickte mir der Bürgermeister die Abschrift eines Telegramms, das er vom Kulturbund Rostock erhalten hat mit folgendem Wortlaut: „Veranlaßt sofort, daß alle [14] für Maiausstellung bestimmten Bilder bis Freitag mittag bei Thron, Ribnitz, sind, werden dort durch Auto abgeholt. – Frau Partikel hat in diesen Tagen Martha etwas davon erzählt, daß der Kulturbund eine Ausstellung in Berlin machen wolle, doch habe ich darüber keinerlei offizielle Nachricht. Auch Frau P. wußte nichts Genaueres. Abgesehen davon, daß es technisch unmöglich ist, unverpackte Bilder bis morgen Mittag nach Ribnitz zu schaffen, fällt es mir auch sonst nicht ein, meine Bilder zu einer Sache fortzugeben, von der ich garnichts weiß. Ich habe zunächst brieflich beim Kulturbund angefragt, worum es sich überhaupt handelt.

Freitag, 26. April 1946.     

     Leider mußte ich feststellen, daß die Einstufung in die höhere Lebensmittelkarten-Stufe durchaus nicht, wie mir meine Eitelkeit vormachen wollte, eine Anerkenntnis meiner Leistung seitens des Kulturbundes ist, denn Frau Oberländer u. Frau Dross sind ebenfalls in eine höhere Stufe gekommen. Es handelt sich also um eine generelle Regelung, wobei es einigermaßen beschämend ist, daß diese Frau Dross als „besonders namhaft“ gleich mir, amtlich bestätigt ist, –

     Das Marienbild habe ich heute Vormittag untermalt. In der Nacht war ich auf den guten Gedanken gekommen, das ganze Bild auf blau-silbergrau zu stimmen. Es sieht sehr gut aus.

     Gestern Abend waren noch die beiden Schwestern Frau Masurek u. Frau Ranke da u. besahen meine Bilder, von denen sie sehr entzückt waren. Ich glaube, daß es überhaupt am besten ist, wenn ich meine Bilder nur hier solchen Leuten zeige, die sie sehen wollen u. auf jede Ausstellung verzichte. Ich lese ja fast täglich in Zeitungen u. Zeitschriften, wie sich diese alle erdenkliche Mühe geben, dem Publikum moderne Kunst näher zu bringen, aber das von den Nazis in 12 Jahren hochgezüchtete Banausentum ist so groß, daß ein Kampf dagegen einstweilen hoffnungslos erscheint.

Montag, 29. April 1946.     

     Seit einigen Tagen habe ich wieder verstärkte Blasenbeschwerden, dagegen habe ich keine Beschwerden mehr an der Niere. Diese Blasenbeschwerden sind jedoch überaus lästig, sodaß ich heute darauf verzichte, zu malen, nachdem ich schon am Sonnabend nicht viel gemalt habe. Ich will heute wieder unten bleiben in meinem Zimmer.

     Am Sonnabend erhielt ich ein Telegramm vom Kulturbund in Rostock, ich möchte veranlassen, daß für eine graphische Wanderausstellung, die am 19. Mai beginnen soll, Arbeiten in Nordens Hotel in Wustrow bereit gestellt werden sollen zur Abholung nach Rostock. Ich habe Frl. v. Tigerström, die am Sonntag so wie so nach Wustrow ging, mit dieser Sache beauftragt. Hier in Ahrenshoop kommt nur Frau Dora Oberländer u. die unmögliche Frau Dross in Betracht, aber beide wollen nicht mitmachen. Koch-Gotha u. Marks in Althagen machen gleichfalls nicht mit. In Wustrow will sich Frau Woermann beteiligen u. vielleicht Herr Holst u. seine Frau Sommer. Das Ergebnis ist also sehr dürftig u. es wird sich kaum lohnen. Ich [15] habe Herrn Schwertfeger, der heute nach Rostock zum Studium zurückkehrt, nachdem die Osterferien vorbei sind, einen Brief für den Kulturbund mitgegeben u. habe anheim gestellt, von meinen Zeichnungen, die in der sogenannten Kunsthandlung Krüger u. Weiß sind, geeignete Blätter für diese Ausstellung auszuwählen. Im übrigen habe ich darum gebeten, die restlichen Zeichnungen nun endlich an mich zurück zu senden. Die Verhältnisse dort im Kulturbund scheinen sehr fragwürdig zu sein. Herr Schwertfeger erzählt mir, daß Herr Weiß sehr unfreundlich gewesen sei, als Herr Sch. das letzte Mal dort war u. sich geäußert haben soll, daß er kein Interesse an meinen Bildern hätte. Es scheint, daß es besser ist, sich an den Dingen des Kulturbundes nicht mehr zu beteiligen, offenbar fehlt da der Zusammenhalt. Besonders dieser sogenannte Kunsthändler, Herr Weiß, ist offensichtlich ein robuster Geschäftemacher, mit dem man besser nichts zu tun hat. Diejenigen Rostocker Künstler wie Schmidt-Detloff, die etwas auf sich halten, sind mit Herrn Weiß bereits zusammengeraten wegen seiner raffigen Geschäftemacherei u. auch der sympatische Herr Kreuzberg unterschreibt keine Briefe mehr, sodaß ich annehme, daß er sich ebenfalls zurückgezogen hat. –

     Am Sonnabend kam der junge Fritz Oehmke, um sich von mir eine Bescheinigung geben zu lassen, daß er zwar PG. gewesen sei, sich aber nicht aktiv beteiligt hat. Ich gab sie ihm, obgleich ich Bedenken hatte, denn ich habe doch früher gehört, daß er sich zum Leidwesen seines Vaters als ziemlich eifriger Nazi aufgeführt hat. Aber jetzt beteuern alle diese Leute, daß sie nie Nazi gewesen sind. Trotzdem halte ich es für praktischer, diese Leute zu „Entnazifizieren“, wie der Fachausdruck lautet, damit sie nicht ausgeschaltet werden, sondern mitarbeiten. Wir können es uns nicht leisten, all diese vielen Menschen aus der Arbeit auszuschalten mit Ausnahme natürlich derer, die in führenden Stellungen sind u. da Unfug anrichten können. Es ist übrigens typisch, daß der junge Oehmke in die CDU. eintreten will. Wieder einer, der vom Christentum nicht mehr als den Namen kennt.

     Am Sonntag hatten wir wieder Andacht. Es fiel mir noch schwer, aber es war wieder sehr voll. Am Nachmittag war Herr Triebsch zum Kaffee bei uns. Seine Frau ist für eine Woche nach Berlin gefahren. T. stellte Fragen über Katholizismus, die zeigten, daß er wirklich noch kaum eine Ahnung hat. Dennoch ist er bestrebt, in das Gedankengut einzudringen. Wenn P. Drost sein Versprechen wahr macht u. uns im Mai einige Vorträge halten wird, so wird das Herrn T. sehr nützlich sein.

     Das Wetter ist leider vorwiegend trübe u. nicht sehr warm, sehr ungünstig für meinen Blasenkatarrh.

     Wir warten täglich auf Fritz, aber vergeblich. Martha wird heute an Klaus telegraphieren u. anfragen, wo er ist.

     Am Sonnabend erhielten wir zahlreiche Päckchen von Ruth aus Regensburg, darunter Gries u. Haferflocken u. a. Nährmittel. Das ist für mich unschätzbar. –

     Politisch scheinen wir vor einer sehr ernsten Entwicklung zu stehen. Die Vereinigung von SPD. u. KPD. ist nun Tatsache geworden. Sie ist mit höchst unsauberen Mitteln betrieben worden, jedoch nur hier in der russischen Zone. Es ist ein Rest der alten SPD. übrig geblieben u. man wird abwarten müssen, ob dieser Rest sich gegen den Terror der anderen Seite behaupten kann. Die Russen werden zweifellos alles [16] tun, um diese Leute aus dem politischen u. wirtschaftlichen u. sozialen Leben auszuschalten. Es kann heute schon kaum einer eine Stellung bekommen, der nicht in der KPD. ist. Nachdem nun die Einheitspartei gegründet ist, wird das noch schlimmer werden.

     Andererseits gehen die Engländer u. Amerikaner zur Offensive über. Nachdem sie früher bereits erklärt haben, daß diese Einheitspartei als eine neue polit. Partei anzusehen sei, die genehmigungspflichtig ist, wurde gestern im Hamburger Sender durchgegeben, daß diese neue Partei von ihnen nicht genehmigt werden würde. Einige SPD=Delegierte aus dem Westen, die sich an dieser Einheitspartei maßgeblich beteiligt u. sich in den Vorstand haben wählen lassen, sollen deshalb zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist also damit der offene Kampf zwischen West u. Ost entbrannt. Hier bei uns wird nun die Vereinigung am 1. Mai demonstrativ gefeiert werden u. man muß die weitere Entwicklung mit Sorge verfolgen. Sobald diese Einheitspartei sich dazu stark genug fühlt, muß man damit rechnen, daß sie Gewaltmittel anwenden wird. Es ist die Möglichkeit gegeben, daß es zu einem Bruch kommen wird u. daß die Einheitspartei für Ostdeutschland einfach kurzer Hand die Sowjet=Republik ausrufen wird. Für England u. Amerika stehen damit die Früchte ihres Sieges auf dem Spiel. Sie haben gekämpft für freie Demokratie, gegen jede autoritäre Regierungsformn, u. sie stehen nun einer neuen, auf Rußland gestützten Diktatur gegenüber. Es ist undenkbar, daß sie kampflos sich davor zurückziehen werden.

     Eine andere, nicht weniger gefahrdrohende Sache ist die nun beginnende Außenminister-Konferenz in Paris, welche die Friedenskonferenz vorbereiten soll, die am 1. Mai in Paris beginnen soll u. den Frieden mit den ehemaligen Vasallenstaaten Deutschlands zum Gegenstande hat. Es wird jetzt schon offen davon gesprochen, daß diese Außenminister-Konferenz wieder erfolglos sein kann u. daß es dann jedem der einzelnen früheren Vasallenstaaten überlassen bleiben soll, für sich einen Frieden zu schließen. Das würde dann tatsächlich die Auflösung der bisherigen Entente sein u. eine solche Entwicklung würde dann auch die gewaltsame Lösung in Deutschland selbst begünstigen. Es sieht also mehr als düster aus auf der ganzen Linie.

     Eben, am frühen Nachmittag, kommt Frau Longard in einem ziemlich aufgelösten Zustand u. zeigt uns einen Brief des P. Beckmann, den sie heute morgen erhalten hat. Er teilt ihr darin mit, daß P. Drost morgen, am Dienstag nachmittag hier eintreffen wird, um seine Vorträge zu halten u. bis zum Sonnabend hierbleiben wird.

     Es ist das in der Tat eine starke Zumutung. Diese Geistlichen sind derart weltfremd, daß sie garnicht begreifen, was das heißt. Dieser P. Drost ißt nämlich gewaltige Mengen u. er tut das höchst unbekümmert, woher man die Nahrungsmittel nimmt. Frau Longard sagte rund heraus, daß sie einfach nichts mehr hätte. Ganz abgesehen davon sind wir hier doch auch kein Gasthaus, daß wir jederzeit Gäste aufnehmen können, am wenigsten in dieser Zeit, von deren Not Herr P. Drost offonbar keine rechte Vorstellung hat. Dazu kommt, daß dergleichen doch irgendwie organisiert werden muß. Wir sind nun erst einmal dahin überein gekommen, daß P. Droßt bei [17] Frau Longard schlafen u. auch zu Abend essen soll. Morgens soll er hier seine Messe lesen, zu der wir aber keine anderen Teilnehmer zulassen werden, denn wir können ja nicht das Zimmer für diesen Zweck dauernd zur Verfügung halten. Es muß das Zimmer dazu ja jedesmal besonders hergerichtet werden. Der Altar muß eben an der Seite stehen, wo er gewöhnlich steht u. er muß seine Privatmesse dort lesen, nur Martha u. ich werden daran teilnehmen. Er soll dann bei uns frühstücken, aber für sich allein. Für die Vorträge werden wir unser Eßzimmer zur Verfügung stellen. Ich weiß ja nicht, wieviele Vorträge er täglich halten wird. Er soll dann auch bei uns zu Mittag essen, doch wiederum für sich allein. Es ist auch noch garnicht feststehend, wer alles zu diesen Vorträgen kommen wird, wir werden die Zahl möglichst beschränken, etwa 10 Personen. Es wird schwierig genug werden, da unser Haus ja reichlich unruhig ist durch die Anforderungen, die das Geschäft stellt. Außerdem wird es mich sehr anstrengen, da ich ja gesundheitlich durchaus noch nicht so weit bin. Sollte nun Fritz grade in diesen Tagen kommen, dann wäre das eine neue, sehr erhebliche Belastung der Nervenkräfte.

     Ich hoffe, daß wir den Pater wenigsten zweimal zum Mittagessen abschieben können, einmal an Triebsch u. ein anderes Mal an Burgartz, das wäre doch eine erhebliche Erleichterung. Martha wird heute Abend zu Oehmkes gehen, die sie dazu aufgefordert haben, um einige Kartoffeln u. Mohrüben zu bekommen. Wir wissen sonst nicht, wie wir den Pater satt bekommen sollen. Die Bauern haben jetzt ja alle Saatkartoffeln geliefert bekommen, da auf Befehl der Russen der Anbau von Kartoffeln sehr gesteigert werden soll. Die Bauern haben aber inzwischen ihre Aecker bereits mit anderen Dingen bestellt u. wissen nun garnicht, wohin sie mit den Kartoffeln sollen; dabei hungert die übrige Bevölkerung, weil es keine Kartoffeln zum essen gibt. Es wird da, wie immer, reichlich organisiert.

     Nun, wir wollen hoffen, daß diese ganze Sache mit Gottes Hilfe gehen wird. In jedem Falle wird es eine große Anstrengung werden.

Dienstag, 30. April 1946.     

Martha war gestern Abend bei Oehmkes. Sie hat einige Kartoffeln u. Mohrüben bekommen, sowie Milch. Mutter u. Töchter Oehmke waren sehr nett u. erzählten, daß ich im Jahre 1912 ihr erster Sommergast gewesen wäre. Damals hatte Oehmke die Wirtschaft grade gekauft. Ich war mit meiner Frau u. Ruth dort. Ruth war damals drei Jahre alt. Es stellte sich nun heraus, daß Liesbeth Oehmke mit Ruth befreundet ist. Wie weit diese Freundschaft geht, weiß ich nicht, es kann wohl nicht übermäßig intim sein, da Liesbeth nicht wußte, daß Ruth jetzt verheiratet ist; aber bis zum Jahre 1936 scheinen beide in Verkehr miteinander gestanden zu haben. Frl. Oehmke behauptete sogar, mit Ruth eine Reise nach England gemacht zu haben. Sie spricht jedenfalls sehr nett von ihr u. sagt, daß Ruth ein stiller, bescheidener Mensch geworden sei von sehr gutem Aeußeren, sie sei groß u. schlank u. habe „dunkles“ Haar. Dies letztere kann ich mir nicht recht denken, wahrscheinlich aber wird ihr Haar nicht dunkler sein, wie das meinige früher gewesen ist, welche Farbe gegen das hier gewöhnliche helle flachsblond eben „dunkel“ erscheint. – Es ist merkwürdig, wie ich von Zeit zu Zeit [18] immer wieder von ganz unerwarteter Seite her kurze Nachrichten über Ruth höre.