Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-12-28
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Freitag, 28. Dezember 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 28. Dezember 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-12-28 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 28. Dezember 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Freitag, 28. Dezember 1945.     

[1]      P. Drost kam gestern erst um 8 Uhr abds. von seinen Besuchen bei Dr. Burgartz u. Prof. Triebsch zurück. Bei Dr. B. ist nur die alte Litanei gequatscht worden von seiner Sehnsucht, nach dem Katholizismus, von der zu sprechen dieser Mann anscheinend nie genug bekommt, aber tun tut er nichts. Er kommt sich wichtig vor, einen Jesuiten-Pater einen ganzen Nachmittag damit zu unterhalten. Prof. Triebsch [2] dagegen hat den klaren Wunsch geäußert, zum Katholizismus überzutreten, jedoch scheint ein positiver Entschluß, bezw. eine praktische Durchführung dieses Entschlusses nicht weiter besprochen worden zu sein. Wir sprachen dann noch lange von religiösen Fragen u. von Kunst. Ich zeigte ihm mein letztes Bild u. auch dasselbe in der ersten Fassung, sowie das Bild, welches ich nun in Angriff nehmen will: „Das sieghafte Gelb“. Es macht Spaß, dem Pater Bilder zu zeigen, denn obwohl ihm meine Malerei ganz fremd ist, geht er doch interessiert mit u. versteht, was ich meine. So kommt ein lebendiger Gedankenaustausch zustande. Es ist ein großer Unterschied, wie dieser Mann sich gern belehren läßt u. das Neue verständnisvoll aufnimmt, wenngleich es ihm fremd ist, – u. andererseits Paul, der mit einer arroganten Selbstgefälligkeit das Fremde ablehnt u. für Idiotie erklärt.

     Heute morgen hatten wir noch eine schöne Messe mit kleiner Ansprache über das Taufgeheimnis in Anknüpfung an die gestrige Taufe. Frau Pilster, die Mutter des Täuflings, an die diese Ansprache in erster Linie gerichtet war, war natürlich nicht da, ebenso fehlte Herr Dr. Burgartz, dem das Zuhören noch weniger geschadet hätte. Es ist eben alles leeres Geschwätz bei diesen Leuten.

     Nach dem Frühstück betrachtete der Pater nochmals meine Bilder. Ich zeigte ihm auch den ersten, ganz kubistischen Engel, den ich im vorigen Jahre als erstes Bild malte, dazu noch den blauen Engel. Er ging auch da gut mit, jedoch sagte ihm der blaue Engel natürlich mehr, da er ziemlich gegenständlich ist.

     Der Pater ist am Vormittag noch zu Margot Seeberg gegangen, wo er möglicherweise am Nachmittag noch einen Vortrag halten wird. Mittags wird er bei uns essen.

     Gestern kam die kleine Enkelin des Bauern Paetow, ein sehr nettes u. intelligentes Kind von 8 – 10 Jahren. Sie erzählte von der Weihnachts-Bescherung zuhause, sie haben da einen großen Weihnachtsbaum mit 12 Kerzen gehabt, sie haben gut gegessen u. sich beschenkt. Das Kind kam dann in mein Zimmer u. sah das große Kruzifix an der Wand. Sie fragte erstaunt: „Was ist denn das? Der ist ja wohl angenagelt?“ Ich fragte sie, ob sie denn noch niemals etwas von Jesus Christus gehört hätte? – „Nein“, antwortete sie. „Ja, –“ sagte ich –, „ich denke, Ihr habt Weihnachten gefeiert?“ – Darauf sah mich das Kind verständnislos an, es wußte nicht, was Weihnachten mit einem Kuzifix zu tun hat. – Am Morgen hatte der Pater seine Ansprache bei der Messe damit begonnen, indem er die Frage stellte, ob wir heutige Menschen denn überhaupt Weihnachten feiern dürften! Wie recht hatte er! Wer gestattet es, wer erlaubt es diesen Menschen, Weihnachten zu feiern, die Jesus Christus nicht einmal dem Namen nach kennen?

     Von Schw. Gertrud Dobczynski aus Barth kam heute ein Brief mit einem Weihnachtsgruß. Sie berichtet von der Not u. dem Elend das in Barth ist u. von dem auch Pater Drost erzählt. Nach ihm muß es in Damgarten besonders schlimm sein, aber auch in Ribnitz im Bachmann-Lager. Ueberall Schwerkranke u. Sterbende. Der jetztige Administrator in Barth, Serve, hat da viel zu tun u. er wird die Arbeit kaum bewältigen, Außengottesdienst kann er noch nicht machen, es ist zu viel. Schw. Gertrud macht mich aber darauf aufmerksam, daß jetzt in Ribnitz Herr P. Drost stationiert sei. Ich las es P. Drost beim Frühstück vor. Schw. G. schreibt, daß der Pfr. Serve vorläufig nicht hierher kommen könnte, denn die Wege sind unsicher. Dem hochw. Herrn Dechanten Heinsch aus Stralsund haben die Russen [3] kürzlich erst angefallen, haben ihm das Rad, den Mantel u. die Versehtasche abgenommen, haben ihm den Oberarm ausgekugelt u. gebrochen. Auch Schw. G. kann in Barth nach Dunkelwerden keine Krankenbesuche machen, weil die Gefahr zu groß ist, angefallen zu werden.

     Heute erzählt man sich hier, daß Barth für jeden Verkehr gesperrt worden sei, weil eine gefährliche Seuche ausgebrochen wäre. Eine Bestätigung dafür liegt noch nicht vor, aber nach dem, was Schw. G. schreibt, scheinen die Verhältnisse dort ja weit schlimmer zu sein als hier bei uns oder auch in Ribnitz.