Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: TBHB 1945-09-29
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1945
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel: Sonnabend, 29. Sept. 1945.
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 29. September 1945
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung

Der Artikel TBHB 1945-09-29 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 29. September 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonnabend, 29. Sept. 1945.     

[1]      Gestern Nachmittag wurde ich durch einen Soldaten zum Monheim'schen Hause gerufen, es sei der Major dort. Der Major war ein sehr soldatisch aussehender Mann von etwa 40 Jahren, eher jünger. In seiner Begleitung war ein sehr unsympatisch aussehender jüngerer Offizier mit lauerndem Blick, der mich dauernd beobachtete, u. ein sehr junger Arzt, außerdem der junge, stotternde Leutnant unseres Kommandos. Der Major gab mir die Hand, wobei er sogar aufstand. Er verlangte von mir, daß ich ihm sofort aufschreiben sollte, was alles von den Kosaken gestohlen worden war. Ich bekam Bleistift u. Papier. Er ging mit seiner Begleitung fort u. ließ mich allein mit dem Soldaten, der mich geholt hatte u. der etwas deutsch sprach. Dieser sollte das, was ich geschrieben hatte, russisch übersetzen. Ich schrieb auf, was mir im Augenblick grade einfiel. Nach einer Weile kam der Major zurück. Da ich noch nicht fertig war, wartete er geduldig. Darauf sagte er mir, daß er der Kommandant der ganzen „Insel“ von Zingst bis Ahrenshoop sei u. daß ich seinen Weisungen zu folgen hätte. Er wollte dann leere Häuser wissen, aber nicht im Dorf, sondern nach dem Darss zu. Ich zeigte ihm das letzte Haus, in dem es freilich sehr wüst aussah. Es kam daher für ihn nicht in Frage. Inzwischen waren seine beiden sehr einfachen Pferdewagen, mit denen er aus Zingst gekommen war, – Wagen, wie sie Fleischer zum Ausfahren von Waren in den Städten gebrauchen, nachgekommen. Er sagte etwas zum Leutnant u. verabschiedete sich, indem er dem Leutnant die Hand reichte, mich aber stehen ließ, ohne mich weiter zu beachten. Dann aber fiel ihm wohl ein, daß er mich vergessen hätte, er kehrte um u. gab auch mir zum Abschied die Hand.

     Ich ging mit dem Leutnant u. dem Soldaten zurück. Am Monheim'schen Hause sagte er mir, daß das Haus Linkenbach bis heute um 12 Uhr geräumt sein müsse. Der Leutnant ist sonst sehr nett, ebenso seine Soldaten, aber sie holen jeden Tag 9 ltr. Milch von Paetow. Ich habe versucht, ihnen zu erklären, daß das nicht geht, aber erfolglos. –

     Herr Dr. Ziel ließ mir gestern durch das Sekretariat seinen Bericht zugehen über seine Verhandlungen in Schwerin u. in Rostock. Heute ließ er mir auf demselben Wege eine Einladung vom „Kulturbund“ zugehen, mich an einer Kunstausstellung zu beteiligen, die im November in Schwerin stattfinden soll. Ich werde mich da gern beteiligen u. hoffe, daß bis dahin Gemeindewahlen waren. Bis dahin will ich mein Amt noch behalten, aber dann mag es ein anderer machen, ich habe mehr als genug.

     Aus dem Bericht über das, was Dr. Ziel in Schwerin gesehen hat u. mehr noch aus dem, was er mündlich erzählt hat u. was mir Frau Schuster weitergab, geht zur Genüge die trostlose Hoffnungslosigkeit hervor, in der wir uns befinden. In Schwerin sollen nach Dr. Z. die Läger voll liegen von Lebensmitteln, da die Russen alles aufspeichern, u. das Volk hungert. Es soll dort gewaltige Mengen von Butter geben, aber sie ist ranzig geworden u. verdorben u. wird jetzt zu Seife verarbeitet. Wir haben schon seit 3 Tagen kein Brot mehr, weil die Russen in Ribnitz nichts herausgeben, – u. so ist es überall.

     Heute am Spätnachmittag mußte ich nochmals ins [2] Amt, da ich dummerweise mit Ribnitz telephoniert hatte, – wir haben seit etwa 10 Tagen wieder Telephon –, aber es gibt außer Behörden niemanden, mit dem man telephonieren könnte, weil die Russen alle Apparate weggeschleppt haben. Von Ribnitz wurde mir gesagt, daß der Ausschuß für Bodenreform sofort zusammentreten solle u. eine Liste von Leuten aufstellen solle, die gerne Land haben wollen. Ich ließ also den Ausschuß zusammentrommeln, aber es erschienen von den 7 Mitgliedern nur zwei. Wir machten drei Leute namhaft, die wir nicht fragten, ob sie wollten, weil dazu keine Zeit war. Diese Liste soll bis Montag 8 Uhr morgens in Ribnitz sein.

     Später kam Frl. Neumann dazu u. brachte Nachricht, daß wir Kartoffeln u. Salz bekommen. Salz haben wir seit dem März nicht mehr gehabt, wir kochen alles mit Seewasser, um Salzen zu können. Bei dieser Gelegenheit erzählte sie, daß sie heute in Ribnitz gehört habe, daß der russ. Kommandant angeordnet hätte, alle Besitzer großer Güter sollten bis Montag ihre Besitzungen geräumt haben. Die Güter sollten bis Montag an landlose Leute aufgeteilt werden. Es ist kompletter Wahnsinn.

     Wir verhandelten mit Frl. Neumann u. Frau Leplow über Schlachtung u. Fleischverkauf. Außer mir war noch Herr Kühme u. Frau Schuster zugegen. Ich saß dabei u. sprach kein Wort, weil ich einfach das Interesse für diese Dinge nicht mehr aufbringe. Ich fragte mich im Stillen, mit welchen Recht ich als sog. Bürgermeister überhaupt noch dabei saß. Ich bin da völlig überflüssig.

     Abends zuhause erzählte mir Martha von einem höchst unerfreulichen Besuch der Herrn Dr. Ziel. Auch war ein Brief von Dr. Hahn aus den Krankenhause in Wustrow gekommen, der anscheinend bei hochgradigem Fieber geschrieben war u. dessen Sinn ich nicht verstehen konnte. Der arme Kerl wird Glück haben, wenn er lebend davon kommt. Oder Pech? –

     Ich erwäge sehr ernst, ob ich das Amt niederlegen soll. Die Aufforderung, mich an einer Kunstausstellung zu beteiligen, ist vielleicht ein Wink. – ? –