TBHB 1945-06-03
Einführung
Der Artikel TBHB 1945-06-03 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 3. Juni 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über eine Seite.
Tagebuchauszüge
[1] Die angeblich neuen Russen sind nur ein Teil der vorgestern abgerückten Russen, die nur zurückgekommen sind, weil die Straßen zu sehr verstopft sind. Sie sollen am Montag abrücken. Leider sind aber auch einige fremde Russen mit dabei, die nun einzeln u. ohne Vorgesetzte die Gegend unsicher Machen, auf Menschen schießen, Fahrräder u. a. Dinge klauen u. Bauern u. Büdner nach Eiern u. Milch ausplündern u. Hühner stehlen. Das ist besonders schlimm, weil wir nun endlich die Milchversorgung in Ordnung gebracht haben u. in dieser kommenden Woche auch Butter, wenn auch nur wenig, an die Bevölkerung geben zu können hoffen. Es wird nicht mehr als ein Achtel Pfund auf den Kopf der Einwohner kommen. Wenn aber die Russen vorher die Milch klauen, wirft das alle Berechnungen über den Haufen. Noch schwerer wird es mit der Eierbewirtschaftung, die in dieser Woche in Angriff genommen wird.
Gestern kam nun der Befehl, sofort alle leer stehenden Häuser u. Wohnräume listenmäßig zu melden, dazu das Inventar, das in diesen Räumen enthalten ist. Darüber natürlich große ADB:Aufregung, da die Russen bereits in Wustrow Möbel, Klaviere usw. abgefahren haben. Es ist zu hoffen, daß dieser Befehl von den Russen erlassen worden ist, ehe sie den Befehl zum Abrücken hatten u. daß er inzwischen hinfällig geworden ist. Ich habe gestern dreizehn Herren angesetzt, die heute diese Erhebungen anzustellen haben.
Die Ernährung ist überaus schwer. Viele Frauen mit vielen Kindern sind natürlich mit der Brotration von 500 gr. pro Woche nicht ausgekommen, nun kamen sie gestern weinend ins Amt u. wollten Brot haben. Ich mußte hart bleiben u. sie auf Montag vertrösten. Kartoffeln haben sie auch keine.
Eben war der Schlachter Leplow bei mir u. gab mir einige Anregungen, die wertvoll sind. Er ist ein ehrlicher u. reeller Mann. Die Fischer sind nun auch am Fischen in der Ostsee u. verkaufen, sodaß wenigstens einige Einwohner Fische bekommen; aber es reicht immer nur zum Teil. Das vordringlichste Problem ist jetzt, die Ostflüchtlinge los zu werden, die nicht nur zusätzliche Esser sind, sondern zum großen Teil auch eine höchst üble Gesellschaft sind.
Unsere Andacht war heute wieder recht gut besucht.
Mit Martha besprach ich heute früh den Plan, einen Caritas-Verein in Ahrenshoop zu gründen, der dann in der Lage sein soll, unvermeidliche Härten auszugleichen. Der Verein kann unter Marthas Leitung u. meinem Protektorat stehen.