TBHB 1945-05-28
Einführung
Der Artikel TBHB 1945-05-28 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 28. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über eine Seite.
Tagebuchauszüge
[1] Gestern eine sehr reich besuchte Andacht. – Mittags um 12 Uhr fand die Uebergabe der Gemeindegeschäfte im Gemeindehause statt. Der linke Raum der Badeverwaltung war sehr hübsch mit Flieder geschmückt. Zugegen waren außer dem Bezirks-Bürgermeister Dr. Hoffmann, der die ganze Handlung leitete, u. mir selbst der neue Gemeindevorstand: Kapitän Krull als stellvertr. Bürgermeister u. die beiden Schöffen Meyer u. Saatmann. Ferner der alte Vorstand: Gräff, Bauer Paetow u. Voß, welcher allerdings zu spät kam, u. der alte Kapitän Niemann, der früher immer geholfen hatte. Auch Heinr. Bradhering war mit verkniffenem Gesicht gegenwärtig u. sonst noch viele Gäste, auch viele Damen. Martha war ebenfalls mit da.
Dr. H. hielt eine ausgezeichnete Rede, in der er den Geist der neuen Zeit stark betonte u. besonders feststellte, daß die Nazis Deutschland so in Grund u. Boden verwirtschaftet hätten, daß jetzt buchstäblich nichts mehr vorhanden ist außer dem festen Aufbauwillen derer, die nun das Wort hätten. Er gab einige hoffnungsvolle Ausblicke u. führte dann den neuen Gemeindevorstand ein. Er gab auch bekannt, daß Ahrenshoop von nun an auch politisch nach Mecklenburg gehöre, nachdem wir von je her wirtschaftlich dorthin orientiert gewesen sind.
Zuletzt hielt auch ich eine kurze Rede, die, wie ich später feststellen konnte, allgemein mit Beifall aufgenommen wurd, besonders der Schluß, in dem ich mich zum entschiedenen Christentum bekannte u. Gott bat, mir Verstand, Fähigkeit u. Gnade für das neue Amt geben.
Nachmittags kamen dann allerhand Leute. Russen wollten einen Requisitionsschein für Hafer haben, andere wollten Radio-Geräte aus der Gemeinde abholen. Dann kam das Ehepaar Soehlke mit Frau Kuhnke zum Tee u. nebenbei noch viele andere.
Herrn Dr. Hahn habe ich zum Kassenführer gemacht. Er war bereits sehr gekränkt gewesen, daß er nicht Gemeinde=Sekretär geworden war, denn diesen Posten scheint Dr. H. ihm schon früher versprochen zu haben, ohne daß ich etwas davon wußte. Ich hatte auch nicht gedacht, daß er Wert auf einen solchen Posten legen würde.
Heute ist nun der erste Amtstag, der mit der Ausgabe von neuen Lebensmittelkarten ausgefüllt ist. Gleichzeitig wird ein Gemeinde-Register angelegt u. für jede Person werden Personalausweise ausgegeben. Es ist eine sehr umfangreiche Arbeit, für die sich eine große Masse Menschen zur Verfügung gestellt haben. Paul hat den Arbeitsgang ganz vorzüglich organisiert, sodaß die Sache ohne Reibungen u. Zwischenfälle abläuft. Ich habe dabei nichts weiter zu tun, als egalweg meinen Namen zu schreiben.