TBHB 1945-05-26
Einführung
Der Artikel TBHB 1945-05-26 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 26. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Rechtsanw. Hoffmann ließ mir gestern durch Paul bestellen, daß morgen, Sonntag, 12 Uhr Mittags, meine Einführung in das Bürgermeister-Amt erfolgen würde. Ich werden Gräff, die Schöffen u. die Gemeindevertreter dazu einladen.
[2] Dr. Meyer kam gestern per Rad aus Wustrow mit einer Rote-Kreuz-Armbinde Er gratulierte mir u. teilte mir mit, daß er seine Praxis jetzt wieder voll aufnehmen wolle.
Im Gemeindeamt wurde gestern mit Hochdruck gearbeitet, da heute früh der Dampfer von Wustrow abfahren sollte. Es mußten 225 Flüchtlinge dafür bereitgestellt werden. Heute früh wurde das Gepäck dieser Leute zu Wagen nach Wustrow gebracht. Paul hat alles sehr gut organisiert, sodaß der Abtransport heute früh reibungslos vor sich ging. Damit ist nun schon eine erhebliche Erleichterung eingetreten.
Auch sonst bessern sich die Verhältnisse. Eine typische Sache erzählt mir eben Frau Daubenspeck. Sie hat im Auftrage der Russen das Sudeck'sche Haus, das ebenfalls für das russ. Erholungsheim beschlagnahmt worden ist, ebenso wie Haus Elisabeth, sauber machen müssen.
Am folgenden Morgen, also gestern, kam sie wieder hin u. stellte fest, daß in der Nacht das Haus ausgeplündert worden war u. zwar in einer unvorstellbaren Weise. Was nicht gestohlen worden ist, ist zerschlagen worden. Sie ist dann gleich zu dem Kapitän gelaufen, der diese Vorbereitungen zur Einrichtung leitet u. hat ihm die Verwüstung gezeigt. Der gute Mann war entsetzt über diesen Anblick. Als Frau Daubenspeck gestern abend noch einmal aus irgend einem Grunde dorthin ging, fand sie diesen Kapitän mit zwei russischen Soldaten am Boden hocken u. damit beschäftigt, alles in Koffer zu stopfen, was noch irgendwie brauchbar war. –
Dr. Meyer erzählte mir, daß die Russen in Ribnitz das ganze Fernsprechamt abmontieren u. daß waggonweise Telephonapparate, Radio-Geräte u. Nähmaschinen abtransportiert werden. Auf dem Gut Kükenshagen soll es von etwa 150 Haupt Rindvieh noch acht geben. Ebenso ist es mit Pferden.
Küntzels verhandeln mit Dr. Helms, der ihnen in seinem Hause Wohnung angeboten hat. Sie wollen das Angebot gern annehmen u. wir selbst sind ganz froh, wenn sie bei uns nun wieder ausziehen. Ich kann dann wieder in meine Zimmer.
Heute ist Gretes Geburtstag.
Wie ich höre, soll Partikel mehr Glück gehabt haben mit seinem Stalinbilde, als ich. – In unserer Dachkammer wohnt seit drei Tagen Frau Schwertfeger, die Schwester von Frau Sperling, welche im Hause Elisabeth wohnten u. dort räumen mußten.
Heute morgen sah ich zum ersten Male wieder zwei Frachtdampfer in Richtung Kiel vorbeifahren. – Von Berlin u. Rostock hört man verhältnismäßig günstige Nachrichten, sodaß in der nächsten Zeit auch die Flüchtlinge von dort dahin zurückkehren werden. Es soll schon einen notdürftigen Zugverkehr geben.
6 Uhr nachm.
Rechtsanw. Dr. Hoffmann war eben hier u. brachte mir das Dekret, lt. dem ich zum Bürgermeister der Gemeinde Ahrenshoop ernannt bin. Meine Einführung erfolgt morgen 12 Uhr im Gemeindeamt. Herr Hoffmann selbst ist zum Bezirks-Bürgermeister für Ahrenshoop, Alt= u. Niehagen u. Wustrow ernannt, Ahrenshoop ist politisch zu Mecklenburg gekommen. In dem Dekret wird ausdrücklich gesagt, daß eine Inanspruchnahme meiner Dienst= u. Wohnräume nicht erfolgen wird. Das Dekret ist in russischer + deutscher Sprache verfaßt, die deutsche Uebersetzung ist von einem Vertreter des Landratsamtes Rostock unterschrieben.
[3] Als stellvertretenden Bürgermeister habe ich Hans Krull genannt, als Schöffen den Fischer Meyer u. Bernh. Saatmann, als Gemeindesekretär Paul Küntzel. Hoffentlich nehmen alle diese ihre Aemter an. Ich habe sie vorher nicht gefragt u. es wird Pauls Aufgabe sein, den Leuten ihre Ernennung mitzuteilen u. ihr Einverständnis einzuholen.
Herr Hoffmann zieht offenbar seine neue Stellung sehr groß auf. Er entwickelt eine große Tätigkeit, spricht von Gemeindeautos, die er bereits organisiert haben will u. von der zwangsweisen Verpachtung des Paetow'schen Hofes an Herrn Brandt, sowie von der Neubeschaffung von Wagen für Spangenberg. Es kann sein, daß diese Entwicklung recht segensreich wird.