TBHB 1945-05-25
Einführung
Der Artikel TBHB 1945-05-25 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 25. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über eine Seite.
Tagebuchauszüge
[1] Keine besonderen Ereignisse. Dr. Ziel kam gestern Abend u. besprach die Angelegenheiten des Prof. Reinmöller u. des Bauunternehmers Wilh. Helms, die beide auf der schwarzen Liste der Russen stehen. Reinmöller hat noch in den letzten Tagen vor dem Zusammenbruch Reden gehalten, daß der „Wehrwolf“ das einzige wäre, was uns noch retten könne. Ich bin aber der Ansicht, daß das nur dieses verantwortungslose u. dumme Geschwätz ist, was dieser Mann an sich hat u. solchen Worten keine praktische Bedeutung zukommen. Er ist z. Zt. nun einmal die einzige ärztliche Hilfe, die wir im Orte haben. Ich sagte zu Ziel, daß ich zwar nichts unternehmen würde, um Herrn Reinmöller zu schützen, daß ich aber auch nichts gegen ihn unternehmen würde. Ich würde das ganz den Russen überlassen. Im Falle Helms würde ich ebensowenig tun. Den ehemaligen Zollbeamten Nülken, der ja ebenfalls vor dem Zusammenbruch solch alberne Reden über den „Werwolf“ gehalten hat u. der nun anscheinend sehr bescheiden geworden ist, würde ich mir vornehmen u. ihn verwarnen.
Dr. Ziel hat für die Gemeinde Einwohnerlisten fertig gestellt mit allen Menschen, die sich z. Zt. noch in Ahrenshoop aufhalten. Er hat diese Listen zwar noch nicht addiert, schätzt aber daß sich 1000 – 1100 Personen im Orte aufhalten. Morgen soll es neue Lebensmittelkarten geben, aber nur für höchstens 800 Personen. Nach Anordnung der russ. Behörde sollen ja bis morgen alle Ostflüchtlinge das Dorf verlassen haben; aber das ist bei weitem noch nicht geschehen. Ich fragte Paul, der glaubt, daß Ziel die Personenzahl überschätzt hat. Morgen früh soll von Wustrow ein für Ahrenshooper Flüchtlinge reservierter Dampfer nach Ribnitz fahren. Jedenfalls wird sich diese Sache nicht ohne große Schwierigkeiten lösen lassen.
Das Dekret, welches mich zum Bürgermeister ernennen soll, war bis gestern noch nicht da. Hoffentlich verzögert es sich noch weiterhin, damit ich mich mit dieser Flüchtlingssache nicht mehr zu befassen brauche.
Meinen Oberleutnant habe ich gestern auf Partikel gehetzt. Heute früh sah ich ihn schon mit ihm auf der Straße. Vielleicht wird er ihm einen freundlicheren Stalin malen können.
Es ist sehr kalt geworden. Nordwind.