Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-05-24
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Donnerstag, 24. Mai 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 24. Mai 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-05-24 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 24. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Donnerstag, 24. Mai 1945.     

[1]      Gestern am Spätnachmittag kam der Rechtsanw. Hoffmann, der Verbindungsmann zwischen den Gemeinden u. der russ. Behörde, mit seiner Frau. Wir saßen im Seezimmer. Ich ahnte nichts Böses u. glaubte, daß er uns nur einen Besuch machen wolle. Er erklärte mir aber, daß er gekommen sei, mich im Auftrage des russ. Kommandanten zu fragen, ob ich bereit sei, die Geschäfte des Bürgermeisters von Ahrenshoop zu übernehmen. – Ich war entsetzt u. lehnte es mit Entschiedenheit ab. – Herr Hoffmann fragte, wen ich sodann vorschlagen könne. Ich nannte Paul. Hoffmann sagte, daß Küntzel ja eigentlich nicht in Ahrenshoop wohne u. außerdem mit den Verhältnissen nicht gut vertraut wäre. Er käme deshalb nicht in Frage. Einen anderen konnte ich dann freilich nicht nennen. Herr Hoffmann fing dann an, mich zu überreden. Er sagte, daß das ganze Dorf hinter mir stände u. alle von mir erwarteten, daß ich die Führung übernehme u. daß Gräff eben in der jetzigen Zeit unmöglich sei. Außerdem würde mir ja genügend Hilfe zur Verfügung [2] stehen wie Paul Küntzel u. Dr. Hahn. Diese würden die Arbeit machen, sodaß ich nur eben die Leitung hätte. Ferner bestünde doch immer die Gefahr, daß unser Wohnhaus beschlagnahmt würde, während man das Haus des Bürgermeisters respektieren würde. Er redete sehr eindringlich, aber ich konnte mich nicht entschließen. Schließlich sagte er, ich möge mir doch die Sache überlegen u. ihm bis heute früh 9 Uhr Bescheid geben lassen.

     Abends kamen dann Dr. Ziel mit Frau, Dr. Hahn u. Frau Schuster zum Vortrag, den ich aber ausfallen ließ. Ich bat Paul, heraufzukommen u. wir beratschlagten zusammen. Das Ergebnis der Besprechung war, daß sich Paul u. Dr. Hahn als Mitarbeiter zur Verfügung stellten u. Ilse Schuster als Sekretärin. Unter diesen Umständen willigte ich ein. Ich setzte eine schriftliche Erklärung auf, schrieb einen kurzen Lebenslauf u. übergab beides Paul zur Weiterbeförderung.

     Der Himmel weiß, wie sich diese Nachricht dann gleich im Dorfe verbreitet hat. Wahrscheinlich hat Herr Hoffmann gestern schon nicht dicht gehalten. Heute morgen scheint das ganze Dorf es schon zu wissen. Agnes Borchers kam schon beim Frühstück, um ihre Freude auszudrücken, nachher kam auch Carl Papenhagen. Man sagt mir, daß das ganze Dorf erleichtert aufatmet, daß wieder eine Führung da ist. Ich selbst bin freilich nicht sehr beglückt. –

     Herr Hoffmann berichtete gestern Abend, daß in Damgarten ein Hitlerjunge einen russischen Leutnant erschossen habe. Es sei deshalb eine verschärfte Spannung entstanden. Die Russen haben alle Hitlerjungens in Damgarten festgesetzt u. es wäre recht gut, wenn sie allen zusammen ordentlich das Hinterleder versohlten.

     Gestern Abend nach 10 Uhr traf eine Kolonne von 10 Lastautos vom Roten Kreuz ein, die wohl Material für das geplante Erholungsheim heranbrachten. Es ist das ganze Kurhaus beschlagnahmt worden. Nachdem die Russen es ausgeräumt haben, richten sie es nun wieder ein. Ferner haben sie das Haus von Bachmann, von Wolff, von Körthe, das Haus am Meer u. die Gute Laune beschlagnahmt, alle Bewohner mußten sofort raus. – Alle Ostflüchtlinge sollen bis Sonnabend den Ort verlassen haben. Heute Morgen ist der große Last-Pferdewagen von Brandt mit Flüchtlingen abgefahren; aber wie man alle bis Sonnabend fortbringen, soll, ist fraglich.

     Ich zeigte gestern Abend das Bild von Stalin, das alle sehr bewunderten. Heute morgen kam der Oberleutnant u. brachte noch einen anderen mit, aber beiden gefiel das Bild garnicht. Ich hatte selbst in der Tat Bedenken gehabt, denn mein Bild ist eben so geworden, wie ich eben male, d.h. streng. Die Herren fanden, daß Stalin nicht freundlich genug aussehe. Ich bedauerte, nicht anders malen zu können u. sie hatten dafür auch Verständnis. Sie beschlossen, das Bild zum Kommandanten mitzunehmen u. es ihm zu zeigen, er sollte dann entscheiden. Ich wäre froh, wenn sie mir lieber keine weiteren Aufträge geben würden. Es ist das eben die echt russische Mentalität, die zum Führer einen freundlichen, weichen Menschen haben will, „Väterchen Stalin“, nicht einen preußischen General. Mein Stalin sieht eben preußisch aus.

     Herr Hoffmann sagte gestern Abend, daß die [3] Nachricht einer deutschen Regierungsbildung mit Rudolf Hess, Schwerin-Krosigk u. Paulus nicht zuträfe. Dagegen soll es jetzt eine deutsche Zeitung geben „Freies Deutschland“. Ferner sagte er, daß von den Russen jede Bildung von politischen Parteien verboten worden sei. Es hat sich seit einiger Zeit, gleich nach dem Russeneinmarsch, in Ribnitz eine kommunistische Partei gebildet u. ein Parteibüro aufgetan, aber die Russen sollen es wieder verboten haben.

     Herr Hoffmann sagte uns übrigens gestern Abend auch, daß der Lehrer Deutschmann gestern Nachmittag bereits aus der Haft wieder entlassen sei. Wir freuten uns alle sehr darüber.