Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-05-10
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Donnerstag, 10. Mai 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 10. Mai 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-05-10 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 10. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Donnerstag, 10. Mai 1945.     
Christi Himmelfahrt.     

[1]      Gestern Abend kurz vor Beginn des Vortrages, kam wieder ein Russe ins Haus. Er kam von hinten her in die Küche. Es war wohl ein Pole. Ich weiß nicht, was diese Burschen eigentlich wollen. Er erbat sich Trinkwasser, das er bekam, aber es war wohl bloß ein Vorwand. Er sah sich mit dem etwas verlegenen u. dummdreisten Gesicht des Knechtes, der den Herrn spielt, um, ging in die Diele, interessierte sich für das Telephon. Ich zeigte ihm, daß es außer Betrieb sei. Dann wollte er ins Eßzimmer. Ich konnte ihm verständlich machen, daß dort Eva's Kind schliefe u. da ließ er es. Dann deutete er auf die Treppe u. sagte etwas, was ich nicht verstand. Zur Probe nickte ich mit dem Kopfe, worauf er die Treppe hinaufgehen wollte. Ich vertrat ihm den Weg u. schüttelte nun zur Abwechslung den Kopf u. er gab seine Absicht auf. Dann ging er langsam raus, besah den Hintergarten u. kam wieder zurück. Ich gab ihm zwei Zigaretten u. dann zog er langsam ab. Nach kurzer Zeit erschien er aber wieder mit einem Radfahrer. Beide gingen an die Tür des kleinen Hauses u. rüttelten daran, dann gingen sie zum Seiteneingang der BuStu u. rüttelten u. schließlich zogen beide ab u. verschwanden im Strandweg. – Es passiert ja nichts, aber es ist jedesmal eine arge Nerven-Erregung. Gestern waren solche Leute auch bei Bernh. Saatmann, der schon wiederholt ausgeplündert worden ist, u. haben wieder alles durcheinandergewühlt.

     Paul hat gestern Abend um 5 Uhr bei Frau Sperling Rundfunk gehört. Der Strom ist etwas stärker geworden, aber bei uns reicht er noch nicht aus, weder für den Rundfunk, noch für die Pumpe. Er hat gehört, daß die bedingungslose Kapitulation nun endgültig von der Interalliierten Kontrollkommission im Beisein von Generalfeldmarschall Keitel in einem Vorort Berlins, ich glaube in Kaulsdorf, ratifiziert worden ist. Damit ist nun der Waffenstillstand endgültig Tatsache. Es ist weiter gesagt worden, daß Herm. Goering mit Frau u. Kind in Gefangenschaft gekommen sei. Goering habe erklärt, daß er den Führer aufgefordert habe, die Regierungsgeschäfte an ihn [2] abzugeben. Daraufhin habe der Führer in verhaften lassen u. habe ihn zum Tode verurteilt. Die Luftwaffe habe ihn aber aus den Händen der SS befreit. –

     Nach dem Vortrage gestern Abend, an dem Herr + Frau Ziel u. Herr Dr. Hahn teilnahmen, berichtete Dr. Ziel von einem Gang nach Wustrow. Er hat Herrn Zelk besucht, der beim Kommandanten von Wustrow war u. dem er gesagt hat, wer er sei u. daß er von den Nazis viel zu leiden gehabt habe u. auch in Haft war. Er hat gefragt, ob er einen Passierschein nach Hamburg bekomen könne. Der Kommandant sei sehr freundlich gewesen, habe ihm einen Passierschein ausgestellt für ihn u. seine Frau u. ist beim Abschied sogar aufgestanden u. hat Herrn Zelk die Hand gegeben. Das ist angesichts der eisigen Kälte, der man sonst begegnet, immerhin sehr viel.

     Ueber die Zustände in Wustrow sagte Dr. Ziel, daß die ganze Strandstraße vom Strandheim ab abgesperrt sei. Die Hausbesitzer haben die Häuser räumen müssen, es mögen das etwa 15 Häuser sein, u. diese Häuser sind mit Soldaten belegt worden, sodaß dort nun alle Soldaten zusammen wohnen. Es ist ihnen streng verboten, andere Häuser zu betreten. Auch Nachts dürfen die Soldaten ab 10 Uhr nicht mehr auf der Straße sein. Es gehen Nachts zwei Patrouillen. Der Bürgermeister hat vorgeschlagen, daß diese Patrouillen von zwei Bürgern begleitet werden sollen u. der Kommandant hat dem zugestimmt. Die Läden sind dort wieder geöffnet u. das Leben fängt an, wieder normal zu sein. Die vier Barnstorfer Bauern, die ihre Gehöfte verlassen mußten, da sie von Soldaten belegt wurden, konnten ihre Gehöfte wieder in Besitz nehmen. Die Männer von 18. – 60 Jahren sind zusammengerufen worden u. man hat, wenn ich mich recht besinne, die Soldaten unter ihnen herausgenommen u. sie nach Ribnitz gebracht die übrigen konnten wieder nachhause gehen, ohne daß sie registriert worden wären. Es scheint also, als ob in Wustrow das Leben wieder anfängt, normal zu werden, es wird also wohl auch bei uns bald wieder normal sein.

     Die sog. Siegesfeier der Russen ist ebenfalls ruhig verlaufen, so weit ich bis jetzt sehe. Ich hatte deshalb Sorge u. blieb bis 12 Uhr wach, aber es ereignete sich nichts. Nur Leuchtraketen sah ich am Himmel stehen.

     Gestern Nachmittag war auch Herr Heide bei uns, der Schwiegersohn der Frau Lange, der selbst ein großer Lümmel ist. Ich gab ihm Zigaretten, da er uns versprach, uns Gemüse, Kartoffeln u. Butter zu bringen. Bei ihm im Hause ist der Strom schon stark genug, daß er Radio hören kann.

     Das Gerede, daß wir schließlich doch englische Besatzung erhalten würden, will nicht verstummen. Es geht offenbar von den Russen selber aus, die gern hier fort wollen, teils, weil sie überhaupt nachhause wollen, teils, weil ihnen unser Land zu arm ist u. sie sich hier auf die Dauer nicht ausreichend ernähren können. Sie räubern ja auch die Gegend aus u. es kann das auf die Dauer nicht gut gehen. – Man hört auch heute morgen noch immer schwere Sprengungen aus dem Südwesten u. Westen.