Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: TBHB 1945-04-06
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1945
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel: Freitag 6. April 1945
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 6. April 1945
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung

Der Artikel TBHB 1945-04-06 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 6. April 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über vier Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Freitag 6. April 1945     

[1]      Gestern früh 7 Uhr fuhren wir mit Spangenberg nach Prerow. Das Wetter war unsicher u. recht kalt. Mit uns fuhren Herr + Frau Degener u. Andreas v. Walter, später stiegen noch Frau Triebsch u. Frau Hoppe, eine alte Dame aus Ortelsburg dazu. Deren Tocher Frau Kupzek (oder so ähnlich) u. Frl. Nickstedt fuhren per Rad. Als wir über die Kuhweide zum Darss fuhren, stand ein prächtiger, doppelter Regenbogen im Westen, dessen eines Ende gerade auf der Spitze des Hohen Ufers ruhte.

     Wir kamen kurz vor 9 Uhr in Prerow an. In der Kirche, die übrigens ein wenig schönes Innere hat, stand eine lange Schlange von Menschen von der Sakristeitür an bis an das gegenüberliegende Ende. Diese Leute wollten alle noch beichten. Der Pfarrer kam bald heraus u. machte bekannt, daß es technisch unmöglich wäre, alle diese Beichten zu [2] hören, – er hatte ja schon vor 8 Uhr angefangen. Hätte er alle diese Beichten gehört, dann würde es darüber Mittag geworden sein. So erklärte er, daß er allen vor der hl. Kommunion die General-Absolution erteilen würde, daß aber jeder verpflichtet sei, die Beichte bei passender Gelegenheit nachzuholen. – Schw. Maria war ebenfalls da u. spielte wohl die Orgel, auch die Meßjungen hatte sich der Pfarrer mitgebracht, unter ihnen Friedrich Hertweg. – Dann folgte das Hochamt mit einer recht guten Predigt. Der Pfarrer sah überraschend frisch aus. Nach dem Hochamt gingen wir gleich hinaus, da es uns ganz zwecklos schien, den Pfarrer noch selbst zu sprechen, denn die Menschen strömten zu ihm in die Sakristei mit ihren Anliegen; aber der Pfarrer kam uns nachgelaufen u. so konnten wir ihn wenigstens noch kurz begrüßen. Das Wetter war inzwischen etwas wärmer geworden. Wir fuhren bald wieder los u. waren 1/4 nach 1 Uhr endlich wieder zuhause, ziemlich erschöpft. –

     Um 1/2 4 Uhr gingen wir zur Beerdigung der Frau Kraus. Es waren nur wenige Menschen da. Außer den beiden Töchtern Frau Masurek u. Frau Ranke u. dem Sohn war noch die Schwägerin von Frau Masurek da, die Katholikin ist, sowie Frau Dr. Korsch. Unsere Frau Korsch fehlte leider, da sie mit ihrem Mann, der eben hier gewesen war, nach Rostock gefahren war. Sie wollte zur Beerdigung wieder hier sein, hat aber wohl den Anschluß nicht erreicht. Ferner waren Martha u. Grete da, sodann Frau Longard, die junge Frau Garthe, die alte Frau Dettmann mit ihrer Freundin Stöwer, der Witwe des Marinemalers aus der Zeit Wilhelms II u. sonst noch zwei oder drei Leute. – Ich betete die Psalmen u. einige Gebete aus der Totenmesse, wie der Pfarrer es mir geschrieben hatte, u. hielt eine Ansprache, die offenbar auf alle einen sehr tiefen Eindruck gemacht hat u. bei der ich den Katholizismus stark betonte. Es war für mich gleichzeitig eine Propaganda, denn ich wollte den Protestanten gern zeigen, wie wir unsere Toten beerdigen im Gegensatz zu den Protestanten. Das ist mir anscheinend auch ausgezeichnet gelungen. Am Grabe auf dem Friedhof segnete ich das Grab mit Weihwasser, sprach noch ein Vaterunser u. das Salve Regina. Frau Mazurek, die Tochter, trat als erste an das Grab u. warf die Erde nach, dann betete sie still u. bekreuzigte sich dann. Vielleicht wird diese Beerdigung sie einen Schritt weiter gebracht haben zum Katholizismus.

     Auf dem Wege zum Friedhof begegnete uns der evang. Pastor Kumpf, der ein starker Katholikenhasser ist. Er warf einen halb erstaunten, halb zornigen Blick auf den Leichenwagen u. schritt grußlos vorüber. Damit gab dieser Mann zum zweiten male einen lebendigen Anschauungsunterricht über den Unterschied von Protestantismus u. Katholizismus. Wenige Schritte weiter begegneten wir am Kurhause einem älteren, einfachen Mann von der Verwandtschaft Neumanns, der ehrfürchtig das Haupt entblößte, obwohl er so weit zurück auf dem Kurhaus-Gelände stand, daß er diese Geste der Ehrfurcht auch ruhig hätte unterlassen können. Daß er sie dennoch tat, war wiederum eindrucksvoll.

     Auf dem Nachhauseweg ging die junge Frau Garthe neben mir u. äußerte sich zwar sehr töricht, aber doch [3] in guter Absicht, daß diese kathol. Beerdigung einen starken Eindruck auf sie gemacht hätte. Als ich mich im Hause von Grete verabschiedete, sagte sie: „Ich bewundere Dich.“ Martha war anschließend zu Chartotte Schmitt-Buck gegangen, die anscheinend den Kopf verloren hat u. nach Hamburg reisen will. Als Martha dann nachhause kam, war auch sie noch ganz ergriffen von der Beerdigung. Also scheint doch alles einen tiefen Eindruck gemacht zu haben u. diese Feier hat sich offensichtlich sehr deutlich abgesetzt von den vielen protestantischen Beerdigungen dieses letzten Zeit, die von den Herren Pastoren Löber u. Kumpf gemacht worden waren.

     Abends kamen dann Herr + Frau Dr. Krappmann. Er brachte eine Flasche franz. Sekt mit, die uns sehr willkommen war. Wir sprachen die Stituation nach allen Seiten durch u. obgleich er noch immer unschlüssig ist, was er mit seiner Familie machen soll, ging doch so viel aus unserer Unterredung hervor, daß er die Absicht hat, eine Kampfhandlung hier auf jeden Fall zu vermeiden. Er ist außerordentlich vernünftig u. wird alles tun, was in seiner Macht steht. Es ist ja noch durchaus nicht sicher, ob die Russen wirklich hierher kommen, oder die Engländer. Da die Russen jetzt, wo sie an der Odermündung stehen, garkeine Kampfhandlungen dort mehr unternommen haben, ist es durchaus möglich, daß sie nicht die Absicht haben, dort weiter vorzugehen. Auch strategisch ist das unwahrscheinlich, so lange sie Berlin nicht genommen haben; aber auch dort kämpfen sie nicht. Ich glaube auch nicht, daß sie das künftig tun werden. Sie haben jetzt alle Kraft in Ungarn eingesetzt. Ungarn ist jetzt von ihnen vollständig besetzt worden, Preßburg haben sie genommen u. sie stehen am östlichen u. südlichen Stadtrande von Wien. Diese Stadt wird von Sepp Dietrich verteidigt, doch glaube ich nicht einmal, daß die Russen diese Stadt wirklich angreifen werden. Sie werden jetzt nach Norden gehen, den Rest der Slowakei erobern u. dann in die Tschechei einfallen. Mit der Besetzung dieses Landes werden sie sich wahrscheinlich begnügen. Sobald sie im Süden weiter vorgekommen u. die Karpaten überwunden haben, werden sie auch von Ober= u. Niederschlesien her auf Prag losgehen. Wenn es so wird, dann werden wir hier niemals Kampfgebiet werden u. es ist höchst zweifelhaft, ob die Russen überhaupt herkommen werden. –

     Im Westen geht es rasch vorwärts. Die Engländer stehen heute 60 km. südwestlich von Bremen. Sie haben die Weser überschritten u. stehen mit Amerikanern 40 km. vor Hannover. Einen geschlossenen Widerstand gibt es überhaupt nicht mehr, unsere Soldaten ergeben sich, wo sie nur können. –

     Von Kurt kam vorgestern ein Abschiedsbrief. Er wird inzwischen in russ. Gefangenschaft geraten sein, wenn er nicht gefallen ist. Der Brief war kurz u. herzlich zu seiner Mutter, aber auch in dieser Stunde nahm er nicht die geringste Notiz von mir. –

     Von Fritz, Ruth u. Klaus, der in Dortmund sitzt, hören wir nichts.

     Rußland hat seinen Nicht-Angriffspakt mit Japan [4] gekündigt u. in Japan ist das gesamte Kabinett zurückgetreten. Der neue Ministerpräsident soll 77 Jahre alt sein. Dieses neue Kabinett dürfte das Letzte dieses Krieges sein. Damit ist denn auch dieses Land, das einen so ungeheuren Aufstieg erlebt hat, an seiner Machtgier zugrunde gegangen.