Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-03-17
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Sonnabend, 17. März 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 17. März 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-03-17 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 17. März 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonnabend, 17. März 1945.     

[1]      Gestern Nachmittag wurde das Dorf plötzlich u. unvorbereitet mit 150 neuen Flüchtlingen belegt. Wir selbst sind verschont geblieben, aber sonst sind viele Häuser belegt worden, darunter auch Ziels mit drei Personen. Der notwendige Raum mußte innerhalb drei Stunden belegbar sein. Für das alte Ehepaar Ziel war das einfach unmöglich u. so gingen wir, Martha, Trude u. ich, hin, um zu helfen. Ziels haben entsetzlich viel Kram. In dem Zimmer, das frei gemacht werden mußte, war Ziels Bibliothek mit 2000 Bänden. Frau Dr. Hahn half ebenfalls mit. Als wir endlich das Zimmer freigeräumt hatten, schleppten Ziel u. ich die drei Betten aus einem Schuppen im Haus u. nach oben über eine schrecklich enge u. steile Stiege, u. als alles oben war, stellten wir fest, daß die Matratzen nicht in die Bettgestelle hineinpaßten. Der alte Ziel war erschöpft, wir anderen ebenfalls. Inzwischen kam Frau Langner u. kündete an, daß die Flüchtlinge nun kämen. Ich weiß nicht, was aus der Sache geworden ist, Martha u. ich gingen mit Trude nachhause. Ich habe ein schlechtes Gewissen, die alten Leute allein gelassen zu haben, aber wir konnten ja weiter nichts tun. –

     Abends war das Breslauer Ehepaar zum Rosenkranz bei uns wie jeden Freitag in der Fasten= u. Passionszeit. Vorher hörten wir die Wochenchronik von J. R. v. Salis, die überaus interessant war. Er sprach von Gerüchten, die sich trotz aller Dementis hartnäckig erhalten, daß Ribbentrop über Stockholm Friedensfühler ausgestreckt habe auf der Basis, daß im Falle der deutschen Niederlage ganz Europa dem Bolschewismus anheimfalle. Das ist ja die alte Propaganda=Idee der Nazis. J. R. v. Salis meinte nun dazu, daß zwar besonders in letzter Zeit manche Differenzen zwischen Ango-Amerika einerseits u. Rußland andererseits aufgetaucht seien, daß es aber nach der Konferenz von Jalta ausgeschlossen sei, Uneinigkeit in Bezug auf die Kriegführung unter den Alliierten hervorzurufen. Er erwähnte die Rede, die Churchill in dieser Woche vor seiner konservativen Partei [2] gehalten hat u. in der er das Ende des Krieges wiederum etwas hinausgeschoben hat auf den Spätsommer, doch „vielleicht auch früher“. Er meinte, der Krieg würde entweder mit der totalen Niederlage Deutschlands enden, oder mit einem totalen Chaos in Deutschland. v. Salis erwähnte ferner, es ginge das Gerücht, Feldmarschall v. Rundstedt habe an Eisenhower gewisse Angebote gemacht. Auch dieses Gerücht wurde dementiert, aber die amerikan. Regierung habe verlautbart, daß Eisenhower, bzw. Amerika, bereit seien, die Kapitulation größerer Heeresverbände oder ganzer Armeen anzunehmen, jedoch käme deshalb noch kein Waffenstillstand in Frage. Von dieser Verlautbarung hatte ich bereits 2 – 3 Tage vorher gehört u. sie ist auffällig genug. Solche Verlautbarungen macht man nicht, es sei denn, sie wären die Antwort auf eine voraufgegangene Anfrage. – Es muß also trotz aller Dementis etwas dergleichen geschehen sein. Ein nicht zu unterschätzendes Argument soll dabei von uns in die Wagschale geworfen worden sein. Man hat von unserer Seite darauf hingewiesen, daß bei einem allgemeinen Chaos in Deutschland die Existenz von 10 Millionen Fremdarbeitern u. aller Kriegsgefangenen auf dem Spiele stände, – u. das ist richtig. Möglicherweise hat Churchill darauf angespielt, wenn er von der totalen Niederlage oder dem Chaos sprach. Die Niederlage würde dann so zu verstehen sein, daß die Armeen von sich aus kapitulieren, – u. möglicherweise wollte er seinen Parteigenossen mit dem Worte Chaos die Gefahr andeuten, die in einem solchen Kriegsende auch für die Alliierten liegt. –

     Abends war Frau Dr. Daubenspeck da, die wie immer sehr viele Neuigkeiten wußte. Sie war in Ribnitz beim Zahnarzt gewesen, doch mußte sie unverrichteter Dinge wieder zurückkommen, da es keinen Strom gab u. in Ribnitz kein Mensch arbeiten konnte. Es gab weder Wasser, noch konnten elektr. Instrumente betrieben werden. Dafür sah sie einen Flüchtlings-Treck von 35 km. Länge durch die Stadt ziehen. Sie sprach mit einem Bauern, der laut die Nazis verfluchte. Besonders bemerkenswert war, daß sich in diesem Treck zahlreiche französ. Kriegsgefangene befanden, die also ebenfalls vor den Russen flohen.