Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1944-09-06
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Entstehungsdatum: 1944
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Originaltitel: Mittwoch, 6. Sept. 1944.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 6. September 1944
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Einführung

Der Artikel TBHB 1944-09-06 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 6. September 1944. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Mittwoch, 6. Sept. 1944.     

[1]      Wieder neue Aufregung im Dorf. Alle Wohnräume sind beschlagnahmt, sehr rigoros. Unser Entschluß, Paul u. Grete aufzunehmen, kam grade noch zur rechten Zeit, ich hätte sonst meine beiden Zimmer an Fremde abgeben müssen. So sind wir drum herum gekommen wenigstens im großen Hause. Im kleinen Hause ist das rechte Zimmer beschlagnahmt worden. Es handelt sich nicht um Evakuierte aus dem Westen, sondern um Ausgebombte aus Stettin, wo nach dem letzten Angriff 60000 Menschen obdachlos geworden sind.

     Als die sog. Kommission, bestehend aus Frau Both für die NSV u. Frau Gräff als Frau des Bürgermeisters zu uns kam, waren wir schon eifrig beim Umräumen. Letzte Nacht habe ich bereits in meinem neuen Schlafzimmer geschlafen. Es ist dort zwar etwas eng, aber es geht. Heute haben wir mein Atelier eingerichtet, so weit wir konnten, es ist sehr anstrengend u. wir können es nicht auf einmal machen. Die Bürosachen habe ich herübergebracht, auch einige Privatsachen, es fehlen noch die Bücher mit dem Regal u. a. Sachen. Ich benütze wieder mal die Gelegenheit, vieles wegzuwerfen, man hat zu viel unnötiges Zeug.

     Gestern Abend kam Grete spät noch einmal. Sie hatte einen höchst deprimierenden Brf. von Paul u. eine zweite Nachricht von ihrer Tochter Inge, nach der die jüngste Tochter Erika Prag verlassen muß. Der Mann hatte bisher dort studiert, wofür er beurlaubt war. Jetzt aber ist er plötzlich wieder eingezogen. Die Zustände in Prag sind nun aber so, daß er es nicht wagt, seine junge Frau mit dem 1/2jährigen Kinde dort zu lassen. Aber wohin mit ihr? Es bleibt nichts anderes übrig, als sie hierher kommen zu lassen, wenn uns das Zimmer im kleinen Hause wieder freigegeben wird. Erika muß ihre ganze Einrichtung, die sie sich angeschafft hatte, in Prag stehen lassen u. kann nur das Notwendigste mitnehmen. Ich kenne sie kaum, habe sie nur einmal vor einigen Jahren in Bln. gesehen, als wir auf der Durchreise nach Regensburg dort waren [2] Wir haben damals zusammen im Exzelsior gegessen u. ich hatte einen guten Eindruck von ihr, obgleich sie nationalsozialistisch gesinnt ist. Unglücklicherweise ist ihr Mann SS=Offizier. Ich kenne ihn garnicht. Paul meint, daß er abgesehen von seiner nationalsozialistischen Einstellung ein sehr ordentlicher u. sympatischer Mensch sein soll. Ich habe zur Bedingung gemacht, daß weder Erika noch ihr Mann sich jemals nationalsozialistisch betätigen dürfen, weder durch Handlungen, noch durch Reden u. daß vor allem der Mann sich hier niemals in SS=Uniform sehen läßt. –

     Im Westen gehen die Operationen weiter, die Alliierten sollen die Reichsgrenze überschritten haben, doch weiß man nicht genau, wo das ist. Auch Calais haben sie erreicht. Seit Montag sind wieder V1=Bomben über Südengland, nachdem 4 Tage lang eine Pause gewesen war. Wahrscheinlich sind noch einige Abschußrampen im Betrieb u. sie verschießen ihre letzten Bomben. – Die Russen haben den Bulgaren jetzt zum Schluß noch den Krieg erklärt, 5 Stunden darauf haben die Bulgaren um Waffenstillstand gebeten. Dies dürfte der kürzeste Krieg sein, den die Weltgeschichte kennt. Sonst sind die Russen entlang der Donau weiter vorgestoßen u. stehen jetzt dicht vor der Jugoslawischen Grenze.

     Der Waffenstillstand Rußland — Finnland ist abgeschlossen worden, die Kampfhandlungen sind eingestellt. Die deutschen Truppen müssen Finnland bis zum 15. September verlassen haben.

     Heute sollte ich eigentlich in Barth sein zur ärztl. Untersuchung, – bin neugierig, was daraus wird.